Inflation – und abwärts geht’s!

Nachdem ich bei meinen Betrachtungen der Inflation im letzten Monat noch ein Fragezeichen hinter den Abwärtstrend gesetzt hatte (hier), scheint sich dieser Trend nunmehr zu verfestigen, wie die nachfolgenden Betrachtungen zeigen.

Deutschland: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/12/PD22_529_611.html

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/erzeugerpreise-energie-nahrungsmittel-inflation-101.html

https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/12/PD22_550_61241.html

https://www.bundesbank.de/de/aufgaben/themen/bundesbank-praesident-erwartet-deutlichen-inflationsrueckgang-erst-ab-2024-902308

„Nur noch“ 10,0% Inflation in Deutschland – nach 10,4% im Vormonat. Und da aktuell die Erzeugerpreise erneut sinken, der Spotmarktpreis für Rohöl wieder auf Vorkriegsniveau tendiert (hier) und sich die Materialmangellage in deutschen Unternehmen anscheinend entspannt (hier), dürfte sich dieser Trend auch im nächsten Monat fortsetzen, auch wenn die Erzeugerpreise nach wie vor steigen. Nur der Bundesbank-Chef Nagel „stört“ die positivistischen Nachrichten: Nach Einschätzung der BuBa geht die Inflation erst ab 2024 deutlich zurück. Für 2023 sieht er die Inflation weiter bei 7%.

England: https://www.tristrategy.co.uk/home/inflation-drops-but-still-at-near-40-year-high-tri

https://www.linkedin.com/posts/adriandoble_uk-economy-grows-05-in-october-activity-7007990518114570242-90QQ

https://www.theguardian.com/business/2022/dec/15/bank-of-england-raises-interest-rates-to-35

https://www.finanzen.net/devisen/britische_pfund-euro-kurs

https://www.handelsblatt.com/finanzen/immobilien/immobilien-britische-hauspreise-sinken-so-kraeftig-wie-zuletzt-2008/28853046.html

Auch in England sank die Inflationsrate von 11,1% im Oktober auf 10,7% im November 2022. Die britische Wirtschaft wuchs um 0,5% im 3. Quartal und die Bank of England erhöhte den Leitzins um weitere 0,5% auf jetzt 3,5%. Zwar hat sich das britische Pfund gegenüber dem Euro von seinem Allzeittief im September dementsprechend wieder erholt, aber der generelle Abwärtstrend der Währung ist intakt. Aber auch die Immobilienpreise in GB sinken so stark, wie seit der Finanzkrise nicht mehr.

Türkei: https://www.handelsblatt.com/finanzen/geldpolitik/preisentwicklung-inflationsrate-in-der-tuerkei-sinkt-erstmals-seit-anderthalb-jahren/28848056.html

https://www.welt.de/politik/ausland/plus242726509/Erdogan-will-die-Tuerkei-zu-einem-der-weltweit-fuehrenden-Produktionszentren-machen.html

https://www.handelsblatt.com/unternehmen/energie/erneuerbare-energien-tuerkei-will-weltgroesstes-wellenkraftwerk-in-ordu-bauen/28863818.html

Nun ja, den Rückgang der Inflationsrate in der Türkei muss man mit der Lupe suchen, geht sie doch nur von 85,51% im Oktober auf 84,39% im November 2022 zurück. Aber immerhin. Und gleich hat der – wohl schon im Wahlkampf befindliche – türkische Ministerpräsident Erdogan Großes vor: Ausbau der Türkei zu einem führenden Produktionsstandort und Energiegewinnung durch Wellenkraft. Da gehen die aktuellen Spannungen zwischen der Türkei und Griechenland (hier) fast unter.

Schweiz: https://www.businessinsider.de/wirtschaft/inflation-schweiz-niedrig-preise-stabil-das-sind-die-gruende-energie-franken-zoelle-e/

Die Inflationsrate in der Schweiz verharrt im November bei stabilen 3,0%, wie im Vormonat.

Eurozone: https://www.manager-magazin.de/politik/europa/inflation-in-eurozone-erstmals-seit-knapp-eineinhalb-jahren-gesunken-a-3064f536-0a72-4c58-90eb-848858088e57

Auch in der Eurozone ist die Inflationsrate leicht von 10,6 im Oktober auf 10,0% im November 2022 zurückgegangen.

EZB: https://www.ecb.europa.eu/press/pr/date/2022/html/ecb.mp221215~f3461d7b6e.de.html

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/finanzen/geldpolitik-ezb-zinsentscheidung-101.html

https://www.ecb.europa.eu/press/pr/date/2022/html/ecb.mp221215~f3461d7b6e.de.html

Und prompt lässt die EZB die Zügel schleifen: Nur noch zu einer Anhebung des Leitzinses um 0,5% auf nunmehr 2,5% konnte sie sich aufraffen. Zu beachten ist aber, dass die EZB ihre aufgeblähte Bilanz sukzessive abbauen will. Gleichwohl wird die EZB durch ihre Anleihe-„Geschäfte“ wohl ein Minus von über Euro 100 Mrd. in den nächsten Jahren einfahren. Aber keinen juckts.

