Inflation – ein Gespenst geht um…

Nachdem sich bereits im Januar andeutete, dass das Spiel mit der Inflation nach einem eher überraschenden Rückgang im Dezember (hier) nicht so schnell vorbei sein würde (hier), scheint das Phänomen tatsächlich weiter herumzugeistern, allerdings nicht überall:

Deutschland: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/03/PD23_079_611.html

https://www.faz.net/aktuell/finanzen/inflation-neu-berechnet-rekordinflation-ist-keine-mehr-18697663.html

https://www.linkedin.com/posts/till-christian-budelmann_macroeconomics-economy-inflation-activity-7035226071109103616-aGEh?utm_source=share&utm_medium=member_desktop

https://www.n-tv.de/politik/Kanzleramt-haelt-Inflationskrise-fuer-ueberwunden-article23947545.html

https://www.wiwo.de/politik/deutschland/geldpolitik-die-bundesbank-rutscht-in-die-roten-zahlen/29011320.html

https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/finanzminister-lindner-schlaegt-alarm-deutschland-in-der-zins-falle-83018606.bild.html

In Deutschland lag die Inflationsrate im Februar 2023 bei unverändert 8,7%, wie im Januar. Die Frage ist nur, ob man den Zahlen von Destatis noch trauen kann. Denn – wie Destatis in dürren Worten selber angibt – ist der Basiswert für die Inflationsberechnung „turnusgemäß“ geändert worden. Legt man diese Basis zu Grunde – und das arbeitet die FAZ heraus – stieg die Inflationsrate auch im letzten Jahr nie über zehn Prozent. Leider hat die Unicredit ihren Indikator zur „gefühlten Inflation“ derzeit nicht aktualisiert (s. zuletzt hier), so dass es keine Vergleichswerte gibt (s. aber hier). Bedenklich ist diese Umstellung ohne zumindest eine übergangsweise Veröffentlichung der auf der alten Basis beruhenden Daten allemal – gerade vor dem Hintergrund der „senkrecht gehenden“ Lebensmittelpreise (s. Linked-In-Link).

Passend dazu erklärt das Kanzleramt die Inflation für überwunden. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Derweil werden jetzt die Verwerfungen sichtbar, die die, bzw. das Ende der, Niedrigzinsphase auslösen wird: Die Bundesbank konnte einen operativen Verlust nur durch Rückgriff auf die Risikovorsorge vermeiden. Und in den nächsten Jahren werden die Verluste wohl steigen.

Und nun stellt Herr Lindner fest, was es bedeutet, Zinsen für Schulden zahlen zu müssen. Der Zinsaufwand von wohl Euro 40 Mrd. im aktuellen Staatshaushalt dürfte noch Peanuts sein, im Vergleich zu dem, was kommt. Und bedanken kann er sich bei seinem Vorgänger, Herrn Scholz (was macht der eigentlich gerade?), dass dieser die Verschuldung Deutschlands mit Kurzfristkrediten ankurbelte. Damit hat er die Chance verpasst, die vormals niedrigen Zinsen für Deutschland langfristig zu sichern. Und jetzt warnt der Bundesrechnungshof auch noch vor „Kontrollverlust“ im Bundeshaushalt (hier). Wird spannend, wie angesichts rapide enger werdender finanzieller Spielräume die ganzen grün-roten Träume verwirklicht werden sollen.

Europa: https://ec.europa.eu/eurostat/documents/2995521/16138299/2-02032023-AP-DE.pdf/1b5f1281-2540-138e-3dee-402b071e1738

https://www.spiegel.de/wirtschaft/ezb-faehrt-milliardenverlust-ein-a-08f8cb14-5014-446f-8eaf-233396c8a82c

Zwar ist die Inflationsrate in der EU im Februar 2023 von 8,6% im Januar auf 8,7% im Februar 2023 gesunken, allerdings ist die Inflationsraten in einigen Mitgliedsstaaten nach wie vor zweistellig, bis hin zu 20,1% in Litauen. Und so langsam schlägt die Inflation im Dienstleistungssektor durch.

Auch die EZB erntet jetzt, was sie mit ihrer Negativzinspolitik geerntet hat, in 2022 fuhr auch sie einen Verlust von Euro 1,6 Mrd. ein und muss ihre Risikovorsorge anzapfen.

USA: https://www.welt.de/wirtschaft/article244289091/Mieten-und-Essen-teurer-Inflation-in-den-USA-sinkt-auf-sechs-Prozent.html

https://www.linkedin.com/posts/charles-henry-monchau-cfa-cmt-caia-4003096_centralbank-interest-activity-7038507696915939328-GtTm

Die Inflationsrate in den USA ist im Februar auf „nur noch“ 6% gesunken. Das waren 0,4 Prozentpunkte weniger als im Januar und der niedrigste Wert seit September 2021.

