Morning Briefing – 20. März 2020 – Konjunktur // Koma // Danach

Guten Morgen,

Selbst Herr Müller (das ist übrigens der Bürgermeister von Berlin) gibt jetzt den Söder (oder Macron für Arme), der mit markigen Worten („wir werden härter durchgreifen„) seine vorherigen Böcke vergessen zu machen sucht (s. nur hier).  Angesichts der nun ansteigenden Zahlen (13.957 Infizierte / 31 Tote (RKI)) erhöht die Politik den Druck auf die Bevölkerung, doch jetzt mal alle bitte vernünftig zu sein, sonst… (hier). Zum einen übersieht die Politik dabei geflissentlich, dass das RKI selbst ausführt, dass sich die Wirkungen von getroffenen Maßnahmen erst in zehn bis zwölf Tagen überhaupt zeigen werden (hier). Nimmt man z.B. als „Tag Null“ nur, Freitag, den 13. (März), dann dürften die ersten Auswirkungen auf Fallzahlen frühestens ab 23. März, eher wohl ab 27. März, zu sehen sein. Sprich, selbst wenn wir alle HEUTE nur noch in den vier Wänden bleiben, treten die Effekte erst so ab dem 6. April in Form von sinkenden Fallzahlen ein.

Anders herum formuliert: Vielleicht würde ja das bisherige Distancing schon ausreichen, um einerseits die Fallzahlen nicht so ansteigen zu lassen, dass unser Gesundheitssystem kollabiert und andererseits wir vor dem Jahr 2030 die erforderliche Durchseuchung (oder, was ich gestern gelernt habe „Herdenimmunität“, sehr guter Artikel dazu hier) erreichen. Zum anderen ist die Aussage „Der Samstag ist ein entscheidender Tag“ ja super, so an Genauigkeit fast nicht zu überbieten. Wie misst dann der „Kanzleramtschef“ bitte genau die Unvernunft „am Samstag“. Stichprobe am Kotti (Cottbusser Tor, für Nichtberliner)? Da kann er jetzt auch direkt zumachen und sich die Show sparen. Oder am Prenzl-Berg? Die Mitte-Hipster feiern sich doch jetzt schon ob ihrer tollen Show aus dem Home-Office bei „Insta“, die hamstern per Lieferando und gehen gar nicht mehr raus.

„Repräsentative Stichproben“ wäre doch vielleicht mal so ein Mindestanspruch, nicht nur politische Willkürentscheidungen. Dann schaun mer mal. Ich befürchte aber, dass unsere Politiker nunmehr dem Herdenverhalten erliegen (und ihre „Herde“ sind eher ihre „Peers“, sprich andere Politiker, denn der deutsche Michel) und  dem Beispiel Frankreichs folgen werden – und die Freizügigkeit grundsätzlich einschränken werden. Und dann schauen wir mal, für wie lange. Und dann schauen wir uns mal die Langzeitfolgen für die Grundrechte in Deutschland an.

Vorgestern Nacht zückte auch Frau Lagarde die zweite „Bazooka“ (hier, nachdem die erste wirkungslos verpufft war, s. hier), der DAX erholte sich gestern dann ein wenig, was das Hurrablatt der deutschen Wirtschaft gleich wieder zu der Aussage verleitete: „Dax im Plus: Fünf Gründe, warum die Zeit der massiven Kursverluste vorbei sein dürfte“ oder auch „Profi-Anleger denken bereits darüber nach, wo sie zukaufen können„. Zeigt mal wieder, warum  man dieses Blatt nicht ernster als die Bildzeitung nehmen sollte, denn einen längeren Zeithorizont hat die auch nicht.

Dagegen gibt es schon einige eher ernstzunehmende Stellungnahmen, was die längerfristigen Auswirkungen der Pandemie angeht:

Konjunktur: https://www.welt.de/wirtschaft/article206654525/Coronavirus-Oekonomische-Vollbremsung-verursacht-groessten-Einbruch-seit-1930.html

Das IfW Kiel prognostiziert aktuell einen Rückgang der deutschen Wirtschaftsleistung von 9% für 2020. Zum Vergleich: Im Krisenjahr 2009 ist die deutsche Wirtschaft „nur“ um 5,7% geschrumpft (hier). Das Wort „Vollbremsung“ wäre dann wohl treffend. Für eine solche Vollbremsung spricht auch der entsprechende Absturz des IFO-Geschäftsklimaindex (hier).

Koma: https://www.wiwo.de/politik/konjunktur/radikaler-corona-vorschlag-alle-vertraglichen-verpflichtungen-aussetzen/25656854.html

Radikaler Vorschlag meines Kollegen Andres. Der überblickt zumindest mal die Lage und kann – aus praktischer Erfahrung – die wirtschaftlichen Folgen einschätzen. Ich teile auch seine Ansicht, was das Fehlgehen der von Plisch & Plum in der letzten Woche angekündigten „Bazooka“ angeht (s. hier), die wird schlichtweg neben dem Ziel einschlagen. Aber ob ein „künstliches Koma“ der richtige Weg ist? Ich hatte ja gestern schon (hier) gemeint, dass ich mir die Folgen eines „wirtschaftlichen Kaltstarts“ gar nicht ausmalen kann.

„Plisch & Plum“ scheinen aber nun doch zu merken, dass Kredite an Krisenunternehmen alleine nicht ausreichen – gibt es doch scheinbar Pläne, jetzt doch einen Rettungsschirm von Euro 500 Mrd. zu spannen (hier).

Danach: https://www.horx.com/48-die-welt-nach-corona/

Wir werden uns wundern, wie weit die Ökonomie schrumpfen konnte, ohne dass so etwas wie »Zusammenbruch« tatsächlich passierte, der vorher bei jeder noch so kleinen Steuererhöhung und jedem staatlichen Eingriff beschworen wurde. Obwohl es einen »schwarzen April« gab, einen tiefen Konjunktureinbruch und einen Börseneinbruch von 50 Prozent, obwohl viele Unternehmen pleitegingen, schrumpften oder in etwas völlig anderes mutierten, kam es nie zum Nullpunkt. Als wäre Wirtschaft ein atmendes Wesen, das auch dösen oder schlafen und sogar träumen kann.

Ihre Worte in Gottes Ohr, Herr Horx….

Fazit: Prognosen sind ja immer schwer, besonders, wenn sie die Zukunft betreffen, um mal wieder mit Mark Twain zu kalauern. ABER: ich würde mal sagen, wir können wirtschaftlich einen Haken an 2020 machen. „Vier alle“ werden uns demnächst in Zwangsquarantäne begeben – in unterschiedlichen Stufen, aber auf jeden Fall nicht so, dass die Wirtschaft wieder anfängt zu laufen. Und dieser Zustand wird bestenfalls bis Ende April / Anfang Mai anhalten. Danach werden wir – so wie aktuell in China LANGSAM wieder hochfahren. Wenn es gut läuft, dauert das bis Juli. Und, glaubt dann ernsthaft jemand, dass wir im nächsten Moment dann die ganzen Autos nachkaufen, die Flüge nachholen oder als Unternehmen das nächste Großprojekt starten? Wer das glaubt, der glaubt auch dem Hurrablatt….

Historisch: 1968: In den USA wird vom US-Kongress per Gesetz die interne Golddeckung der amerikanischen Währung aufgehoben. US-Präsident Lyndon B. Johnson unterschreibt das Gesetz (Aus: https://de.wikipedia.org/wiki/18._M%C3%A4rz)

So, wie auch in den Vorwochen (hier und hier), so wünsche ich Ihnen auch wieder besonders ein erholsames Wochenende. Mittlerweile dürften wir alle wissen, dass die nächste Woche wieder viele Überraschungen bereit halten wird. Genießen Sie die blühenden Bäume – so lange Sie noch können.

Keep calm & carry on.

-tz 

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