USA: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/finanzen/inflation-verbraucherpreise-usa-105.html

Die schon in den Vormonaten sinkende Inflationsrate in den USA ebbt weiter ab: von 7,7% im Oktober auf 7,1% im November 2022. Und auch hier erhöht die Fed den Leitzins um „nur“ 0,5%, was allerdings den Leitzins insgesamt auf 4,25% bis 4,5% ansteigen lässt. Und die 5% sind schon fest eingepreist. Dazu schmilzt die Fed ihre Bilanz relativ schnell ab.

Japan: https://www.onvista.de/news/2022/11-25-inflation-wann-knickt-die-bank-of-japan-ein-19-26069364

https://www.wiwo.de/politik/konjunktur/konjunktur-bank-von-japan-schockt-maerkte-mit-strategiewechsel-/28877958.html

Obwohl die Inflationsrate mit 3,7% (im Oktober) geradezu Schweizer Verhältnisse suggeriert, erhöhte die Bank of Japan unvermittelt den Korridor für die Zinsen von zehnjährigen Staatsanleihen – und deutet damit einen Strategiewechsel an. Angesichts einer Staatsverschuldung Japans jenseits der 260% in Relation zum BIP (hier) dürfte schon dieses „Schrittchen“ enormen Druck am Markt aufbauen.

Argentinien: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/988114/umfrage/monatliche-inflationsrate-in-argentinien/

Im Lande des Fussball-Weltmeisters stieg die Inflationsrate von 88% im Oktober auf 92,4% im November 2022.

Venezuela: https://elamerican.com/inflation-in-venezuela-reached-21-9-in-november/

Die Inflationsrate in Venezuela stieg um lediglich 21,9% – allerdings nur im Monatsvergleich. Im den ersten elf Monaten des Jahres betrug die akkumulierte Inflationsrate 195,7%. Damit ist das Land zwar aus den vierstelligen Inflationsraten der Vorjahre raus. Aber gesund ist halt auch anders.

Fazit: Die gute Nachricht: Die Inflation sinkt in fast allen betrachteten Ländern, unabhängig davon, welche konkrete Politik im jeweiligen Land betrieben wird. Die schlechte Nachricht (zumindest für die Bürger): Die Inflation wird auch in 2023 deutlich über der Zielmarke von 2% bleiben. Das Leben für die Bürger bleibt dauerhaft teuer. Und da hat in meinen Augen noch niemand auf die Zweitrundeneffekte geschaut oder auf die längerfristigen Folgen der Lieferausfälle für Gas und Öl aus Russland für den nächsten Winter (s. nur hier).

Was für den/die Otto-Normal-Michel*inne eine schlechte Nachricht sein mag, ist für deutsche und europäische Politiker ein Himmelsgeläut: Durch die Inflation schrumpfen die Schuldenstände, die Steuereinnahmen sprudeln und die Wirtschaft wächst – zumindest auf dem Papier. All das gaukelt dem Wähler eine erfolgreiche Finanz- und Wirtschaftspolitik vor. Die Politiker täten aber gut daran, sich auf die „Downsides“ des Prozesses vorzubereiten: So steigt der Preis für die eigene Staatsverschuldung (So muss Herr Lindner für Zinszahlungen im Bundeshaushalt 2023 Euro 40 Mrd. statt, wie im Vorjahr, Euro 4 Mrd. einplanen, hier). Und das ist der offizielle Haushalt. Der Bundesrechnungshof kommt noch auf ganz andere Dimensionen (hier).

Die Tatsache, dass die westlichen Notenbanken nun auch ernsthaft begonnen haben, Liquidität aus dem Markt zu ziehen, wird dazu führen, dass es nicht nur kein billiges Geld mehr gibt, sondern auch dass Geld wieder ein knappes Gut wird. Nicht umsonst dürften sich deutsche Unternehmen zwischenzeitlich mit Liquidität vollgesogen haben (hier). Langfristig wird diese aber auch nicht gegen die home-office bedingt einbrechende Produktivität (hier) oder die sich abzeichnende De-Industrialisierung Deutschlands (hier) helfen.

Sprich, wie die Bundesbank und die EZB sehe ich die Inflation in Deutschland und der Eurozone in 2023 bei zumindest sechs, eher sogar bei bis zu acht Prozent. Und ob sich die Zinskurve danach wirklich abflacht, wird sowohl vom Zustand der Währung, als auch des BIP abhängen. Denn mit einer Zinsdifferenz von zwei Prozent zwischen der Eurozone und den USA dürfte schon das Zinsumfeld jenseits des Atlantiks schon mal etwas positiver ausfallen, um mal in den Investmentjargon zu verfallen. Und die US-Inflation Reduction Act (hier) dürfte auf europäische und gerade deutsche Unternehmen eine starke Anziehungskraft ausüben. Dagegen dürften nach der Aufgabe der ZeroCovid-Politik in China (hier) die Lieferengpässe aus Corona-Zeiten in 2023 endgültig abebben. Zwar erst nach einer „Mega-Welle“ von Infektionen mit entsprechendem Arbeitsausfall, aber dann dürfte es rum sein (und ich bin mir meines Zynismus ob dieser Zeilen bewusst…). Nur ein Angriff Chinas auf Taiwan könnte erneute Lieferkettenprobleme in der Dimension der Corona-Pandemie hervorrufen.

Dann schauen wir mal, ob es tatsächlich nur ein „milde Rezession“ mit stark abfallenden Inflationsraten gibt.

Zitat zum Thema: „Mild recession“ is the new „transitory inflation“ – Zerohedge (via Twitter, hier)

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