Guten Morgen,
Bis ich mir mal eine Print-Ausgabe des Hurrablatts der deutschen Wirtschaft (aka „Handelsblatt“) zulege, dauert es ja. Am letzten Wochenende war es mal wieder soweit. Die Risiken an den Finanzmärkten steigen nämlich, wahrscheinlich so, wie seit fast acht (8!) Jahren nicht mehr (s. bei mir damals hier). Und das Handelsblatt listet etliche dieser Risiken auf. Wohl aber eher aus Versehen, denn eine „Klammer“ auch gerade im Kommentarteil, die diese Risiken mal zusammen betrachtet, sucht man vergebens. Dann schauen wir uns mal an, was das Hurrablatt (und andere) so zu bieten haben:
„So viele Börsengänge wie seit 20 Jahren nicht mehr“ (Manager Magazin) – „New Economy“, anybody?
Treffend titelt das Hurrablatt seinen Wochenend-Long-Read „Die Einhorn-Blase“ und spart auch nicht mit Beispielen der Blasenbildung („Glaskugelbewertungen„), sieht das Platzen der Blase aber eher gelassen („Soll die Blase doch platzen„) und geht insgesamt von einer eher „sanften Korrektur“ aus. Nun ja.
Aktienrückkäufe USA: https://www.handelsblatt.com/unternehmen/management/wall-street-eine-billion-dollar-fuer-aktienrueckkaeufe-kritik-an-us-konzernen-waechst/27968368.html
„Alleine Apple gibt jährlich rund 50 Milliarden Dollar für eigene Aktien aus.“ (Handelsblatt). Insgesamt dürften die US-Konzerne 2021 ihre Aktienrückkäufe auf einen neuen Rekord gehievt haben (hier). Wann war eigentlich der letzte Rekord? Ach,
„Rückkäufe auf Rekordkurs / DAX-Konzerne investieren so viel Geld in eigene Aktien wie zuletzt 2008“ (Handelsblatt)
Ich hatte ja Herrn Elon Musk als Villain abgeschworen (hier), aber wer weiß, vielleicht hat Tesla ja doch das Zeug für einen „Lehman-Moment“ unter den Einhörnern. Für ganz aussichtslos halte ich die Short-Seller Attacke von Fraser Perring nicht.
HY-Bonds: https://www.ft.com/content/12e80c41-6d00-43b6-bd52-31e062062f9b
Schon im November 2021 begann der Ausverkauf bei High-Yield Bonds….
Ebenfalls in der Wochenendausgabe des Handelsblattes warnt der „Crashprophet“ Robert Shiller, der schon das Platzen der Dot-com und der Immobilienblase in den USA korrekt vorhersagte, vor einem Einbruch „der Märkte“ von bis zu 50%.
Auch wenn der Investor Ray Dalio es so nicht ausspricht, so geht er implizit wohl davon aus, dass wir uns dem sog. „Minsky-Moment“ nähern.
Fazit: Die Handelsblatt-Ausgabe vom 14. Januar 2022 ist ein einziger großer Wink mit dem Zaunpfahl. Alleine, die Redaktion scheint die Risiken nicht insgesamt wahrzunehmen. Auch ein journalistisches Lehrstück. Insbesondere, weil das Hurrablatt in dieser Woche feststellt, dass Investoren aus den „Tech-Aktien“ in den USA aussteigen (hier). „Garniert“ mit anderen Meldungen kann man sich also durchaus ein Bild vom Status der „Märkte“ machen, auch ohne zusammenhänge Lageeinschätzung des Hurrablatts. Auch wenn es sich dann wieder mal die Türen offenhält und den US-Analyst Ed Yardeni zitiert , wonach der Vergleich der gegenwärtigen Lage mit der der New Economy Anlass zu Optimismus gebe (hier), so dürfte diese – nur auf Börsen beschränkte – Einschätzung angesichts der „Everything Bubble“ in der wir uns befinden, bei weitem zu kurz springen.
Vor dem Hintergrund der anschwellenden Inflationsraten (hier) und der deswegen von der Fed bereits angekündigten Zinswende (s. nur hier) zeichnet sich nicht nur eine Wende bei den Zinsen für Bundesanleihen ab (hier), nein auch die Zinsen für Immobiliendarlehen dürften in Deutschland auch ohne Zinsschritte der EZB steigen (hier).
Bleibt zu hoffen, dass die Zinswende tatsächlich lediglich zu einer „sanften Korrektur“ nicht nur des Marktes für Einhörner führt und nicht zum dritten Marktcrash seit 2000. Allein, Geld darauf wetten würde ich nicht mehr. Eine Finanzkrise dürfte in 2022 zumindest wahrscheinlicher sein, als in allen Jahren seit 2014.
Spruch des Tages: „You never cure structural deficits, the system corrects itself by collapsing“ – Nassim Nicholas Taleb
Keep calm & carry on!
-tz