Zwar betreibe ich meinen Blog – aus (wohl gerechtfertigten) Zweifeln an der sog. „Zeitenwende“ (s. hier) – derzeit eher als Kriegstagebuch (s. aktuell hier) und ansonsten auf Sparflamme. Neben dem Krieg in der UKR und den aus der chinesischen Zero-Covid-Politik herrührenden Lieferengpässen (s. aktuell hier) verdient die Inflationsentwicklung als in vorherigen Krisen nicht vorhandener Parameter allerdings einer besonderen Beobachtung. Da ich mir die entsprechende Entwicklung zuletzt vor über zwei Monaten angeschaut habe (hier), sich die Entwicklung seit dem aber sogar beschleunigt hat (von „Galoppieren“ will ich aus naheliegenden Gründen hier nicht reden), heute mal ein etwas umfassenderer Blick auf die aktuelle Inflationslage:
https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/04/PD22_160_611.html
https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/03/PD22_100_611.html
Nach einem kleinen (gesetzestechnisch bedingten) Rückgang im Januar nahm die Inflation in Deutschland ihren seit Januar 2021 ansonsten ununterbrochenen Anstieg wieder auf und stieg auf zunächst 5,1% im Februar auf 7,3% im März und im April 2022 wohl auf 7,4%.
Wie so häufig, so gehen die USA auch in Sachen Inflation voran: 7,5% im Februar und 8,5% im März 2022 sprechen für sich Bände. Die Fed hat zwischenzeitlich die Leitzinsen um 0,25% angehoben (hier) und derzeit gehen die üblichen Verdächtigen, aka „Experten“ davon aus, dass die Fed im Mai den Leitzins gleich um weitere 0,5% erhöhen wird (hier) – er würde dann 0,75% betragen.
Nachdem die Inflation in Großbritannien im März die 7%-Marke genau traf, wird nun gemutmaßt, dass die Bank of England den Leitzins im Mai gleich auf 1% erhöht (hier).
Es bleibt mit Wolf einem Amerikaner vorbehalten, die teilweise zweistelligen Inflationsraten in Europa (NL: 11,7% !) im März 2022 und die bereits jetzt zu Tage tretenden Folgen (Zinsen auf Junk-Bonds haben sich seit Ende 2021 auf Nahe 5% Verzinsung verdoppelt).
Wenn Sie glauben, dass Deutschland, die USA oder UK ein Inflationsproblem haben, müssen Sie nur in die Türkei schauen: Noch im Nov 21 lag die Inflationsrate bei „nur“ knapp über 20% (hier), im Januar 2022 schon bei knapp 50% (hier) und im März 2022 nun über 60% (insgesamt zur Entwicklung s. die Statista-Grafik hier). Glaubt man dem FAZ-Kommentar, liegt die eigentliche Inflationsrate bei über 140%. Die Zentralbank – die vorher teilweise die Zinsen trotz steigender Inflation sogar noch gesenkt hatte – erhöhte im März den Leitzins von derzeit 14 nicht. Zur Stabilisierung der Währung sollen die Bürger der Türkei stattdessen ihren Goldschmuck abgeben.
In meiner Jahresprognose bin ich von einer Inflation von ganzjährig über drei Prozent ausgegangen. Da war ich dann wohl zu optimistisch, wenn der Chef der Bundesbank von vier Prozent ausgeht.
Bundesregierung: https://www.welt.de/politik/deutschland/article236891727/Gewisse-Entspannung-Bundesregierung-erwartet-baldigen-Rueckgang-der-Inflation.html
…erwartet, dass der Inflationsdruck bald nachlässt„…. Schon cool, wenn man seine Äußerungen nicht mit der Bundesbank abstimmt. Aber das kennt man ja auch von RKI und BMG…. Sehr gut dazu: Herr Steingart, hier.
Industrieprodukte: https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Preise/Erzeugerpreisindex-gewerbliche-Produkte/_inhalt.html
Nun ja, ich weiß nicht, ob Vergleiche mit Situationen, die zumindest einen Währungstauch und eine Wiedervereinigung zurückliegen, noch wirklich tragfähig sind. Aber im Endeffekt ist das auch egal, denn diese hier nur an Einzelbeispielen belegten Preiserhöhungen sind auch ohne historische Bezüge sehr heftig.
Der Bauzins ist bereits auf durchschnittlich 2,4% gestiegen.
