… denn zumindest zum Jahresende 2022 gestaltete sich das Inflationsgeschehen in der westlichen Welt positiver, als noch im Sommer gedacht. Schauen wir mal auf die Einzelwerte:
Deutschland: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/01/PD23_003_611.html
https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/01/PD23_022_611.html
Die Inflationsrate ist – „unter anderem aufgrund der Dezember-Soforthilfe“ deutlich von 10,0% im November auf „nur noch“ 8,6% im Dezember 2022 gefallen. Im Jahresschnitt 2022 gehen die Statistiker von Destatis von einer Inflation von 7,9% aus. Die deutsche Wirtschaft ist in 2022 dabei immerhin noch um 1,9% gewachsen (hier).
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/finanzen/geldpolitik-ezb-zinsentscheidung-101.html
Auch in der Eurozone geht die Inflationsrate zurück, auf noch 9,5% im Dezember 2022. Die Frage ist, ob bereits jetzt die Leitzinserhöhungen seitens der EZB – im Dezember um weitere 0,5% – inflationsmindernd greift. Ich denke nein. Eher dürfte die Entspannung auch auf europäischer Ebene mit den fallenden Energiepreisen zusammenhängen.
https://www.tristrategy.co.uk/home/uk-economy-unexpectedly-grows-in-novembertri
Sozusagen „hot of the press“ – die aktuellen Inflationszahlen für UK: Demnach ist die Inflation auf der Insel im Dezember nur leicht von 10,7% auf 10,5% gefallen. Dafür wuchs die Wirtschaft – eher unerwartet – im November 2022 um 0,1%.
Auch in den USA fällt die Inflationsrate weiter, nämlich von 7,1% im Dezember auf 6,5% im Januar 2023, allerdings scheint die Fed-Politik der Leitzinserhöhungen ihren Tribut zu fordern, den ersten Einschätzungen zufolge ist das US-BIP im vierten Quartal 2022 nur um 2,8% anstatt der prognostizierten 4% gewachsen (hier).
Die Inflationsrate in der Schweiz fällt im Dezember 2022 auf 2,8% (Nov: 3,0%). Beim Kampf gegen die Frankenaufwertung (die die Inflation möglicherweise drücken würde, da Importe billiger werden) hat die SNB allerdings einen Verlust von SFR 132 Mrd. eingefahren. Nun ja.
Nicht nur dass die Inflationsrate in Japan im November 2022 auf 3,8% und damit den höchsten Wert seit 40 Jahren stieg, nein, derzeit deutet sich ein Scheitern der von der BoJ verfolgten Zinskurvenkontrolle ab – angesichts der Verschuldung ein nicht gerade beruhigendes Zeichen.
Türkei: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/tuerkei-inflation-dezember-schwaecher-101.html
Scheinbar bricht in der Türkei die Inflation geradezu weg: Nachdem sie im November nur wenig auf 84,4% abgesunken war, brach sie im Dezember auf 64% ein. Aber wie schreibt die Tagesschau so schön: „Unabhängige Experten bezweifeln allerdings die offiziellen Zahlen.“ Nun ja. Passend dazu fordern Exporteure eine bewusste Abwertung der Lira, um wieder konkurrenzfähig zu werden.
Argentinien: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/inflation-argentinien-101.html
95%! Wow. So viele Fussball-Weltmeisterschaften kann man gar nicht gewinnen, um das auszugleichen. Und Argentinien ist ja schon seit einiger Zeit in der Krise (hier).
Fazit: Die USA, die im Gegensatz zu Europa „lediglich“ von einem – allerdings gigantischen – Geldüberhang als Inflationstreiber betroffen waren, fallen die Inflationsraten so schnell, wie sie gestiegen sind – und bislang wächst die US-Wirtschaft noch mit Raten, bei denen wir hier Tränen in den Augen hätten. Europa, insbesondere Deutschland, dagegen sind nicht nur von einem Geldüberhang betroffen, sondern auch von einem Angebotsschock – nämlich ausbleibenden Energielieferungen aus Russland. Dementsprechend kann der Wert der Aussage des Chefs der Bundesnetzagentur, Müller, dass er keine Gasmangellage für diesen Winter mehr befürchtet (hier), gar nicht hoch genug bewertet werden. Aber obwohl der Ölpreis längst wieder auf das Vorkriegsniveau gefallen ist (hier), zahlen wir an der Tankstelle immer noch höhere Preise als im Januar 2022 (hier). Ob dieser höhere Preis – wie auch andere hohe Preise – mit einer „Greedflation“ zusammenhängen, wie Herr Müller (hier, der vom Spiegel, nicht der von der Netzagentur) behauptet, sprich die aktuellen Inflationsraten mehr vom Gewinnstreben der Unternehmen, denn (noch) tatsächlichen Preissteigerungen bei Energie, Rohstoffen und Vorprodukten getragen wird, kann ich nicht beurteilen. Ausschließen würde ich es nicht. Sollte dies zutreffen, könnten die – gerade in Deutschland erneut mit der Gießkanne ausgeschütteten – Staatshilfen wieder eher den Unternehmen, denn den Bedürftigen zukommen. Gleichzeitig dürfte die expansive FISKAL-Politik (die Bundesregierung hat im letzten Jahr Euro 415 Mrd. neue Schulden, teils getarnt als „Sondervermögen“, beschlossen, hier) die nun endlich restriktivere GELD-Politik der EZB konterkarieren. Sprich, während die EZB inflationssenkend agiert, geriert sich die Bundesregierung womöglich inflationstreibend. Tja, unintended consequences eben.
Dann hoffen wir mal, dass in 2023 das obige Zitat nicht so endet, wie man allgemein sagt: „…und es kam schlimmer.“