Inflation – Jetzt haben es auch die Zentralbanker begriffen…

Und wie immer grüßt monatlich von dieser Stelle das (Inflations-)Murmeltier (zuletzt hier). Wenn man mal von einem leichten Rückgang der Inflationsbeschleunigung in Deutschland absieht, hat sich die Entwicklung gegenüber dem Vormonat sogar noch verschlechtert:

Deutschland: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/06/PD22_272_611.html;jsessionid=0B6932F63DF5BCAB28EB75295744086E.live721

https://www.handelsblatt.com/finanzen/geldpolitik/verbraucherpreise-atempause-dank-des-neun-euro-tickets-inflation-in-deutschland-sinkt-ueberraschend/28464764.html

Das neun-Euro-Ticket sowie der Tankrabatt haben zu einer Verlangsamung der Inflationsrate in Deutschland von 7,9% auf 7,6% im laufenden Monat geführt. Allerdings dürfte es sich tatsächlich nur um eine „Atempause“ handeln, wie das Hurrablatt meint, denn die Erzeugerpreise steigen im Mai um mehr als ein Drittel (hier, im Vergleich zum Vorjahresmonat) und auch die Importpreise erhöhten sich um über 30% (hier). Und die sog. „gefühlte Inflation“ ist mit 18% (hier) mehr als doppelt so hoch, als die von Destatis ausgewiesene.

EU: https://www.handelsblatt.com/finanzen/geldpolitik/preisentwicklung-plus-8-6-prozent-energie-und-nahrungspreise-treiben-inflation-im-euro-raum-auf-rekordhoch/28472574.html

8,6% im Juni nach 8,1% im Mai 2022 (YoY) – und das, obwohl sich in D die Inflationsentwicklung verlangsamt hat. Aber:

Spanien: https://www.n-tv.de/ticker/Inflation-in-Spanien-steigt-deutlich-um-10-Prozent-article23429844.html

And the (EU-) winner is: Espania! Spanien knackt die 10%-Marke.

England: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/grossbritannien-inflation-101.html

Während die Inflationsrate im vereinigten Königreich auf 91% ansteigt, verfolgt die BoE ihren Kurs der langsamen, aber stetigen Zinserhöhungen weiter und erhöht den Leitzins um 0,25% auf jetzt 1,25% (hier).

Türkei: https://www.n-tv.de/wirtschaft/Tuerkische-Inflationsrate-erreicht-Rekordwert-article23375600.html

Na ja, nach 70% im letzten Monat jetzt ein weiterer Anstieg auf 73%.

USA: https://www.wiwo.de/verbraucherpreise-inflation-in-den-usa-steigt-im-mai-auf-8-6-prozent/28416212.html

8,6% – die Inflationsrate in den USA steigt wieder. Wie immer gut kommentiert von Wolf – und die dazugehörigen Grafiken sind nur noch besorgniserregend… Und was macht die Fed? Erhöht den Leitzins um 0,75% (hier).

Schweiz: https://www.focus.de/finanzen/news/inflationsrate-von-2-9-prozent-fuenf-gruende-erklaeren-das-schweizer-geldwunder_id_107960376.html

https://www.n-tv.de/politik/politik_person_der_woche/Schweizer-Notenbankchef-entlarvt-das-EZB-Versagen-article23396685.html

2,9% Inflation! Und trotzdem erhöht die SNB den Leitzins um 0,5% (hier). Die Eidgenossen mal wieder…

Fazit: Auch wenn die Inflationsentwicklung in Deutschland gerade etwas „schwächelt“, so zeigt der Aufwärtstrend in fast allen anderen Staaten (außer der Schweiz) die fast sichere Entwicklung für die kommenden Monate auf: Weiter nach oben. Wie weit, wie lange und in welchen Sprüngen, das ist die Frage.

Zumindest machen die Zentralbanker sich jetzt ehrlich: Während Herr Powell von der US-Fed zugibt „Wir verstehen jetzt, warum wir wenig von Inflation verstehen“, erkennt Frau Lagarde von der EZB an, dass die Inflation wohl auf absehbare Zeit nicht mehr sinken wird (hier). So sehen Eingeständnisse des Scheiterns auf ganzer Linie aus. Konsequenzen? Keine.

Nachdem die Zentralbanker in der Realität angekommen sind, stellt sich ja die Frage nach den weiteren Auswirkungen: Landen wir in einer Stagflation, Rezession oder gar Depression? Während der Thinktank Oxford Economics Mitte Juni noch keine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Rezession sah (hier) und auch die WiWo sah Mitte Juni noch einige Sonnenstrahlen am Horizont (hier). Diese noch positiven Ansätze datieren aber noch vor den Einschränkungen RUS Gaslieferungen (bei mir hier) und dürften damit – sollte sich die Situation nicht zügig wieder ändern – bereits obsolet sein.

