Morning Briefing – 26. Juni 2020 – Notstand // Vertrauen // Verschwörungstheorien

Guten Morgen,

Tja, so schnell kann es gehen: Selbst ich hatte ja am Montag Wirecard noch die Woche bis zur Insolvenz gegeben (hier). Aber, nein, gestern stellte der Konzern für etliche Unternehmen der Gruppe  – aber wohl nicht die Bank (!) – einen Insolvenzantrag und (für mich erwartungsgemäß wurde Herr Jaffé vom Insolvenzgericht als Sachverständiger eingesetzt (hier). Und geil sind die Schlagzeilen: Scheinbar hat wirklich jeder an das Unternehmen geglaubt. Sorry, was für eine Naivität. Aber Flowtex (hier) oder Phoenix Kapital (hier) sind ja nun auch schon länger her – und Madoff war ja „nur“ in den USA tätig (hier). Aber DAS konnte man doch wirklich nicht voraussehen, oder? Doch, die Financial Times HAT es erkannt – und kein Entscheidungsträger hat auf sie gehört. Hut ab vor den journalistischen Fähigkeiten der FT. Da könnte sich das Hurrablatt der deutschen Wirtschaft mal eine Scheibe, ach, was sage ich, die ganze Wurst von abschneiden. Und? Wird das passieren? Nein, genau so wenig, wie der nächste Skandal verhindert wird….

Wie gefährlich eine derartige Naivität sein kann, zeigt sich gerade in Stuttgart: Noch zwei Wochen vorher hatte ich die Aussagen in einem Control Risks Webinar (hier, sehr zu empfehlen), wonach sinngemäß auch in Deutschland das Potential für „social unrest“ ähnlich den USA bestehen würde, eher ungläubig zur Kenntnis genommen. Und kann mir jetzt auch mal ein paar Scheiben von den Profis abschneiden. Aber die Vorfälle in Stuttgart waren eben kein schwarzer Schwan, wie anfangs behauptet wurde. Nicht nur die Polizeigewerkschaft weist darauf hin, dass sich die Vorfälle abzeichneten (hier), nein, bereits bei einer Demo am 6. Juni 2020 ist es zu Vorfällen bei einer Demo der linken Szene gekommen (hier, Danke, Alex für den Hinweis).

Die Frage aller Fragen ist also: sind Krawalle wie in den USA auch in Deutschland möglich. Dazu mal ein paar „Quergedanken“

Notstand: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/coronakrise-spahn-will-mit-fraktionschefs-im-bundestag-ueber-pandemie-notstand-beraten/25928624.html

https://www1.wdr.de/daserste/monitor/videos/video-monitor-auf-den-punkt-einschraenkungen-der-grundrechte-waehrend-der-corona-krise-100.html

Nach wie vor erlassen die Regierungen – also die Exekutive – quasi pausenlos Verordnungen, die sei zwar als „Erleichterungen“ oder „Lockerungen“ verkaufen, die aber nichts anderes sind, als Grundrechtsbeschränkungen. Und noch immer sind die Parlamente in meinen Augen entmachtet.

Vertrauen: https://www.spiegel.de/politik/ausland/eu-mangel-an-vertrauen-in-parteien-und-politiker-eklatant-umfrage-a-143d7457-40cd-4443-bc05-3b6995410972

Wen wundert es, dass angesichts der zahllosen Skandale und Postenschachereien, in die „unsere“ Politiker verwickelt sind (ich sage nur von der Leyen (hier) und verweise auf mein „Nepotismus-Special“ aus der letzten Woche (hier)) das Vertrauen in „die“ Politiker nicht mehr all zu hoch ist.

Verschwörungstheorien: https://www.spiegel.de/netzwelt/fred-turner-ich-fuerchte-dass-die-menschen-den-maschinen-mehr-vertrauen-als-der-politik-a-9784ba2f-9b8c-47d7-b5a7-58a6bd07657b

https://www.spiegel.de/netzwelt/web/donald-trump-seine-strategien-fuer-den-staatsstreich-kolumne-a-ab1efdca-874c-4af9-9a02-2241be3467c1

Ja, jetzt auch bei mir…. Ne, eigentlich nicht, aber ich fand die Kommentare – auch gerade von dem von mir hoch geschätzten Sascha Lobo – mehr als verstörend.

Fazit: Haben Sie nach der Lektüre dieses Posts kein so gutes Gefühl? Und geraten Sie auch nicht in die übliche Gedankenschleife („ach, der -tz wieder, immer so negativ. SOOO schlimm wird’s schon nicht“)? Gut so. Dann sollten Sie nämlich jetzt anfangen, sich mal ernsthaft Gedanken zu machen, wie wir hier alle zusammen weitermachen, ohne ins Armageddon abzudriften. Und da sind – wie wir an Wirecard oder Stuttgart sehen – die ewigen „Experten“ vielleicht nicht immer die richtigen Ratgeber. Vielleicht wäre ja mal die Nutzung der demokratischen Plattformen („Parlamente“ für die älteren unter uns) zur Diskussion des weiteren Vorgehens ganz nützlich. Aber: Sie müssen sich jetzt selber eine Meinung bilden und die auch in die Diskussionen einbringen. Und vielleicht nicht nur das, vielleicht sollten Sie auch mal anfangen, sich selber aktiv in etwas einzubringen. Sonst dürften wir demnächst auch hier nicht nur das „Potential“ für Social Unrest haben…

Dafür haben Sie dann jetzt auch mal Zeit – ich werde nämlich erst mal für zwei Wochen mein Büro gegen meine Familie und meinen Bulli tauschen und selbst mein Rückreisedatum flexibel halten. Der nächste Post dürfte wohl nicht vor dem 15. Juli erscheinen.

So long,

-tz 

2 Gedanken zu „Morning Briefing – 26. Juni 2020 – Notstand // Vertrauen // Verschwörungstheorien“

  1. Ich werde Ihren BLOG die nächsten Tage vermissen. Ein paar Themen mit good news, wie man Zivilcourage positiv einsetzen kann, könnte Gleichgesinnten Mut machen. Wünsche Ihnen und der Familie einen erholsamen Urlaub und gratuliere zur heutigen Verleihung des Handelsblatt „Best Lawyer“ für Insolvenrecht.

    1. Hallo Herr Kopp,
      besten Dank für die lobenden Worte. Ich brauche auch erst mal ne Schaffenspause – und Sie haben Recht, auch ich muss mehr positive Beispiele finden und nennen. Ne Cassandra ist derzeit nicht mehr ganz so wichtig. DAnke auch für die Glückwünsche zur Handelsblatt-Auszeichnung – gebe ich gerne zurück, sind Sie doch im Bereich „Arbeitsrecht“ ganz vorne dabei!
      Viele Grüße,
      -tz

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