Morning Briefing – 30. März 2020 – Blackrock // TALF // Fed

Guten Morgen,

War zu erwarten und von mir auch so prognostiziert: Die Großen werden gerettet und die Kleinen zum Lüften rausgehängt
(s. nur hier und hier). Beispiele gefällig? Here you go: „TUI bekommt Staatskredit über 1,8 Milliarden Euro“ (wohlgemerkt von der Bundesregierung zugesagt und von der KfW auszuzahlen). Zwar müssen wohl noch einige Banken zustimmen, aber: zum einen ist nur eine von meinen neulich aufgestellten Mindestbedingungen für solche Kredite erfüllt (hier, Sie erinnern sich? Keine Aktienrückkäufe, keine Boni ans Management und keine Dividendenzahlung). Lediglich eine Auszahlung von Dividenden an Aktionäre soll laut Pressemeldungen verboten sein. Zum anderen fragt man sich, wer denn hier gerettet werden soll, wenn man sich die Aktionärsstruktur dieses REISEkonzerns anschaut (hier). Zudem ist fraglich, ob TUI nach dem 28. April überhaupt noch eine Lizenz zum Vertrieb von Reisen haben wird (hier). Während also TUI großzügig Gelder aus einem der zahlreichen Rettungsfonds der Bundesregierung erhält, sollen die Kunden, die jetzt erst mal aufs Reisen verzichten dürfen, mit Gutscheinen abgespeist werden (hier) – und damit natürlich auch das weiterhin bestehende Insolvenzrisiko des Unternehmens tragen. Vielleicht versucht Herr Altmaier ja so, seine „Nationale Industriestrategie“ (s. näher dazu hier) durchzusetzen. Aber mir stellt sich ja die Frage, ob schlichte Größe allein das Kriterium ist, oder ob nicht vielleicht auch andere Bedingungen gelten sollten. Vielleicht so etwas, wie „Systemrelevanz“? Die würde ich bei einem Reiseveranstalter doch mal hinterfragen.

Und, ich lächelte, und war froh – und es kam noch viel schlimmer: Was ich nach ersten Erzählungen einiger Mandanten am Freitag Nachmittag nur befürchtete („Ich habe bei der IBB die Platzziffer 55.XXX“; „Nach längerem Warten bin ich jetzt wohl Nr. 48.XXXX“), stellte sich dann nach der Lektüre des Tagesspiegels in der Nacht als bittere Wahrheit heraus (hier): Als ab Freitag Mittag 100.000 von rund 240.000 in Berlin registrierten Unternehmen die Online-Präsenz der Investitionsbank Berlin (IBB) virtuell „stürmten“, um die speziell für Berliner Kleinunternehmen und Selbstständige gedachten „Corona-Zuschüsse“ abzurufen, brachen erst mal die EDV-Systeme zusammen. Nicht weiter verwunderlich. Aber auch die Bearbeitung der Anträge dürfte nach ersten Schätzungen etwas Zeit in Anspruch nehmen: rund 3.400 Anträge sollen die Sachbearbeiter pro Tag bearbeiten können. Gehen wir mal von 5.000 aus, wenn alles eingespielt ist. Dann dauert die Bearbeitung des Rückstaus 20 Tage. Eigentlich nicht viel – in normalen Zeiten. Aber es sind keine normalen Zeiten. Und wer bitteschön glaubt, dass das auch gleich die letzte „Runde“ in Sachen Fördergelder war? Nicht das Sie mich falsch verstehen: ich glaube, dass das was der Berliner Senat da aufgesetzt hat, TATSÄCHLICH eine unbürokratische und schnelle Hilfe ist – und mit bis zu 15.000 Euro als Zuschuss gegen die Angabe von Postadresse, Rechtsform, Steuer-ID und Bankverbindung (näher dazu hier) auch für kleine Unternehmen und in Kombination mit Kurzarbeitergeld, etc. wohl nicht nur Wechselgeld.

Aber an diesen beiden Beispielen wird deutlich, wohin die Reise geht: Großunternehmen werden großzügig, ohne größere Bedingungen (wie wäre es z.B. mit der Übergabe von Aktien als Sicherheiten an die Kfw?), „gerettet“ (ich glaube, TUI wird dennoch nicht mehr lange überleben)), während der normale deutsche Mittelständler um ein paar Brosamen kämpfen darf (der vom Berliner Senat bislang bereit gestellte „Topf“ für die Bekämpfung der Corona-Krise beträgt insgesamt Euro 600 Mio., hier; allerdings ist das Programm für kleine und mittlere Unternehmen wohl auch schon wieder „alle“ (hier)). Selbst wenn man bedenkt, dass TUI etwas über 71.000 Mitarbeiter beschäftigt (hier) und es sich bei den hier diskutieren Zahlungen in Berlin um Zuschüsse, bei TUI dagegen um Darlehen handelt, dann dürfte der Liquiditätszufluss pro Mitarbeiter bei der TUI (Euro 1,8 Mrd. / 71.000 = Euro 25.352/Mitarbeiter) wesentlich höher ausfallen, als dass, was in Berlin pro Mitarbeiter gezahlt werden wird. Warum aber soll ein Reiseveranstalter gerettet werden, ein Berliner Handwerker, Künstler oder Gastronom aber nicht?