Auch wenn es nicht gleich zu einem (vollständigen) „Ende der Globalisierung“ kommen muss, wie Herr Rogoff vermutet (hier), so dürften uns bereits national, wie international sehr zeitnah einige Krisenbeschleuniger ins Haus stehen:

National sind die sog. „Zweitrundeneffekte“ mittlerweile deutlich absehbar, sprich, die Lohn-Preis-Spirale ist in Gang gesetzt, auch wenn Herr Fratzscher das natürlich nicht so (hier) sieht. Denn die IG Metall fordert „bis zu 8% mehr“ (hier) und Verdi 9,5% Lohn- und Gehaltserhöhung für das Bodenpersonal (hier). Ohne die Lohnerhöhungen wird es schwierig werden für unsere Demokratien, wie Herr Müller gewohnt souverän aufzeigt (hier). Aber die Zweitrundeneffekten bei den Gehältern (die natürlich über die „kalte Progression“ auch wieder das Staatssäckel füllen werden, hier) selbst treiben die Inflation und es wird nicht bei ihnen bleiben. Denn es zeichnet sich schon jetzt ab, dass die Bundesschulden demnächst den Handlungsspielraum des Finanzministers spürbar einengen werden: So geht die FAZ davon aus, dass die Zinsbelastungen im Bundeshaushalt von Euro 4 Mrd. im Jahre 2021 auf Euro 30 Mrd. im Jahre 2023 steigen werden (hier).

Und da ja mit ziemlicher Sicherheit das Gegenteil der Prognosen von Herrn Fratscher (zu der geht es hier) eintritt, können wir davon ausgehen, dass die Euro-Krise demnächst nicht nur wegen der deutschen Schulden wieder in voller Schönheit vor uns auftaucht. Die EZB kauft jetzt schon wieder italienische Staatsanleihen mit den Erlösen aus dem Verkauf deutscher Staatsanleihen (hier), um der „Fragmentisierung“ der Eurozone entgegenzuwirken. Nicht nur ich (s. nur hier) bezweifele, ob dieses „mehr von den bisherigen Mitteln“ mehr als zehn Jahre nach „Whatever it takes“ noch wirken wird. Vielleicht könnten wir ja von der Schweizer Nationalbank etwas lernen?

Einen Lichtblick gibt es zumindest: Die Weizenernte scheint so gut auszufallen, dass die Weizenpreise auf den niedrigsten Stand seit vier Monaten gefallen sind (hier und hier). Sollte die Ernte tatsächlich so ausfallen, wie jetzt prognostiziert, kann man die Wirkung gar nicht unterschätzen – weniger starke Inflation, weniger Hunger in der Welt und damit auch weniger Migrationsdruck.

2 Gedanken zu „Inflation – Jetzt haben es auch die Zentralbanker begriffen…“

  1. Der Legonomics, wie man ihn kennt, ihn gerne liest und in seinem Element.

    Selbst wenn der Titel mit „Inflation – Jetzt haben es auch die Zentralbanker begriffen…“ nicht zutrifft. Dazu war dann das Eingeständnis, gleich von drei der Mächtigsten überhaupt, schon zu hellhörig.

    https://www.faz.net/aktuell/finanzen/wird-es-eine-rueckkehr-in-fruehere-zeiten-geben-18138161.html

    Zitat: „„Wir verstehen jetzt, warum wir wenig von Inflation verstehen“, meint Fed-Chef Jerome Powell. EZB-Präsidentin Lagarde schätzt die Lage ähnlich ein … . Der Generaldirektor der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), Agustin Carstens, nahm den Ball auf. „Wir verstehen Inflation heute etwas besser als früher, aber wir verstehen nicht alles.““

    Allerdings muss das jetzt übersetzt werden. Denn sie wissen ganz genau was sie tun. Inflation passiert nicht einfach so. Inflation ist Handarbeit und kommt von Notenbankern. Es ist eine versteckte Steuer. Es ist Geld, vielmehr Staatsschulden, das auf den Markt geworfen und noch nicht als Steuern erhoben worden ist. Spätere Generationen kommen dafür auf.

    Buchgeld macht’s möglich.

    Notenbanker haben nicht das Mandat Steuern zu erheben, das ist Politikern vorbehalten.

    Es ist offene Wirtschaftskriminalität. Lässt man sich noch dafür bezahlen, fängt es bei Korruption an. Die Notenbanker stehen unter Immunität. Aber das deutsche Strafrecht sieht Korruption auch vor, nicht nur bei jenen die das Geld angenommen haben, sondern auch bei jenen die bezahlt haben.

    Wer diese Notenbanker nicht entlässt, macht sich strafbar.

    1. Hallo Herr Leutwyler,
      vielen Dank für das Lob und entschuldigen Sie die urlaubsbedingt verspätete Antwort.
      Was das „Wissen“ der Zentralbanker angeht, so würde ich Ihnen bei Frau Lagarde spätestens seit Anfang diesen Jahres zustimmen. Die EZB dagegen warnt seit Jahren vor den potentiellen Folgen der aktuellen Zinspolitik, zwar diplomatisch und verklausuliert, aber immerhin. Schon deswegen hätten Powell (& Yellen) es wissen müssen – aber bei denen würde ich die Hybris nicht unterschätzen. Die halten sich alle für Volckers und Paulsons (und übersehen dabei, dass der vormals gefeierte Greenspan gerade nicht mehr so angesagt ist). Aber selbst wenn sie nicht vorsätzlich handeln – fähig für das jeweilige Amt sind sie nicht (außer eben die BIZ-Banker).
      Grüsse,
      -tz

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