Nu isses endlich soweit – auch in Deutschland ist die Inflation jetzt zweistellig. Zwar ist Deutschland damit noch längst nicht an der Spitze (s. zur Übersicht hier) und schon gar nicht allein, aber der im letzten Monat befürchtete „Winter des Missvergnügens“ (hier) könnte jetzt schon auf „Herbst“ vordatiert werden.
Und nun ist es soweit, die Inflationsrate in Deutschland ist mit 10,0% im zweistelligen Bereich angekommen. Und es ist deutlich absehbar, dass derartige Inflationsraten gekommen sind, um zu bleiben: Denn zum einen lag selbstredend Herr Fratzscher wie erwartet völlig daneben, als er die Befürchtungen einer Lohn-Preis-Spirale noch im August (!) für ein „Märchen hielt (hier). Nicht nur, dass der öffentliche Dienst nun zweistellige Lohn- und Gehaltsforderungen stellt (hier), nein in der Chemiebranche haben die Tarifverhandlungen zu einem Abschluss geführt, der im Einzelfall bis zu 15%, im Schnitt aber 13%, mehr Lohn- und Gehalt bringt (hier). Wenn das keine Lohn-Preis-Spirale ist, dann weiß ich auch nicht, was eine ist. Zum anderen sind die Erzeugerpreise, die schon im letzten Monat mit rund 46% „durch die Decke“ gingen (hier), aktuell erneut um fast 46% gestiegen sind (hier).
Exporte: https://www.n-tv.de/wirtschaft/Deutsche-Exporte-in-die-USA-knacken-Rekordmarke-article23642329.html
Auf Grund des niedrigen Euros steigen deutsche Exporte in die USA auf einen Rekordstand – aber das muss nicht von Dauer sein, denn auch Herr Biden ist für „America First“ (hier).
Autopreise: https://www.wiwo.de/unternehmen/auto/fahrzeugmarkt-die-inflation-der-autopreise/28750690.html
Steigende Autopreise treffen auf fallende Kaufkraft. Keine gute Kombi.
England: https://www.ft.com/content/dec290b0-dc52-4486-81c7-2173188e281b
Die Inflationsrate in England und Wales ist ebenfalls auf zweistelliges Niveau gestiegen: 10,1% im September 2022.
Die englische Finanzwirtschaft stand am 28. September 2022 kurzzeitig vor dem Kollaps, auch weil der zwischenzeitliche britische Finanzminister die Spendierhosen anhatte, damit das britische Pfund schwächte und folglich die Anleihezinsen so rapide anzogen, dass einigen Pensionsfonds wegen darauf folgender margin calls das Aus drohte (s. näher hier, hier, hier und hier). Den unmittelbar bevorstehenden Kollaps konnte die Bank of England wohl in letzter Minute durch Anleihekäufe zunächst abwenden. Die Frage ist, wie lange die Stabilisierung hält – die gerade ins Amt gewählte britische Regierung hat diesen Stunt jedenfalls nicht überlebt (s. hier und hier, aber auch die Kommentare von Henrik Müller, hier und Mohamed A. El-Erian, hier). Und bereits ab dem 10. Oktober häuften sich die Meldungen über erneute Eingriffe der BoE in den Markt (hier, hier und hier (mit guter Erläuterung der zu Grunde liegenden Problematik)). Nachdem die BoE dann am 11. Oktober den Fonds mitteilte, dass sie Freitag die Stützungskäufe einstellen würde (hier), ging der Schlamassel richtig los.
Die Türkei mit ihrer Inflationsrate von 82% wird uns allen beweisen, dass MMT funktioniert, senkt die türkische Notenbank doch überraschend die Zinsen. Oder die Türkei stürzt komplett ab.
Schweiz: https://twitter.com/mz_storymakers/status/1577258922939142144
Derweil SINKT die Inflation in der Schweiz auf 3,3%. Auch so kann es gehen. Allerdings scheint auch in der schweizerischen Finanzindustrie nicht alles zum Besten stehen oder gestanden zu haben: Tatsächlich scheint nämlich die US Fed die SNB gestützt zu haben (hier). Warum? Keine Ahnung.
Schweden: https://www.n-tv.de/wirtschaft/Schwedens-Notenbank-geht-in-die-Vollen-article23600275.html
Bei einer Inflationsrate von 9% geht die schwedische Nationalbank in die Vollen und erhöht den Leitzins um 1% auf 1,75%.
Auch in der Eurozone insgesamt ist die Inflationsrate im September zweistellig geworden: Um 10% sind die Verbraucherpreise im September gestiegen. Und in einigen Ländern die Eurozone beträgt die Inflationsrate mehr als 20%!
