Inflation – zu spätes Gegensteuern?

Zwar sinkt die Inflation in Deutschland im Juli 2022 zum zweiten Mal in Folge, ein Zeichen für Entwarnung ist das aber nicht, wie auch der nachfolgende erneute Blick auf die Entwicklungen in anderen Ländern zeigt (zuletzt hier).

Deutschland: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/07/PD22_319_611.html

https://www.manager-magazin.de/politik/deutschland/inflation-teuerungsrate-in-deutschland-im-juli-faellt-leicht-auf-7-5-prozent-a-b180868c-6737-41f5-aeed-d4e7c8a17175

7,5% – der ANSTIEG der deutschen Inflationsrate sinkt um 0,1% im Vergleich zum Vormonat, sprich der Preisauftrieb geht etwas langsamer vonstatten.

EU: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/08/PD22_334_61.html

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/217052/umfrage/inflationsraten-in-den-laendern-der-eu-monatswerte/

https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/08/PD22_334_61.html

https://www.ecb.europa.eu/press/pr/date/2022/html/ecb.mp220721~53e5bdd317.de.html

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/finanzen/leitzinserhoehung-ezb-101.html

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/finanzen/zinswende-ezb-anleihekaufprogramm-101.html

Die Teuerungsrate ist im Juli auf 8,9 Prozent gestiegen und hat damit den höchsten Wert seit Bestehen der Eurozone erreicht.“ (Die Zeit). Dabei muss man berücksichtigen, dass die Inflationsrate innerhalb der der EU maßgeblich divergiert (s. die Tabelle für Juni bei statista), aber auch, dass die Inflation in den EFTA-Staaten (die über eine jeweils eigene Währung verfügen!) teils deutlich niedriger ist. Und was macht die EZB? Hebt die Zinsen um 0,5% an – und damit erst mal auf 0,5% Gleichzeitig betreibt sie aber das Anleihekaufprogramm nun als „Transmission Protection Instrument“ (TPI) weiter – und kauft noch mehr italienische Staatsanleihen.

UK: https://tradingeconomics.com/united-kingdom/inflation-cpi

https://www.handelsblatt.com/finanzen/geldpolitik/bank-of-england-historische-anhebung-britische-notenbank-erhoeht-leitzinsen-um-0-5-prozentpunkte/28574350.html

Derweil steigt die Inflationsrate im Vereinigten Königreich auf 9,4% – und die BoE erhöht den Leitzins gleich mal wieder um 0,5% auf nunmehr 1,75%. Dennoch könnte nach Ansicht der Notenbanker die Inflationsrate am Jahresende bei 13% stehen!

USA: https://www.handelsblatt.com/finanzen/geldpolitik/preisentwicklung-hoechster-stand-seit-november-1981-us-inflation-steigt-im-juni-auf-9-1-prozent/28503122.html

https://www.tagesschau.de/eilmeldung/usa-fed-leitzins-erhoehung-101.html

Die Inflationsrate in den USA steigt auf 9,1%! Wow, einfach nur wow! Die Fed erhöht deswegen den Leitzins um weitere 0,75% auf eine Spanne von jetzt 2,25 bis 2,50 Prozent.

Türkei: https://www.welt.de/wirtschaft/article239715539/Tuerkei-Inflation-steigt-auf-79-Prozent.html?source=puerto-reco-2_ABC-V9.0.A_control

https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/tuerkei-im-waehrungschaos-wie-erdogans-wunschdenken-die-inflation-befeuert-a-abe4dde2-0d91-45e6-913e-3562a3ae08cc

https://www.handelsblatt.com/finanzen/geldpolitik/geldpolitik-tuerkische-inflation-steigt-auf-78-prozent-doch-die-wirtschaft-brummt/28477514.html

Die Inflation in der Türkei steigt auf fast 80%. Coole Einordnung der Entwicklung dazu von Herrn Müller (Spiegel). Glaubt man dem Hurrablatt, hat die Inflation aber keine Auswirkungen auf die starke wirtschaftliche Entwicklung. MMT ante portas?