Arbeitskräftemangel: https://beta.t-online.de/nachhaltigkeit/id_92084720/klimaschutz-fachkraeftemangel-bedroht-die-energiewende-.html
Allein der Fachkräftemangel für die Durchführung der Energiewende wird auf aktuell schon 190.000 geschätzt, die Dimensionen für spätere Zeiträume sind atemberaubend. Selbst wenn man hier einen Gutteil wegen Übertreibung abzieht, bleibt der Mangel doch wohl bestehen. Sprich, die AN können sich den Arbeitsplatz aussuchen – und da wird die Bezahlung eine große Rolle spielen.
Maßnahmen: https://think-beyondtheobvious.com/stelters-lektuere/die-lehren-aus-der-inflation-der-1970er/
Herr Stelter fasst einen Artikel aus der FT und der FuW zusammen, die sich jeweils mit den potentiellen Lehren befassen, die man heute aus der Inflation der 70er Jahre ziehen könnte. Ergebnis: Man kann eigentlich nur den Teufel mit dem Belzebub austreiben: Sprich, um die Inflation nachhaltig zu senken, muss man die Zinsen erhöhen und die daraus resultierende Rezession in Kauf nehmen. Nun ja, das wird Begeisterungsstürme auslösen.
Fazit: Nicht nur Herr Fratscher irrlichtert wieder durch die Gegend (s. schon hier und hier), wird aber von Herrn Stelter gut zur Räson gebracht (hier). Nützte aber nix, Realität hat derzeit auch bei ihm keinen Lauf, wie man an der aktuellen Äußerung hier sieht, wonach keine Lohn-Preis-Spirale drohen würde. Da hilft es leider auch nicht, wenn die NZZ die „Politik“ der EZB zerlegt (hier).
Das Gespenst der Inflation ist nicht nur zurück, sondern es wird bleiben, das zeigen schon die astronomischen Daten zu Baustoffen, landwirtschaftlichen und industriellen Erzeugerpreisen. Selbst bei einem schnellen Ende des Kriegs in der UKR dürfte der Preisauftrieb nur unwesentlich abnehmen. Aber das Ende ist nicht absehbar – es weiß auch noch keiner, wie das Ende aussehen könnte. Die Zentralbanken werden sich irgendwann entscheiden müssen: Eine Ende mit Schrecken – also Zinserhöhungen bis hin zur Rezession und dann Absinken der Inflation (hoffentlich) oder ein Schrecken ohne Ende – Laufenlassen der Inflation und damit Zerstörung der Währung. Sollte sich die Fed nun für ersteres entschieden haben, wofür einiges spricht, dürfte die Deutsche Bank mit ihrer Einschätzung, dass der Leitzins am Ende des Jahres bei fünf bis sechs Prozent liegt (hier) nicht so weit daneben liegen. Denn zwar muss ein realer Crash der „Realwirtschaft“ verhindert werden, aber eine auf Grund der langsamen Erhöhung dahinsiechende Wirtschaft dürfte auch nicht im Sinne der Fed sein. Die EZB dürfte derzeit darauf hoffen, ohne wirkliche Zinswende durch die Krise zu kommen. Dementsprechend dürfte nicht nur die Zinsdifferenz zwischen den USA und Europa stark steigen, sondern auch die „Inflationsdifferenz“. Beides zusammen dürfte Importe für die EU-Bürger und -Unternehmen noch einmal kräftig verteuern, weil der Wert des Euro verfällt.
Daneben wird sich die Entwicklung des Realzinses von dem der Leitzinsen abkoppeln – etwas, was man jetzt bereits bei Bauzinsen und Anleihen im Junk-Bereich sehen kann. Gerade diese Abkoppelung dürfte sich im Laufe des Jahres weiter beschleunigen. Und dann ist auch egal, was die EZB noch macht. Viele Zombies – und das schreibt Wolf zu Recht – werden das nicht überleben. Ob aber der Euro ohne eine als Regulierer anerkannte EZB noch funktionieren wird, steht auf einem anderen Blatt.
Bonus:
Sinn: https://www.youtube.com/watch?v=C6cd9WXk_hU
Mayer: https://www.perlentaucher.de/buch/thomas-mayer/das-inflationsgespenst.html
Wer sich mal vertieft mit Geld, Geldpolitik und Inflation auseinander setzen will, dem seien das Video von Herrn Sinn und das Buch von Herrn Thomas Mayer („Inflationsgespenst“) ans Herz gelegt. Ich habe das Buch über Ostern gelesen – da steht alles drin, was man jetzt eigentlich nicht mehr wissen will, aber natürlich sollte.
Anm: Die Inflationszahl für Deutschland im April 2022 habe ich nachträglich noch eingefügt.