Guten Morgen,
Nein, nein, die Überschrift stammt nicht von mir – sondern vom altehrwürdigen The Economist (hier, s. auch die kommentierende Zusammenfassung von Daniel Stelter hier). Nachdem der Economist ja schon entsprechend markige Worte zu Deutschland nach Frau Merkel („The mess Merkel leaves behind„, hier) und Wokeness („The threat from the illiberal left„, hier) gefunden hat, Grund genug, sich mal wieder mit Europa zu beschäftigen (zuletzt hier).
Italien: https://www.ft.com/content/49fb6a22-5552-4751-bdd7-eb34c67b6fac
https://www.ft.com/content/14a03110-bc70-4cac-8dd8-bc90cf083070
Wie, Italien wächst?
Wie, Griechenland will seine Schulden vorfristig zurückzahlen?
Euro-Stabilitätspakt: https://www.ft.com/content/ecbdd1ad-fcb0-4908-a29a-5a3e14185966
„We need to have more room for manoeuvre and enough key spending for the future and to ensure our sovereignty. Debt raised to finance such investments, which undeniably benefit the welfare of future generations and long-term growth, should be favoured by the fiscal rules, given that public spending of this sort actually contributes to debt sustainability over the long run.“ (Draghi/Macron)
„Macron and Draghi’s plan is ‘naive’ and ‘a fantasy’“ – John Turner
Der Euro-Stabilitätspakt wird reformiert – sprich in seiner Härte aufgeweicht werden. Soweit sind sich die meisten Kommentatoren schon einig. Nach dem Abgang von Herrn Weidmann dürfte sich dieser Prozess beschleunigen. Aber warum eigentlich, wo doch die Sorgenkandidaten Italien und Griechenland augenscheinlich Fortschritte machen? Frankreich, anybody?
EU-Rechnungshof: https://www.wiwo.de/politik/deutschland/kritik-des-rechnungshofs-wo-unser-geld-versickert/27739340.html
Nun ja, war ja zu erwarten, dass die Gelder auch in dunklen Kanälen versickern. Die Frage ist doch, ob die Kommission und die anderen EU-Institutionen aus diesen Fehlern lernen. Ich habe da so meine Zweifel – schon wenn ich mir die Generalkritik des Economist anschaue.
„Die EZB hat sich in ihre Retterpose verliebt“ (Gabor Steingart)
„Wir haben uns bei der Inflation verrechnet“ (Isabel Schnabel, EZB-Direktorin)
Selten haben zwei Überschriften die Hybris und die Unfähigkeit einer ganzen Institution besser zum Ausdruck gebracht, als die obigen. Die EZB hat ihren Pfad der Währungsstabilität schon lange vor Draghis „Whatever it takes“-Moment verlassen gehabt. Und die arroganten Äußerungen aus dem EZB Tower (z.B. von eben jener Frau Schnabel, die noch im September 2021 die Inflation als zu niedrig bezeichnete (bei mir hier kommentiert) und Kritik an der EZB als „unsachlich“ zurückwies (hier, s. auch meine Suada dazu hier), zeigen tatsächlich, wie selbstverliebt die EZB-Oberen sind. Aber angesichts zahlloser Mahnungen (man denke nur an Herrn Prof. Dr. Sinn oder Mr. El-Erian) nun zu behaupten, man habe sich „verrechnet“ lässt dann die Mr. Dunning und Kruger grüßen. Um es offen zu sagen: Wenn mein Sohn sich in der Schule verrechnet, dann ist das kein Bein ab. Wenn sich die EZB „verrechnet“, dann hat die gesamte Führung sofort abzudanken. Ich würde die Herren Sinn, El-Erian und Weidmann sofort als deren Ersatz nominieren.
Ampel: https://www.wiwo.de/downloads/27830022/8/koalitionsvertrag-2021-2025.pdf
„Die Ampel will den Bundesstaat Europa“ (Stuttgarter Nachrichten).
„Wir werden eine Regierung bilden, die deutsche Interessen im Lichte europäischer Interessen definiert. Als größter Mitgliedstaat werden wir unsere besondere Verantwortung in einem dienenden Verständnis für die EU als Ganzes wahrnehmen.“ (Koalitionsvertrag, S. 130)
Also, Deutschland als Diener eines Bundesstaat Europa. Gut. Werden sich die Herren Draghi und Macron sehr drüber freuen.
Fazit: Wie man auch an meinen Zwischenkommentaren sehen kann, teile ich die Auffassung des Economist, was europäische Institutionen angeht, vollumfänglich. Natürlich mit Ausnahme des EU-Rechnungshofes. Aber der ist, genau wie der Deutsche Bundesrechnungshof (s. bei mir hier) auf verlorenem Posten gegen eine derartige Führung.
Und dieses dysfunktionale Gebäude will die Ampel-Koalition ohne Aufgabenkritik zu einem „Bundesstaat“ erweitern? Zwar enthält der Koalitionsvertrag in Zeile 4497 auch den Hinweis „Die etablierten Instrumente der Haushaltssicherung werden wir stärken (OLAF, EPPO, Europäischer Rechnungshof).“ und im Folgeabsatz auch eine Aussage, dass die EZB doch bitte auf die Preisstabilität achten möge.
Im Endeffekt dürfte es aber auf einen Kuhhandel hinauslaufen: Deutsches Geld gegen Bundesstaat Europa. Damit geht deutsche Finanzkraft und deutsche Souveränität flöten – und zwar gleichzeitig. Das sollte man wissen. Aber der / die deutsche Michel*inne hat ja auch gerade Herrn Lauterbach auf den Thron gehoben – und ihn zum beliebtesten Politiker Deutschlands gekürt (hier). Da wird ihn / sie ein bisschen „Bullshit“ in Brüssel doch nicht von den ganz großen Projekten der Weltverbesserung abbringen. Oder?
Spruch des Tages: „Wer versucht, unter dem Banner der Klimapolitik oder dem der Menschenrechte einen Monolithen namens „Vereinigte Staaten von Europa“ zu schmieden, wird Streit säen und womöglich den Zerfall ernten. Europa ist vielfältig – oder gar nicht.“ – Gabor Steingart
Keep calm and carry on!
-tz