Inflation – und am Horizont erscheint das Reich der Mitte

Der bereits im letzten Monat beschriebene Scheideweg, an dem die Inflationsentwicklung steht (hier), lässt sich diesen Monat gut am Beispiel Chinas beobachten:

Deutschland: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/08/PD23_311_611.html

Der Anstieg der Inflation hat sich leicht abgebremst, nämlich von 6,4% im Juni auf 6,1% im Juli 2023 (YoY). Zwar zeigen sich mit dem  starken Fall des Erzeugerpreis-Index (6%, YoY, hier, s. auch hier), erste deflationäre Tendenzen, aber noch sollte man mit derartigen Trends sehr vorsichtig umgehen. Allerdings dürfte die sich jetzt abzeichnende Rezession in Deutschland (hier) den Preisanstieg ebenfalls bremsen. Der Abschwung dürfte sich seinerseits wegen der sich abzeichnenden hohen Zahllast in Folge der Rekordverschuldung (hier), die auf einen Rekordzins (sogleich unten) trifft, beschleunigen.

Eurozone: https://ec.europa.eu/eurostat/documents/2995521/17250642/2-31072023-AP-EN.pdf/15e48908-7c76-34f0-34c6-3067bb87be85

Derweil geht die Inflationsrate in der Eurozone von 5,5% im Juni auf noch 5,3% im Juli 2023 zurück. Gleichwohl hat die EZB die Zinsen weiter erhöht, der Leitzins beträgt nunmehr 4,25% und weitere Zinserhöhungen sind nicht ausgeschlossen (s. hier). Bemerkenswert ist auch, wie schnell und wie viel Geld die EZB aus dem Markt zieht (hier).

England: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/203843/umfrage/monatliche-inflationsrate-in-grossbritannien/

Überraschend ist die Inflationsrate im Juli auf 6,8% gefallen – nach 8,7% im Juni 2023. Dieser starke Rückgang dürfte zum Teil auch in der Politik der Bank of England begründet liegen, die mit der 14 Zinserhöhung in Folge (auf nunmehr 5,25%) den Leitzins auf ein 15-Jahres-Hoch trieb (hier und hier).

Schweiz: https://www.fuw.ch/inflation-in-der-schweiz-weiter-gesunken-336449305369

Die Inflationsrate ist in der Schweiz weiter gesunken – von 1,7% im Juni auf nur noch 1,6% im Juli 2023. Damit bewegt sich die Schweiz locker im anerkannten Zielkorridor. Die SNB belässt den Leitzins derzeit wenig überraschend bei 1,75%.

Türkei: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/tuerkei-inflation-juli-2023-100.html

In der Türkei steigt die Inflation von im Juni 38% um fast 10% auf 47,8% im Juli 2023 – vielleicht waren die Zahlen im Juni doch nicht so „sauber“?. Diese dauerhaft hohen Inflationsraten schlagen sich jetzt auch in fehlenden Touristen nieder (hier), was nichts Gutes für die türkische Wirtschaft bedeuten dürfte. Nomura befürchtet denn auch eine Währungskrise (hier). Die türkische Regierung und Zentralbank stemmen sich gegen diese Entwicklung, die nächste Zinserhöhung auf den ohnehin nicht niedrigen Leitzins von 15,7% droht (hier).

USAhttps://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/usa-inflation-fed-100.html

Überraschend legt die Inflationsrate in den USA von 3,0% im Juni auf 3,2% im Juli 2023 zu. Dementsprechend hat die Fed ihre Politik der stetigen Zinserhöhungen auch im Juli fortgesetzt und den Leitzins mit 5,25% bis 5,5% auf den höchsten Stand seit 22 Jahren angehoben (hier), möglicherweise auch um ein Downgrade im Rating zu vermeiden – was dann gleichwohl kam (hier). Die tatsächlichen Zinsraten für US-Staatsanleihen steigen auf jeden Fall (hier), was zwar einerseits die USA als Anlageplatz interessant macht, aber andererseits die Finanzierung der US-Regierung wegen der Rekordverschuldung erschweren dürfte.

Fazit: Der „Ausstieg“ aus der Inflation scheint so einfach nicht – und erfolgt auch uneinheitlich. Zwar verhalten sich die Zentralbanken seit einiger Zeit durch die Bank „hawkisch“, aber die Wirkungen – selbst auf vereinheitlichten Märkten wie der Eurozone – treten unterschiedlich auf. Von daher dürfte das „Inflationsgespenst“ (Mayer) auch bis Jahresende noch nicht gebändigt sein.

Aus deutscher Sicht könnte man sich die Frage stellen, ob die Zentralbanken die Leitzinsen vielleicht erhöhen, weil sie sowieso eine Rezession erwarten und sich sozusagen „Beinfreiheit“ für künftige Zinssenkungen schaffen wollen. Aber z.B. aus US-Sicht stellt sich diese Frage nicht, die USA wachsen nämlich ganz ordentlich (hier).

Auch wenn ich entsprechende Meldungen über deflationäre Tendenzen in den letzten Monaten eher milde lächelnd ignoriert habe, so könnte sich jetzt ein solches Szenario durchaus entfalten: Das Wirtschaftswachstum in China lässt entscheidend nach (hier) und die PBOC steuert dem drohenden Crash bereits mit Leitzinssenkungen entgegen (hier). Wenn also die „Lokomotive der Weltwirtschaft“ auf einen Schnupfen (oder mehr?) zusteuert, dann sollte nicht nur Deutschland Angst vor einer Grippe bekommen.  

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