Nachdem die EZB die sich beschleunigende Inflation zunächst komplett verpennt hat, nun im Juli und September den Zinssatz auf 1,25% angehoben hat (hier), geht die Mehrheit der Auguren von einer Erhöhung des Leitzinses um weitere 0,75% auf 2% aus, auch wenn scheinbar einige Zentralbanker in der EZB den Ernst der Lage immer noch nicht gepeilt haben (hier). Die Kehrseite ist aber: Alle reden von „Übergewinnen“, nur nicht die EZB, die die Banken des Euroraums reichlich beschenkt (hier und hier ), während sie gleichzeitig mit „TPI – Transmission Protection Instrument“ (hier) den italienischen Staat direkt finanziert.
Die Inflationsrate in den USA geht von 8,3% im August auf 8,2% im September zurück – aber das gilt nicht als Zeichen der Entwarnung. Und nachdem die US-Fed den Leitzins, wie befürchtet, bereits um 0,75% erhöht hat (hier), können wir wohl davon ausgehen, dass die nächste Leitzinserhöhung wohl schon „um die Ecke“ wartet.
Sri Lanka steht hier nicht nur als Beispiel dafür, dass die steigenden Inflationsraten nicht nur ein Problem der westlichen Länder ist, sondern auch dafür, wie eine verfehlte Wirtschaftspolitik aussieht (hier und hier).
Fazit: Die Zentralbanken haben durch ihre Politik die Grundlage für einen monetären GAU und eine Liquiditätskrise gelegt, wie John Plender in der FT passend beschreibt (hier). Dieser GAU läuft jetzt ab. Der Sprint auf den (zwischenzeitlichen?) Inflationsberg war schnell: „Seit November 2020 sind die Erzeugerpreise in Deutschland um 66% gestiegen, also in weniger als 2 Jahren. Davor hatten die Erzeugerpreise 40 Jahre (!) gebraucht, um 66% zuzulegen, nach der Hyperinflation von 1923 dauerte es bis 1954„. (Daniel D. Eckert, hier). Der Abstieg dürfte wesentlich länger dauern, denn historisch dauert es zehn Jahre, bis eine Inflation, die über 5% gestiegen ist, wieder auf 2% zu drücken (hier).
Trotz dieser (späten) Erkenntnisse macht sich eine MdB, die ausgerechnet auch noch Mitglied im Haushaltsausschusses des Hohen Hauses sitzt, erst mal so zum Obst, dass es selbst Herrn Feld wehtut (hier). Was selbstredend Herrn Fratzscher nicht davon abhält, in die Bresche zu springen (hier). Und auch das Nobelpreiskommittee will nicht zurückstehen und macht mit Ben Bernancke den ehemaligen Chef der Fed zum Nobelpreisträger, der zumindest mitverantwortlich für die gegenwärtige Malaise ist (guter Kommentar dazu bei WiWo hier). Und die UNO hat jetzt Preiskontrollen statt Zinserhöhungen als Mittel der Wahl gegen die galoppierende Inflation entdeckt (hier) – schon immer ein super Rezept – um die Krise so richtig zu befeuern. Wenig verwunderlich befürchtet der (an den Krisen nicht so ganz unbeteiligte) IWF nunmehr ein Chaos an den weltweiten Finanzmärkten (hier). Das Problem ist nicht, dass sich einige Menschen zum Obst, machen, das Problem ist, dass einige dieser Menschen auf Grund ihrer Position wichtige Entscheidungen treffen oder solche Entscheidungen maßgeblich beeinflussen. Und die Höhe ist dann, dass diese Menschen damit noch weltweit akzeptierte Preiser ergattern. Und damit die Wiederholung der damaligen Fehler droht.
Schon deswegen sollte man das jetzt gerade verkündete „Doppelwumms“-Paket der Bundesregierung (Originalton Herr Scholz, hier) im Gesamtvolumen von Euro 200 Mrd. (!) zur Deckelung des Gaspreises mit kritischen Augen betrachten (hier schon mal ein Kurzkommentar). Denn einerseits hilft es der UKR nicht, wenn bei uns die Lichter im wahrsten Sinne des Wortes ausgehen, weil wir nicht genug Gas haben, andererseits hilft es der UKR auch nicht, wenn bei uns – im übertragenen oder ebenfalls wahrsten Sinn des Wortes – die Lichter ausgehen, weil unser Finanzsystem crashed. Ich habe, offen gesagt, allerdings wenig Hoffnung, dass unsere Politikerkaste diesen Balance-Akt auch nur einigermaßen auf die Kette bekommt (hier)
Jetzt, nachdem die Rezession nu unausweichlich scheint, erklären uns The Pioneer (hier) und die NZZ (hier) denn auch völlig souverän, wieso die Rezession so gut ist. Oder: „Wie ich lernte, die Rezession zu lieben…“. Dabei scheinen weitergehend die De-Industrialisierung und damit der Abstieg Deutschlands eine ausgemachte Sache zu sein (hier und hier). Also wahrlich blendende Aussichten – selbst eine galoppierende Inflation könnte noch unser geringstes Problem sein.