Als ich gestern beim Stöbern auf Twitter auf diese Meldung hier stieß, war klar, dass heute – auch vor dem Hintergrund der seit dem letzten (schon länger zurückliegenden) Special dazu (hier) angeschwollen Datenmenge – heute mal wieder Cum Ex dran ist. Wait till the end kann ich dazu nur sagen…:
Beschuldigte: https://www.zdf.de/nachrichten/wirtschaft/cum-ex-mehr-verfahren-100.html
Mittlerweile 105 Ermittlungsverfahren mit 1.350 (!) Beschuldigten. Der Hammer….
Zwischenzeitlich hat sich der BGH auch bequemt, die Urteilsgründe in seinem (ersten) Urteil zum Cum-Ex-Komplex zu veröffentlichen: Zentral im Urteil des BGH ist in meinen Augen Rz 85:
„Das Landgericht hat aufgrund einer Gesamtwürdigung der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen […] den Schluss gezogen, dass der Angeklagte S. und die gesondert Verfolgten […] die Cum-Ex-Leerverkaufsgeschäfte allein deshalb tätigten, um die deutschen Finanzbehörden durch wahrheitswidrige Erklärungen dazu zu veranlassen, zugunsten der Einziehungsbeteiligten ungerechtfertigt Kapitalertragsteuern nebst Solidaritätszuschlag anzurechnen und auszuzahlen, obwohl sie wussten, dass die geltend gemachten Steuern in Wirklichkeit nicht einbehalten wurden.„
Damit haben sich in Deutschland alle Diskussionen darüber erledigt, ob es sich bei Cum Ex um Straftaten handelt. Tut es. Es sei denn…
…das BVerfG entscheidet noch anders. Zwar hat das BVerfG die Verfassungsbeschwerden von zwei verurteilten Teilnehmern an den Cum-Ex-Delikten zurückgewiesen, allerdings aus eher formalen Gründen – eine Aussage über die Strafwürdigkeit der Cum Ex Handlungen war damit aber gerade nicht verbunden.
Wäre ja auch ein Wunder gewesen, wenn bei so einem „Geschäft“ nicht auch Berliner beteiligt gewesen wären…
Auslandsbanken: https://www.tagesschau.de/investigativ/wdr/cum-ex-157.html
Ja, und die Beteiligung ausländischer Banken ist so verwunderlich auch nicht….
Demnach ist also alleine in Deutschland ein Steuerschaden von Euro 36 Mrd. entstanden – das sind wahrlich keine Peanuts.
Finanzverwaltung HH: https://www.tagesschau.de/investigativ/panorama/cum-ex-159.html
„Bei der Entscheidung, auf eine Millionenforderung an die Privatbank M.M. Warburg zu verzichten, hat sich die Hamburger Finanzverwaltung nach Aussage eines ehemaligen Abteilungsleiters auch auf einen Fachaufsatz aus dem Lager der potenziellen Cum-Ex-Täter verlassen.“ (Tagesschau) – Geil ist, wenn man den Frosch fragt, wie man den Sumpf austrocknet… oh man!
„Es braucht keine direkten Befehle der Politik, um eine Behörde zu beeinflussen. In einer überforderten und ängstlichen Verwaltung reichte womöglich ein Fingerzeig.“ (Manager Magazin) – wer Behörden auch mal von Innen gesehen hat, weiß, dass so eine Vermutung nicht abwegig ist.
Da werden die Ermittlungen der HAMBURGER Staatsanwaltschaft gegen Herrn Scholz drei Wochen vor der Bundestagswahl eingestellt, aber der zuständige Untersuchungsausschuss nicht informiert. Und die Öffentlichkeit wird auch erst nach der Wahl über den Vorgang informiert. Zufälle gibt’s…
Die KÖLNER Staatsanwaltschaft durchsucht zwei Tage NACH der Bundestagswahl die Wohnung von Herrn Johannes Kahrs, seines Zeichens prominenter Hamburger ex-Politiker, der sich auch mit Granden der Warburg-Bank traf. Zufälle gibt’s…
Ha, hoffentlich mal ein Fall, in dem der Whistleblower nicht den Wölfen zum Fraß vorgeworfen wird….
Dem „Mastermind“ der Cum Ex Konstruktion droht jetzt eine Auslieferung nach Deutschland – hoffentlich mal ein Fall, in dem die „Großen“ nicht laufen gelassen werden…
Warburg Bank: https://www.faz.net/aktuell/finanzen/ex-chef-von-warburg-invest-ueber-die-mitwirkung-an-cum-ex-deals-17728439.html (Danke, Alex)
Und jetzt der Hammer: Der ehemalige Chef der Warburg Invest fängt vor dem LG Bonn an zu „singen“ und räumt ein, dass er seit 2009 WUSSTE, dass er bei seinen Cum Ex Konstruktionen illegal handelte. Das wars für ihn. Aber eigentlich sollte es das auch für die Warburg Bank sein. Vielleicht nicht nur für die. Die Omerta gilt nicht mehr.
Fazit: Die Dimensionen dieses Skandals sind gigantisch. Jeder und jede Bank hat da mitgemischt (s. nur im FAZ-Artikel zur Warburg Bank oben den Hinweis auf die Deutsche Bank). Und jetzt – nach dem Bruch der Omerta des Warburg-Bankers ist klar, dass die Banker genau wussten, dass das, was sie machten, illegal war. Vielleicht nicht jeder und alle und von Anfang an, aber der Großteil. Zunächst dürften alle Beteiligten dem Bandwaggon-Effekt erlegen sein. Weil alle das machen, machen wir das jetzt auch. Und mit der Zeit rationalisiert man sich das Verhalten dann (s. dazu hier, Stichwort: „Fraud Triangle“). Und wenn des dann „Druck auf den Kessel“ gibt, dann übt man halt Gegendruck aus. Wer ist man denn, dass man sich mit so kleinen Strafverfolgern abgeben muss. Da führt man mal kurz ein paar Gespräche in den eigenen Kreisen (wenn die zuvor lancierten eigenen Gutachten nicht ausreichen) und schon ist die Sache geritzt.
Aber jetzt bröselt dieses Gebäude nicht mehr, es bricht zusammen. Denn das LG Bonn dürfte den geständigen Warburg Banker mit einem – im Vergleich zu den bisher nicht geständigen Bankern – relativ milden Strafmaß belohnen. Und dann werden die „Kronzeugen“ Schlange stehen. Die Frage ist, wie weit die „Beweiskette“ nach oben führen wird. Etwa, ob unser (dementer? s. hier) Kanzler nicht vielleicht doch etwas mehr an Cum Ex beteiligt war, als ihm heute lieb sein kann (s. auch hier zur Sperrung von Akten durch ihn).
Dann hoffen wir mal zum einen, dass das mit Sicherheit noch einmal mit der Sache beschäftigte BVerfG nicht denselben Weg beschreitet wie weiland bei der Untreue nach § 266 StGB, einen Tatbestand, der nach dem Urteil des höchsten deutschen Gerichts in Sachen Berliner Bankendskandal (hier) mehr oder minder in den Dornröschenschlaf verfallen ist – und damals die Täter schuldlos davonkommen ließ. Und zudem bleibt zu hoffen, dass der „singende“ Warburg Banker nicht demnächst tot in irgendwelchen Badewannen oder ähnlichen Orten angetroffen wird. Oder Herr Hanno Berger…
Spruch des Tages: „Das sind haltlose Schauermärchen.“ – Olaf Scholz, hier
Keep calm & carry on!
-tz