Und auch die Fed hat sich selber zwischenzeitlich erhebliche Verluste – und wird sich, auch vor dem Hintergrund der Pleite der SVB (s. unten bei Fazit), wohl ernsthafte Gedanken über die nächsten Zinserhöhungen machen.

Schweiz: https://www.nzz.ch/wirtschaft/die-schweizerische-nationalbank-hat-zwei-drittel-ihres-eigenkapitals-verloren-ld.1729065

Für die Schweiz liegen bislang noch keine aktuellen inflationszahlen vor, derzeit gelten also noch die gemäßigten Zahlen aus dem Januar (3,3%).

Aber auch die Schweizer Nationalbank (SNB) macht immense Verluste – ein Drittel des Eigenkapitals ist aufgebraucht.

Türkei: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/tuerkei-inflation-111.html

Nachdem die Inflation in der Türkei im vergangenen Jahr bis auf rund 85% gestiegen, fiel sie nun den zweiten Monat in Folge leicht. Im Februar stiegen die Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahresmonat um 55,2%, gegenüber 57,7% im Vormonat.

Fazit: Es „Dauert noch sehr lange, bis Inflation zurückgeht“ – sagt zumindest das EZB-Ratsmitglied Robert Holzmann (hier). Und Herr El-Erian schließt sich dieser Ansicht an (hier). Diese Ansicht wird untermauert durch die aktuellen Zahlen der Allianz Trade, wonach die Energiepreise für deutsche Unternehmen im letzten Jahr um 40% gestiegen seien, die Auswirkungen aber wohl erst 2023 voll zum Tragen kommen (hier). Zudem dürfte nicht erst mit der nun vereinbarten Tariferhöhung bei der Post von durchschnittlich 11,5% (hier) die Lohn-Preis-Spirale in Schwung gekommen sein. Die Inflation hat sich nicht nur in Deutschland und Europa eingenistet, ist gekommen, um zu bleiben und könnte sich zum Schreckgespenst der nächsten Jahre entwickeln. 

Denn die Notenbanken schneiden sich gerade bei den (erforderlichen) Zinserhöhungen ins eigene Fleisch. Derzeit mehren sich denn auch die Anzeichen, dass die Fed den Leitzins in den USA, wenn überhaupt, dann nur zaghaft weiter anhebt (hier oder hier). Derzeit ist zudem nicht absehbar, wie sich die Pleite der Silicon Valley Bank (SVB, s. dazu hier und hier) auf die Zinsentscheidungen der Fed auswirkt. Demgegenüber – diesen Schluss lässt die oben zitierte Äußerung von Herrn Holzmann zu – dürfte die EZB die Zinsen weiter anheben, gerade weil die Inflation in der Eurozone im Gegensatz zu den USA nicht wirklich fällt. Der Focus schätzt hier die Folgen ab, sollte sich der Leitzins der EZB tatsächlich im Sommer bei 4,5% einpendeln. Die Bauzinsen sind jedenfalls jetzt schon bei 4% (hier). Wohl nicht nur für Unternehmen „schrauben die Banken ihre Finanzierungskriterien für die Vergabe neuer Kredite weiter hoch“ (hier). Sprich, es dürfte über das Jahr gesehen, nicht nur teurer werden, an Kredite zu kommen, sondern auch schwerer.

Und dieses schon nicht so richtig sonnige Szenario gilt nur unter ansonsten gleichbleibenden Bedingungen. Sollte – wie Herr El-Erian analysiert – China z.B. „tödliche Waffen“ an Russland liefern, dann dürften sich die Beziehungen des Westens zu China weiter verschlechtern. Mit unguten Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung, insbesondere die Inflation. Ähnliches könnte bei weiteren Bankenpleiten gelten (Credit Suisse anybody? s. hier). Und der Reigen der potentiellen weiteren „Einschläge“ ist in dieser Zeit der „Polykrisen“ schier unendlich. Möglicherweise nutzen die Zentralbanken solche Ereignisse aber auch eher als Ausrede, um ihren Kurs der Zinserhöhungen wieder zu revidieren. Derzeit kann das niemand seriös abschätzen. Einzig sicher scheint damit, dass uns das „Inflationsgespenst“ (Mayer, hier) wohl noch einige Zeit erhalten bleibt – egal, was die Bundesregierung erklärt.

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