Nach der „Rettung“ der First Republic Bank (FRB) durch JP Morgan (hier) und der Credit Suisse durch die UBS (hier) wurde es tatsächlich ruhig um die Bankenkrise in den USA – zumindest im Blätterwald (gute Zusammenfassungen der damaligen Situation hier und hier). Das war auch bei der Finanzkrise 2008 so, nachdem im März des Jahres die abstürzende Bear Stearns Investmentbank (von JPM (!), hier) gerettet wurde. Erst am 15. September – mit der Lehman-Pleite – erschien die Finanzkrise (wieder) auf der Bühne des Blätterwaldes. Aber damals wie heute gab es unter der (sozusagen Bühnen-) Oberfläche tektonische Verschiebungen, die sich im September Bahn brachen. Droht uns diesmal ähnliches Ungemach oder ist die Bankenkrise Schnee aus dem vergangenen Winter?
Relativ unbemerkt von der deutschen (Medien-) Öffentlichkeit wurde im Juli noch die kriselnde (hier) Regionalbank PacWest von einer anderen Regionalbank, der Banc of California, übernommen (hier). Auch stiegen die Kosten für eine Ausfallversicherung insbesondere von Kreditkarten-Banken stark an, wie das Beispiel von Capital One belegt (hier). Aber sonst kehrte im Sommer tatsächlich Ruhe ein (zur Entwicklung in Deutschland, s. unten).
Allerdings haben sich in den USA zwischenzeitlich zahlreiche der im letzten Post zu diesem Thema (erneut hier im FRB-Post) adressierten Themen weiterentwickelt, was nichts Gutes bedeutet: So hat die Fed die Zinsen weiter erhöht – den Leitzins auf nunmehr eine Spanne von 5,25 bis 5,5 Prozent (hier, s. bei mir auch hier zum Gesamtkontext der Inflations- und Zinsentwicklung). Während die Fed die im Zuge der Bankenkrise in den Markt injizierte Liquidität wieder rauszieht und ihren Prozess des Quantitative Tightening kontinuierlich fortsetzt (hier), hat die US-Regierung mittlerweile über 33 Billionen Dollar an Schulden angehäuft – wobei die Geschwindigkeit der Schuldenaufnahme (z.B. USD 40 Mrd. an einem einzigen Tag, hier mehr) beispiellos ist. Auf Grund des dementsprechend mittlerweile wieder sehr attraktiven Zinsniveaus US-amerikanischer Staatsanleihen (hier, was umgekehrt natürlich zu einem Crash am Anleihe-Markt führt, s. nur hier) hat sich der „silent Bank Run“ in den USA seit Mai ungebremst fortgesetzt (hier), was zu Liquiditätsengpässen gerade bei den mittleren Regionalbanken führt (hier). Die Stützungsgeschäfte der Fed führen wiederum bei ihr selber zu erheblichen Verlusten (hier).
Derweil sind bereits im Juni die Ausfälle bei Junk-Bonds auf neue Höhen geschnellt (hier) und die Unternehmensinsolvenzen (Chapter 11) in den USA steigen dementsprechend (hier). Diese Entwicklung trifft auch den US-Verbraucher, die Hypothekenzinsen in den USA gehen durch die Decke (hier), weswegen natürlich die Nachfrage nach Immobilien und damit der Preis einbricht (hier). Auch der Ausfall bei den Kredit-Karten-Schulden geht sozusagen „senkrecht (hier und hier). Insgesamt ist die Verschuldung in den USA in allen Bereichen (Staat, Unternehmen, Privatpersonen) seit der Finanzkrise, wohl auch wegen der extrem niedrigen Zinsen, stark angestiegen. Schon beim gegenwärtigen Zins-Niveau ist die Schuldentragungsfähigkeit in allen Sektoren zweifelhaft. So steht die derzeitige Staatsverschuldung in den USA bei über 122% des BIP, Tendenz weiter steigend (hier).