Selbst ich als zynische Cassandra hätte nicht gedacht, dass meine Aussage vom Freitag („[…] im Gegensatz zu Viren läuft die Wirtschaft nicht „wie ein Uhrwerk ab“ (Originalton Herr Kekulé), sondern „More often than not, business is smell, feel and touch as much as or more than numbers.“, wie Jack Welch zu sagen pflegte. Ich hoffe, dass die Politiker das ebenfalls begreifen, bereite mich aber als Sanierungsberater schon mal auf die Triage von Unternehmen beim zweiten Zieleinlauf vor.“, hier) so schnell von der Wirklichkeit eingeholt werden würde. Und, ich sehe meine Befürchtung, dass die Politik auf die wirtschaftliche Krise noch schlechter vorbereitet ist, als auf die medizinische, mit jedem Tag mehr bestätigt.

Wie schreibt Mr. El-Erian so schön in „The Race Between Economics & COVID-19“?: „Without clearly stated principles as to why, how, when, and under what terms government assistance will be offered, there is a high chance that the bailouts will be politicized, ill-designed, and co-opted by special interests.“ Wie die nachfolgenden Snippets zeigen, haben sich die Regierung, Behörden und Wall-Street Firmen, diese Standards wohl nicht allzu sehr zu Herzen genommen:

Blackrock: https://www.bloomberg.com/opinion/articles/2020-03-27/federal-reserve-s-financial-cure-risks-being-worse-than-disease

Aus der Mail von Herrn H., der mir diesen Snippet dankenswerter Weise übersandte: „US Treasury Department fungiert als Eigentümer von SPVs, die von der FED finanziert werden, Blackrock Inc. agiert im Auftrag des Treasury als Trader zum Aufkaufen von Bonds und Securities in die SPVs – so sieht der neue Corporate Financial US Market aus. Der Artikel gipfelt in der Aussage: “This scheme essentially merges the Fed and Treasury into one organization. So, meet your new Fed chairman, Donald J. Trump.”

Also, a) die Fed darf das, was sie gerade tut, gar nicht, b) sie mandatiert ein kapitalistisches Unternehmen (Blackrock), als Trader zu agieren – mit wahrscheinlich entsprechender Marge. Ist ja schon toll, kommt aber noch besser:

TALF: https://wolfstreet.com/2020/03/23/what-are-all-the-feds-corporate-investor-bailout-programs-and-spvs/

A little history on TALF: At the end of 2010, under orders from Congress, the Fed released data on over 21,000 transactions it performed during the Financial Crisis, which revealed among many other outrageous acts, that the Fed lent to well-connected individuals and all kinds of hedge funds and others under its TALF program so that they would buy certain assets, such as these consumer loan ABS, drive up their prices, sell them to pension funds and others later for a huge profit, and pay back the loans to the Fed. These well-connected individuals included John A. Paulson, Michael Dell, Christy K. Mack (wife of former Morgan Stanley CEO John Mack), Kendrick R. Wilson III (former Goldman executive and top aide to Hank Paulson Jr.), H. Wayne Huizenga (founder of AutoNation and Waste Management), Jonathan S. Sobel (head of Goldman’s mortgage department), etc. Some very wealthy people made a lot of money off the Fed’s bailout programs even as workers and the economy was in deep trouble.

Fed: https://wolfstreet.com/2020/03/26/helicopter-money-for-wall-street-federal-reserve-assets-balance-sheet/

Aus den Kommentaren unter dem Artikel (Joanne d’Arc): “I just read that inside the stimulus bill is a real estate tax deduction for the 1% who make over $500,000 per year that will cost the treasury $170 billion over 3 years. This will benefit Trump and his son in law Jared Kushner and billionaire real estate moguls who may not have to pay taxes over the next 3 years.” – und tatsächlich wird dieser Befund von Zerohedge bestätigt (hier).

Fazit: Auch wenn ich immer noch auf Hanlon’s Razor  („schreibe niemals einer Verschwörung zu, was sich auch mit Dummheit erklären lässt“) vertraue, so sind doch die ersten Beispiele für die Konsequenzen aus den wirtschaftlichen Rettungspaketen nicht unbedingt ermutigend. Zumindest das aktuelle Rettungsprogramm wird in den USA einige wenige Gewinner mit unglaublichen Margen produzieren. Sowohl diesseits als auch jenseits des Großen Teiches werden nicht wenige Menschen darauf schauen, wie gerecht die Lasten aus der sich abzeichnenden Katastrophe verteilt werden – und wer als (unberechtigter) Krisengewinner hervorgeht. Derzeit sehe ich deswegen eine noch viel größere „Dritte Welle“ (oder „Zieleinläufe“, s. dazu noch mal hier) auf uns zurollen, als die, die aus Corona und Rezession bestehen.

Historisch: 2010: Der Kernforschungsorganisation CERN gelingt es zum ersten Mal einen Protonen-Crash zu erzeugen. Hierbei werden die Verhältnisse, die wenige Sekunden nach dem Urknall herrschten, simuliert (Aus: https://de.wikipedia.org/wiki/30._M%C3%A4rz

Keep calm & carry on.

-tz 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert