Im Gegensatz zum Fußball ist das „Inflationsspiel“ leider nicht durch Spielzeiten begrenzt. Sprich, wenn ich im letzten Monat lächelte und froh war, dass die Inflationskurve zumindest zwischenzeitlich etwas abgebremst wurde (hier), lehrt dieser Monat gleich wieder Demut vor der Mammutaufgabe Inflationsbekämpfung.
Deutschland: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/02/PD23_041_611.html
https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/02/PD23_065_61241.html
Die Inflation in Deutschland ist wieder leicht gestiegen – von 8,5% im Dezember auf 8,7% im Januar. Zwar steigen die Erzeugerpreise noch im Vorjahresvergleich, aber sie sinken bereits im Vormonatsvergleich und die Kurven gehen eindeutig nach unten. Auch scheinen die Energiepreise zu sinken (hier), ohne dass diese Preissenkungen bereits beim Verbraucher ankommen. Derweil kommt der „Zweitrundeneffekt“ ins Rollen – wie die Tarifforderung der Postgewerkschaft iHv. 15% (hier) anschaulich belegt. Von einer zügigen Weitergabe der Preissenkungen im Energiebereich sowie der Verhinderung hoher Tarifabschlüsse dürfte es abhängen, wie sich die Inflation im Verlauf von 2023 entwickelt.
Europa: https://ec.europa.eu/eurostat/de/web/products-euro-indicators/w/2-01022023-ap
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/inflation-eurozone-ezb-101.html
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/ezb-zinsentscheid-notenbank-inflation-101.html
https://www.ecb.europa.eu/press/pr/stats/md/html/ecb.md2212~b06affe66d.de.html
Im Gegensatz zu Deutschland sank die Inflationsrate in der Europäischen Union dagegen von 9,2% im Dezember auf 8,5% im Januar 2023. Gleichwohl hat die EZB den Leitzins um weitere 0,5% auf nunmehr 3,0% angehoben und Frau Lagarde macht sich für weitere Zinsschritte stark. Dies wohl auch vor dem Hintergrund einer nach wie vor steigenden Geldmenge im Euroraum bei nachlassender Werthaltigkeit der von der EZB bilanzierten Vermögenswerte.
England: https://www.tristrategy.co.uk/home/uk-records-cpi-fall-tri
https://www.tristrategy.co.uk/home/copy-of-bank-of-england-interest-rates-increased-to-4tri
https://www.tristrategy.co.uk/home/uk-likely-to-avoid-a-technical-recession-in-2023-tri
https://www.tristrategy.co.uk/home/recession-likely-to-be-deeper-than-previously-expected-tri
Auch in England fiel die Inflationsrate im Januar weiter – diesmal von 10,5% auf 10,1%. Trotz sinkender Inflation und unsicherem Ausblick für die Entwicklung der britischen Wirtschaft erhöhte die BoE den Leitzins um weitere 0,5% auf nunmehr 4,0%.
USA: https://www.cnbc.com/2023/02/14/consumer-price-index-january-2023-.html
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/finanzen/fed-zinsentscheidung-notenbanken-inflation-101.html
Die Inflationsrate in den USA stieg (unerwarteter Weise) im Vergleich zum Dezember um 0,5% auf 6,4%; auch Vergangenheitswerte mussten nach oben korrigiert werden. Und auch wenn die Fed den Leitzins zum achten Mal in Folge um weitere 0,25% auf eine Spanne von nunmehr 4,5% bis 4,75% anhob, dürfte dies für das Jahr angesichts der weiterhin beharrlichen Inflation nicht das Ende der Fahnenstange sein. Und gleichzeitig zieht die Fed die zuvor freigiebig auf dem Markt verteilte Liquidität wieder aus dem Markt.
https://investrends.ch/aktuell/news/snb-steht-vor-einem-weiteren-zinsschritt/
Die Inflationsrate in der Schweiz ist von 2,8% im Dezember auf 3,3% im Januar 2023 gestiegen. Nachdem die SNB den Leitzins im Frankenraum im Dezember 2022 um 0,5% auf 1,0% angehoben hat, deutet sich jetzt ein weiterer Zinsschritt für März 2023 an. Die Probleme der Schweiz hätte ich gerade gerne…
https://www.ft.com/content/7dc54c2c-898e-4c96-b312-dad57e250a61
Die Inflationsrate in Japan ist im Dezember 2022 auf 4% gestiegen! Das treibt mir die Tränen in die Augen, aber aus anderen Gründen, als wahrscheinlich den Japanern. Gleichwohl dürfte die BoJ unter ihrem neuen Präsidenten den Leitzins in nächster Zeit ebenfalls anheben. Die Frage ist, wie sich diese Zinsanhebung auf die gigantische japanische Verschuldung auswirken wird.
Türkei: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/tuerkei-inflation-preise-lira-101.html
Die Inflationsentwicklung in der Türkei entspannt sich leicht – die Inflationsrate sinkt von 64,3% im Dezember auf 57,7% im Januar 2023. Während Zinserhöhungen wohl auch erdbebenbedingt derzeit nicht anstehen dürften, hat sich die Türkei aber mit Goldreserven eingedeckt.
Die Inflationsrate in Argentinien stieg im Januar auf fast 100%!!! Der Hammer – für die Bevölkerung.
Venezuela: https://www.merkur.de/wirtschaft/venezuela-inflation-2022-bei-234-prozent-92045889.html
„Die Inflation in Venezuela ist 2022 auf einen Jahresdurchschnitt von 234 Prozent gekommen.“ (Merkur). Da muss man nichts mehr sagen, oder?
Fazit: Nach einer Phase der Inflationssteigerungen sozusagen „im Gleichschritt“ in den westlichen Wirtschaftsblöcken zeigt sich die Trendentwicklung nun uneinheitlich, bei einigen Ländern sinkt die Inflationsrate, bei anderen steigt sie. Die Frage, woran das liegt, dürfte sich seriös erst beantworten lassen, wenn diese Entwicklungen über Monate fortschreiten.
Dass aber die Inflation nicht so einfach verschwinden wird, scheint nicht nur Herrn El-Erian (hier) oder dem Economist (hier) aufzugehen, sondern (endlich) auch der EZB. Denn selbst die EZB-Oberin Schnabel geht mittlerweile davon aus, dass die Inflation weit mehr als ein zwischenzeitliches Phänomen ist (hier). Herr Horn zeigt in einem ganz guten Kommentar hier aber erbarmungslos die Fehler der EZB bis zu dieser Erkenntnis auf und dass selbst die EZB-Mitarbeiter ihr nicht mehr die erfolgreiche Bekämpfung der Inflation zutrauen. Zudem wird es – wie Gabor Steingart in einem seiner hellsichtigeren Artikel aufzeigt (hier) – auch auf die Disziplin anderer Marktakteure ankommen – wie etwa die der Lebensmittelkonzerne – um der Inflation wieder Herr zu werden. Aus dem eigenen Lebensmitteleinkauf kann ich sagen, dass zumindest der Preis der Butter gerade wieder sinkt. Und beim Tanken zahle ich auch weniger. So weit, so gut. Aber das wird nicht reichen.