Für Deutschland besteht allerdings auch kein Grund zur Entwarnung – zwar ist die Relation zwischen BIP und staatlicher Verschuldung mit rund 66%, hier, (noch) besser, gleichwohl ist auch in Deutschland die Lage nicht allzu rosig: Wie Thomas Meyer bereits im Mai hier aufzeigte, besteht das Risiko, dass die Banken durch Abschreibungen auf die in ihren Büchern enthaltenen Immobilienwerten ihr Eigenkapital mehr als aufzehren. Tatsächlich mussten die deutschen Sparkassen wegen der Zinssteigerungen bereits Abschreibungen in Milliardenhöhe tätigen (hier). Dementsprechend warnten hellsichtigere deutsche Kommentatoren schon im Frühsommer vor einer Bankenkrise auch in Deutschland (hier und hier). Derzeit scheint die Lage aber nur bei den Newcomern N26 (hier) und Creditshelf (hier) kritisch zu sein. Es bleibt abzuwarten, ob die Lage angesichts der für Deutschland prognostizierten Rezession (hier) weiterhin so ruhig bleibt. Denn, um nur einen weiteren Punkt herauszugreifen, die 150 im DAX, MDAX und SDAX gelisteten Unternehmen waren bereits im Herbst 2022 insgesamt mit Euro 530 Mrd. verschuldet. Jeder Prozentpunkt (also 0,1% (!)) Zinserhöhung soll die Unternehmen laut Handelsblatt Research Institute zusätzliche Euro 5 Mrd. an Zinsen kosten – pro Jahr (hier)! Und schon mehrt sich die „anekdotische Evidenz“, dass es auch in Deutschland zu einer Kreditklemme kommen könnte (hier). Keine gute Nachricht auf jeden Fall für die Unternehmenszombies – nicht nur in Deutschland (hier).
Fazit: Das US-Finanzsystem wirkt derzeit nicht gerade stabil – man wird sehen, wie sich die Wirkung der Zinserhöhungen weiter durch das System frisst. Das Ende der „lockeren“ Finanzpolitik der Fed wird jedoch zu einem Teil durch die Schuldenorgie der US-Regierung konterkariert. Auch im Hinblick auf die Präsidentenwahlen im nächsten Jahr dürfte Mr. Biden eine Rezession vermeiden wollen, „whatever it takes“. Das Schicksal seines Vorgängers Jimmy Carter dürfte ihm Mahnung genug sein. Die Frage ist, ob er angesichts der aktuellen Situation eine Rezession wird tatsächlich vermeiden können. Allerdings könnte ihm die Fed ab Frühjahr/Sommer mit Zinssenkungen zur Hilfe eilen. Zinssenkungen dürften auch die US-Regionalbanken stützen. Der Preis für diese „Konjunkturglättung“ dürfte allerdings hoch ausfallen und spätestens ab 2025 zu bezahlen sein – egal, wer dann Präsident ist. Zumal die Fed die Leitzinsen wohl auch nicht mehr auf die vorherigen Tiefen absenken kann, will sie der „De-Dollarization“ effektiv entgegentreten (hier).
Im Gegensatz zur Situation im Ausgang der Finanzkrise, als China als damalige „Lokomotive der Weltwirtschaft“ ab 2010 auch die deutsche Wirtschaft wieder steil aus der Rezession herauszog, dürften die von Mr. Biden eingeleiteten Konjunkturmaßnahmen tatsächlich eher negative Wirkungen für die deutsche Wirtschaft zeitigen. Programme, wie die Inflation Reduction Act oder Chips sind – ganz nach Mr. Trumps „MAGA“ vorwiegend darauf gerichtet, die Wirtschaft in den USA zu stützen – und ausländische (sprich auch deutsche) Investoren an Land zu ziehen.
Selbst ohne ein Wiederaufflammen der Bankenkrise in den USA dürften die deutschen Banken aktuell insgesamt unter erheblichem Druck stehen. Gelingt es der Fed und der US-Regierung nicht, die US-Banken so geräuschlos wie möglich zu stabilisieren, dürften die entsprechenden Krisen-Effekte auch diesseits des Atlantiks zu spüren sein. Schnee von gestern ist die Bankenkrise also noch nicht.