Risikoradar – Credit Suisse / SVB – und zyklisch grüßt das Murmeltier?

Einen wunderhübschen Guten Morgen in die Runde! Na, hatten Sie gestern Nacht beim Ins-Bett-Gehen angesichts des Absturzes der Credit Suisse auch die Befürchtung, heute inmitten einer neuerlichen Finanzkrise aufzuwachen? Ich schon. Aber Sie können einigermaßen beruhigt zur Kaffeemaschine schreiten: Die Zentralbanken haben wieder einmal ganze Arbeit geleistet – zumindest fürs Erste.

Nachdem die US-Regierung zusammen mit der US-Fed im Laufe der letzten Woche zur Rettung der Gläubiger u.a. der Silicon Valley Bank (SVB) eingesprungen ist (dazu gleich unten mehr), „durfte“ im Laufe der letzten Nacht die Schweizerische Nationalbank (SNB) der Credit Suisse zur Seite springen. Was war passiert:

Silicon Valley Bank (SVB) // Silvergate // Signature

Am Sonntag, den 12. März 2023, erklärten die US Finanzministerin Janet Yellen, der Chef der US Notenbank (Federal Reserve, Fed), Jerome Powell, und der Chef der US-Einlagensicherung (FDIC), Martin J. Gruenberg, in einer gemeinsamen Erklärung (hier), dass die Silicon Valley Bank, Santa Clara, Kalifornien mit sofortiger Wirkung unter staatliche Kontrolle gestellt würde, die Kontoinhaber aber vollständig gesichert seien (vertiefend hier).

Relativ unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit wurde am gleichen Tag die Signature Bank in New York unter staatliche Kontrolle gestellt (nachdem es scheinbar Unstimmigkeiten in deren Krypto-Handel gab, s. hier); ebenfalls relativ unbemerkt war zuvor schon am 8. März 2023 die Krypto-Bank Silvergate implodiert (mehr dazu hier).

Diese Pleiten wurden jeweils individuellen Problemen der Banken – Kryptohandel bzw. zu große Abhängigkeit vom Start-up-Sektor – zugeordnet.

Credit Suisse

Die Bank Credit Suisse war schon längere Zeit im Fokus der Öffentlichkeit – auch ich habe (hier) über ihre Probleme berichtet, zuletzt am 23. Februar 2022 (hier) über die „Suisse Secrets„. Darüber hinaus hatte ich schon begonnen, mich für die Verwicklungen der Bank in den Archegos-Absturz zu interessieren, bei dem die Risikokontrolle der Credit Suisse nach Ansicht der FAZ „fundamental“ versagt habe (hier).

Bislang ist nicht klar, warum genau die Credit Suisse als „eine der 30 systemrelevanten Großbanken, die vom Finanzstabilitätsrat (FSB) als systemisch bedeutsames Finanzinstitut (systemically important financial institution) eingestuft“ wird (Wikipedia, erneut hier), genau ins Straucheln geriet. Eine einfache, aber auch passable Erklärung derzeit ist, dass die „Investoren“ nach dem Zusammenbruch der Banken in den USA (endlich) ihre Risikobrille aufsetzten und feststellten, dass die Credit Suisse einen Hang zu problematischen Investments hatte, um es einmal diplomatisch auszudrücken. Und von da zu einer Trennung von Investments in diese Bank ist es dann nur ein kleiner Schritt – zumal aus der Bank wohl schon seit Oktober 2022 massiv Einlagen abgezogen werden (hier).

Nachdem die Saudi National Bank erst im November 2022 zur Großaktionärin der Credit Suisse geworden war (hier), löste sie mit der Äußerung, dass für die Credit Suisse trotz des Absturzes der Aktie kein weiteres Kapital erforderlich sei (hier) Schockwellen an den Finanzmärkten aus (hier). Und zwar derart heftige, dass in der Nacht vom 15. auf den 16. März 2023 die SNB auf Bitten der Credit Suisse (hier) eingriff und der Bank bis zu CHF 50 Mrd. als vorsorgliche Stützung der Liquidität zur Verfügung stellte (hier).

