Carmageddon – deutsche Automobilindustrie als Treiber der Wirtschaft?

Während sich diverse Branchen in Deutschland im Sturzflug befinden, scheint eine deutsche Branche, die in den Vorjahren eigentlich synonym für Krise stand, den Tiefpunkt überstanden zu haben, wenn man aktuellen Meldungen glauben darf. Die Rede ist von der Automobilindustrie. So hat VW im abgelaufenen Jahr „deutlich mehr Autos verkauft“ (hier), während BMW gar einen Verkaufsrekord meldet (hier). Also, alles succe bei German automotive? I beg to differ (und nehme damit mal wieder meinen „Carmageddon“-Faden auf, s. zuletzt hier):

Die Atreus-Studie „Wirtschaftsstandort Deutschland 2023“ aus dem Sommer 2023, die auch einen speziellen Fokus auf den Automobil-Sektor richtete (hier), zeigt zum einen die schlechte Stimmung in diesem Sektor auf (84% der befragten Automanager beantwortete die Frage „Glauben Sie, dass die Politik in Deutschland derzeit die richtigen Weichen für die Automotive-Branche setzt?“ mit „Nein“, Folie 10, für 56% haben sich die Rahmenbedingungen seit Corona verschlechtert, Folie 12 und ein Viertel gibt an, die Kapazitäten in Deutschland reduzieren zu wollen, Folie 13). Das diesen Worten Taten folgen, belegt schon der Bericht über die Rekordabsätze bei BMW. Der bayerische Automobilkonzern verlegt nämlich die Produktion von Verbrenner-Autos nach Großbritannien, China und Österreich , während ab 2027 in München nur noch Elektroautos gebaut werden (s. auch hier). Dass dieser Fokus auf E-Auto-Produktion zumindest kurzfristig zu einem Rückgang führen kann, veranschaulicht seit Sommer wiederum Volkswagen, die ihre Produktion in den Werken Emden und Zwickau zunächst auf Grund von Lieferproblemen (hier), dann auf Grund technischer Probleme (hier) und schließlich auf Grund von Absatzproblemen (hier) zurückfahren muss.

Aber, wer erinnert sich nicht an die „Produktions-Hölle“, die Tesla 2018 durchlaufen musste (hier), bevor es 2023 zu den meistverkauften Automarken in den USA avancierte (hier)? Gut möglich, dass VW und BMW (wie auch andere deutsche Hersteller) derzeit ebenfalls ihre jeweiligen Produktionshöllen durchlaufen – und am Ende wieder groß rauskommen. Allerdings gibt es da mehrere Haken: Zum einen mag VW auch in China zwar in 2023 mehr E-Fahrzeuge abgesetzt haben, als im Vorjahr (hier), gleichwohl verliert aber nicht nur VW, sondern z.B. auch Toyota fortlaufend Marktanteile im chinesischen Markt (hier), BYD holt also nicht nur gegenüber Tesla auf (hier). VW will auf diese Entwicklung reagieren, indem es „chinesischer“ wird (hier). Angesichts des chinesischen Auftretens gegenüber China (aktuell hier, bei mir zuletzt hier) ist diese Strategie zumindest genau so riskant, wie die von BASF, die ein Zehn-Milliarden-Investment in China stemmte (hier).

Aber selbst wenn sich die Lage um Taiwan entspannen sollte, bedeutet das weder für VW noch für die deutsche Wirtschaft, dass der Esel (oder wahlweise die Kuh) wieder vom Eis ist: Denn zum einen muss sich VW in einem patriotischer werdenden China (s. nur das (angebliche) Verbot für staatliche Bedienstete, Apple-Produkte zu verwenden, hier) gegen eine stärker werdende Konkurrenz durchsetzen. Zum anderen dürfte Deutschland selbst gar nicht mehr profitieren, wenn VW sich in China (wieder) durchsetzt – denn im Zweifel wird nicht nur die Produktion von Autos mit Verbrennern – die bei VW noch über 90% und bei BMW immerhin noch 85% der verkauften Autos ausmachen – sondern langfristig auch die Produktion von E-Autos in andere – als profitabler angesehene – Märkte verlagert werden. Dies auch vor dem Hintergrund der jetzt schon auftretenden Konflikte von Rohstoffbezügen aus „problematischen“ Ländern mit dem deutschen Lieferkettengesetz (s. hier für BMW), die sich im Zweifel mit Einführung des LkSG-Äquivalents auf europäischer Ebene noch verschärfen werden (s. zur CSDDD hier).

Angesichts der multiplen Krisen in Deutschland selbst und der nicht als wirtschaftsfreundlich empfundenen Regierungspolitik dürfte sich der Anteil der Automobilunternehmen, die ihr Heil im Ausland suchen, gegenüber der Atreus-Umfrage noch einmal verstärkt haben. Auch ist es nicht so, dass es im Automotive-Sektor nicht zu Insolvenzen käme (s. nur hier und hier für aktuelle Beispiele). Allerdings überschattet die Immobilien-Krise z.B. mit der Signa-Insolvenz aktuell diesen Bereich. Zumindest mittelfristig, wenn nicht sogar kurzfristig, dürfte der Automobilsektor wieder vermehrt und prominent auf dem Krisenradar auftauchen.

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