Fazit: Und da galoppiert sie hin die Inflation. Und sie wird gerade in Deutschland demnächst wieder schneller galoppieren, so dass meine Prognose einer zweistelligen Inflationsrate (hier) ab September / Oktober dann doch wahr werden würde (so wohl auch das IW, hier). Zwar wird die Politik versuchen, mit diversen Placebos, wie dem 9-Euro-Ticket, die Rate künstlich zu senken. Aber die Habeck’sche Gasumlage (hier) dürfte ab Oktober diesen Pontemkinischen Dörfern einen Riegel vorschieben. Denn wenn die aktuell auf Twitter kursierenden Beispiele von Preiserhöhungen (s. nur hier) mehr als die berühmt-berüchtigte „anekdotische Evidenz“ darstellen, also auch nur annährend repräsentativ für die zu erwartenden Preissteigerungen sind, dann dürften wir mit einer Inflationsrate von 10% noch ganz gut bedient sein. Zwar wird dann irgendwann im nächsten Jahr vielleicht der sog. „Basiseffekt“ greifen (s. dazu hier), wonach die zukünftigen Inflationssprünge nicht mehr so hoch ausfallen weil ja die „Basis“ von der sie kommen, schon so überhöht ist. Aber die Basis wird sich weiter erhöhen – denn der „Zweitrundeneffekt“ (hier) ist bereits in vollem Gang und nimmt seinerseits Fahrt auf:  Zwar fielen die kommenden Gehaltserhöhungen bei den Volks- und Genossenschaftsbanken noch moderat aus (hier). Aber die einzelnen Bereichen bis knapp unter 20% gehenden jüngsten Gehaltserhöhungen bei der Lufthansa (hier) weisen zweifellos den Weg für künftige Gehaltsrunden (so auch Herr Müller im Spiegel, hier). Deswegen stimme ich Hans-Werner Sinn zu, der davon ausgeht, dass der „Inflations-Zunder entfacht [ist] und noch lange brennen“ wird (hier). Denn auch die jetzt – wegen Rezessionsängsten (!) – aktuell einbrechenden Preise in einzelnen Rohstoffsegmenten (hier und hier, s. aber Handelsblatt, hier) dürften lediglich eine erhöhte Volatilität der Preise nachzeichnen – die wiederum zur weiteren Verunsicherung bei den Konjunkturaussichten beitragen dürfte. Sprich, auf den Einbruch könnte gleich wieder ein Anstieg folgen, wenn sich (kurzzeitig) wieder die Ansicht durchsetzt, dass die Inflation sinkt ohne dass es zu einer „hard landing“ (Rezession) kommt.

Und die Folgen dieser sich dann wohl noch einmal beschleunigenden Geldentwertung zusammen mit einer stetigen Unsicherheit über die wirtschaftliche Entwicklung dürften dramatisch sein (s. dazu auch die im wahrsten Sinne des Wortes bildhafte Darstellung beim Tagesspiegel hier). Zum einen sind die Zins-Schritte der EZB zur Bekämpfung der Inflation viel zu zögerlich, der Realzins ist nach wie vor tief im Minus. Zum anderen konterkariert die EZB mit ihrer sog. „Antifragmentierungsprogramm“ TPI die eigene Zinserhöhung und betreibt nun unverhohlen Staatsfinanzierung nach eigenem Gusto (s. Kritiken dazu hier und hier). Während die Notenbanken im Rest der (westlichen) Welt deswegen vielleicht (notwendiger Weise?) die jeweiligen Volkswirtschaften in eine Rezession treiben, um die Währungen zu retten (s. die kritischen Töne dazu bei Herrn Müller, Spiegel, hier), dürfte die EZB mit ihrer Politik weder eine Rezession verhindern können noch die Inflationsraten senken. Man muss kein Kenner oder gar Fan der Taylor-Regel sein (hier), um zu sehen, dass der gegenwärtige Kurs der EZB katastrophal ist.

Angesichts der Proteste im mit ähnlichen Problemen geschlagenen Argentinien (hier) dürfte Frau Faesers Angst vor einem „Wutwinter“ (hier) also nicht ganz unberechtigt sein. Ein ähnlicher „Winter of Discontent“ hat schließlich in England Ende der 70er Jahre des letztetn Jahrhunderts auf der britischen Insel auch die „eiserne Lady“ nach oben gespült (hier).

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