Guten Morgen,
„Italiens tiefe Enttäuschung über Deutschland„. Wie die Kommentatoren im entsprechenden Talk auf Radio Eins neulich wieder einmal super herausarbeiteten (hier), ist Deutschland für Europa das, was die USA für die Welt sind: Der Sündenbock. Wir können es nur falsch machen, egal, was wir machen. Das Problem dabei ist, dass wir Deutschen nicht das Selbstbewusstsein und die Unbekümmertheit der Amis haben. Schaut man so durch den Blätterwald, dann sieht man die Verbreitung von „Himmelhoch-Jauchzend“ („In der Krise wird Deutschland zum heimlichen Helden Europas„) bis zu „Tode betrübt“ („Vor allem Deutschland verkennt die historische Größe der Aufgabe und verzwergt sich in der Rolle des Strebers, der nicht helfen kann, ohne zu belehren.„).
Deswegen heute mal ein auf die verschiedenen Rettungsmechanismen fokussierter Blick auf Europa:
Tja, die Italiener finden natürlich den ESM nicht so witzig – da hätten sie dann ja jemanden da sitzen, der Ihnen auf die Finger schaut beim „Regierung-Wechsel-Dich-Spielchen“…
Euro-Bonds: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/vor-eu-gipfel-merkel-lehnt-eurobonds-ab-16733345.html
http://www.finanztreff.de/news/scholz-eurobonds-nicht-das-geeignete-mittel/19803230
Merkel ist gegen Corona-Bonds, Scholz ist gegen Euro-Bonds, sein Staatssekretär scheint dagegen nicht gänzlich abgeneigt (s. hier). Die deutsche Medienlandschaft ist „voll für“ Euro-Bonds und wittert jetzt die Chance auf den Durchbruch (hier gut zusammengefasst bei Steingart).
„Wiederaufbaufonds„: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/europa-solidaritaet-coronavirus-1.4879805
Aha, es geht also nicht um „substantielle Beiträge“ aus Deutschland – na, da bin ich ja beruhigt….
Fazit: Ich bin gegen Eurobonds. Steht ja auch so in der „No-Bail-Out“-Klausel des Art. 125 AEUV. Und ist der ESM – trotz entgegenstehender Meinung des EuGH – nicht doch ein „Bail-out“? Gut, wieder mal Recht gehabt. Toll. Und nu? Kommen wir (sowohl Deutsche als Europäer) so weiter? Wohl eher nicht. Denn zum einen werden wir als Deutsche – nicht nur auf Grund unserer (vormaligen?) Exportstärke – unsere Nachbarn in Europa im wahrsten Sinne des Wortes brauchen. Zum anderen würde ein zerfallendes Europa in einer globalisierten (oder polarisierten) Welt zerrieben – und damit auch Deutschland. Soviel ist sicher, wenn man sich die Spannungen zwischen den USA und China anschaut. Deswegen ist doch die erste Frage, ob die Mittel der „Alphabet-Soup der Hilfsmechanismen der EU überhaupt ausreichen? Sprich, können EZB, EU ESM und EIB (die letzten drei Mal pointiert hier erklärt) tatsächlich die EU-Staaten abfangen?
In Griechenland haben sie geschafft, Italien dürfte schon schwer sein – aber Frankreich noch dazu würden sie nie schaffen. Und machen wir uns nichts vor, Herr Macron mit seinem ständigen Generve über die „hirntote“ Nato (hier) oder die Forderung nach „Solidarität“ in der EU (hier) will doch lediglich die eigene Machtlosigkeit angesichts leerer Staatskassen (s. hier und hier zur französischen Staatsverschuldung) überdecken. Herr Macron schiebt Italien nach vorne, in der Hoffnung, nachher als „Geber“ dazustehen und den politischen Einfluss Frankreichs zu sichern. So läuft das dann aber leider auch nicht. So wie er sich national neulich endlich mal ehrlich gemacht hat (hier), muss er das auch auf europäischer Ebene tun – und akzeptieren, dass einem Deutschen, der derzeit hofft, noch mit 65 in Rente gehen zu können, aber wohl demnächst eher bis 70 arbeiten darf, nicht vermittelbar ist, dass die Franzosen für einen Renteneintritt mit 56 demonstrieren (hier). Und die Italiener? Die müssen halt lernen, dass man sich nicht über Jahre billiges Geld bei der EZB borgen und gleichzeitig eines der höchsten Privatvermögen in der EU (hier) ausweisen kann – aber sein Gesundheitswesen so herunterwirtschaftet, dass man bei Corona direkt über alle Grenzen hinausgeht. Und von Spanien wollen wir hier mal gleich gar nicht reden…
Der Druck auf Deutschland (und innerhalb Deutschlands) zur Einführung von Euro-Bonds liegt doch genau darin begründet, dass die jeweiligen Nationen dann ungestört nach ihrem Gusto Kredite aufnehmen können – ohne dass Ihnen die europäischen oder andere nationale Institutionen hineinreden könnten. Lediglich die Euro-Stabilitätskritieren wären zu beachten. Und machen wir uns nichts vor, um die kümmert sich derzeit eh keiner. Zumindest die Südeuropäer dürften bei einem Wiederaufbaufonds darauf drängen, dass im Gegenzug keine Verpflichtungen für (strukturelle) Reformen eingegangen werden. Und das ist ja gerade die Krux – auf den vorgeblich unerschöpflichen deutschen Dukatenesel zu verlassen, ist auch deswegen gefährlich, weil auch der irgendwann keine Dukaten mehr auswerfen könnte. Und die Südeuropäer zementieren damit ihre eigene Abhängigkeit. Und dann hilft auch kein Gejammere über die „bösen Deutschen“.
Historisch: 1856: Steinmetze und Gebäudearbeiter erkämpfen im australischen Melbourne mit einem Demonstrationsmarsch den weltweit ersten Achtstundentag (Aus: https://de.wikipedia.org/wiki/21._April)
Keep calm & carry on.
-tz