Bear Stearns all over again?

Am 6. Januar 2023 postete ich meine übliche „Jahresprophezeiung“ – meine bewusst überspitzte Einschätzung der sich realisierenden Risiken für das Jahr. Unter Ziffer 6 findet sich folgende Prophezeiung:

Die schweizerische Nationalbank muss im Mai 2023 die Bank Credit Suisse mit einem Milliardenpaket vor einer Pleite retten, auch sonst mehren sich negative Meldungen aus dem Finanzsektor – insbesondere über Auszahlungsstopps bei Immobilienfonds – im Laufe des Jahres. Der Finanzminister nennt im September 2023 die Spekulationen über eine neue Finanzkrise „abstrus“.“ (hier).

Bevor Sie mich nun ob meiner seherischen Fähigkeiten bewundern, ein paar klarstellende Bemerkungen: Die Credit Suisse war – wie oben ausgeführt – sowieso schon auf meinem „Risikoradar“, von daher war die Anknüpfung einer hypothetischen Bankenkrise an diese Bank keine große Denkleistung. Die genannten Auszahlungsstopps bei Immobilienfonds starteten bereits 2022 (z.B. hier). Die Anknüpfung an den Mai referenziert an den Zeitpunkt des Kollapses der Bear Stearns Fonds eben im Mai 2008 – gleichsam die für die Öffentlichkeit zu  dem Zeitpunkt sichtbare „Anfangssequenz“ des Horrorfilms, der als „Great Financial Crisis“ Eingang in die Geschichtsbücher gefunden hat. Und die Herrn Lindner untergeschobene Äußerung, dass eine neuerliche Finanzkrise „absurd“ sei, bezieht sich auf die seinerzeitige Äußerung des damaligen „Superministers“ Peer Steinbrück, der noch im Spätsommer 2008 „verboten“ hatte, von einer Rezession zu reden (hier und hier).

Sprich, meine Prophezeiung spielte mit dem Bonmot, dass sich „die Vergangenheit zwar nicht wiederholt, aber doch reimt“ (so auch Frau Lagarde hier mit dem Mark Twain zugerechneten berühmten Zitat: “History never repeats itself, but it does often rhyme.”). Angesichts der aktuellen Parallelen zwischen den Ereignissen 2008 und heute könnte man versucht sein, tatsächlich an einen „Reim“ zu glauben. Ob es tatsächlich so kommen wird, steht in den Sternen. Allerdings ähneln sich die Ausgangslagen: Auch damals hatte die Fed einen „Zinserhöhungszyklus“ angestoßen, um Immobilienkredite zu verteuern. Tatsächlich wird darauf hingewiesen, dass die US-Banken möglicherweise auf einer Vermögensblase sitzen, weil sie ihre Werte im Angesicht der Zinswende zu hoch bewertet hätten (Financial Times, „The US bank system is more fragile than you’d think“, hier). Und Nial Fergusson zeigt hier und hier auf, dass die Inflationsbekämpfung durch Zinserhöhung bereits in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts schon zu Krisen geführt habe. Auch heute sei eine Finanzkrise deswegen vielleicht nicht so weit entfernt.

Berücksichtigen sollte man ferner, dass die SNB im Zuge ihrer Aktivitäten zur Stabilisierung des Franken Ende 2022 bei einem Verlust von CHF 132,5 Mrd. bereits zwei Drittel ihres Eigenkapitals verloren hatte (hier, s auch hier). Es ist also nicht auszuschließen, dass der Schweizer Staat gezwungen wird, bei einem weiteren Verlust durch das Engagement bei der Credit Suisse, der eigenen Nationalbank unter die Arme zu greifen. Die asiatischen Börsen scheinen sich auch mit diesen Gedanken zu beschäftigen und starten mit weiteren Verlusten in den Tag (hier und hier). Könnte ein „interessanter“ Tag und ein weiteres „interessantes“ Jahr werden. Und vielleicht grüßt am Ende wieder das Murmeltier (hier).

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