Morning Briefing – 3. April 2020 – Krankenhaus-Special

Guten Morgen,

Schöne, neue Nach-Corona-Welt – McKinsey und Roland Berger haben sie gerade entworfen (hier). Ich gebe den Damen und Herrn der Edelberatung zwar sowohl in der Analyse Recht, dass Reise- und Touristik als letztes wieder „hochfahren“ werden, dass die Digitalisierung vorangetrieben werden muss und dass die Lieferanten vielleicht nicht single-source irgendwo in Asien hocken sollten. Aber gerade beim letzten Punkt würde ich mal gerne Mäuschen in den Archiven dieser beiden „Top“-Berater spielen, die für -zig Milliarden Euro nämlich jahrelang das Lied des Outsourcing und der Verlagerung von Arbeitsplätzen (und aus nichts anderem bestehen ja „Lieferketten“) nach Asien gesungen haben. Aber, wie immer gilt, was interessiert mich der Schmarrn, den ich gestern erzählt habe…..

Werden wir auch gleich bei den Krankenhäusern sehen, die ich mir heute mal in einem Special anschaue. Denn die ganzen Aktionen „Stay at Home“ und „Flatten the curve“ sind ja nur erforderlich, um das Gesundheitssystem nicht wegen eines „Massenanfall von Infizierten“ kollabieren zu lassen. Das aber auch zumindest einzelne Krankenhäuser selber plötzlich zum gefürchteten „Super-Spreader“ werden können, belegt gerade eindrucksvoll ein Potsdamer Krankenhaus (hier). 

Übernahmen: https://www.handelsblatt.com/technik/medizin/gesundheitsbranche-krankenhauskette-asklepios-will-rhoen-klinikum-uebernehmen/25594170.html

https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/wirtschaft/minister-haben-fragen-zu-uni-klinik-giessen-und-marburg-16663989.html

Zu was wird die „Post-Merger Integration“ bei diesen beiden Kliniken wohl führen? Bestimmt zu mehr Arbeitsplätzen….. (ok, Sarkasmus aus).

Krankenhäuser: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/157049/umfrage/anzahl-krankenhausbetten-in-deutschland-seit-1998/

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/158869/umfrage/anzahl-der-aerzte-in-deutschland-seit-1990/

https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2019/juli/eine-bessere-versorgung-ist-nur-mit-halb-so-vielen-kliniken-moeglich/

https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/kritik-an-bertelsmann-zur-schliessung-jedes-zweiten-krankenhauses-16285806.html

Schaut man sich die Bettenentwicklung in deutschen Krankenhäusern seit 1998 an, dann zeigt die schlicht nach unten. Wäre es nach Herrn Lauterbach gegangen, der sich jetzt gerade wieder voll bei Corona einbringt (hier, obwohl er im Zweifel noch weniger praktisch-medizinische Erfahrung hat, als der umstrittene Herr Wodarg (s. dazu hier)), dann hätten wir jetzt nicht mehr die sagenhafte Zahl von über 29 Intensivbetten pro 100.000 Einwohner (hier), dann würden wir eher auch zivil auf Bundeswehr-Niveau rumkrebsen.

Was aber interessant ist, dass die Zahl der Ärzte in Deutschland seit Jahren kontinuierlich zunimmt. Die Frage ist also, warum wir einen Ärztemangel haben….

Bundeswehr: https://esut.de/2020/03/fachbeitraege/streitkraefte-fachbeitraege/19525/corona-pandemie-herausforderung-auch-fuer-die-bundeswehr/ (Danke Alex)

Es gibt 2020 keine nennenswerten, eingelagerten Reserven an Versorgungs- und Sanitätsmaterial, Notverpflegung, Betten, Wasseraufbereitungsanlagen, Transportnetzen, Fahrzeugen etc. Die Bundeswehr verfügt nicht mehr über 350.000 Soldatinnen und Soldaten, sondern 184.000. Die Wehrpflicht ist ausgesetzt und Hunderttausende im Territorialheer organisierte Reservisten, einschließlich einer Reservelazarettorganisation mit über 120.000 Betten und diversem Sanitätsmaterial, sind aufgelöste Geschichte. Es gibt heute fünf statt einstmals 14 Bundeswehrkrankenhäuser und weitere kritische Fähigkeiten, wie z.B. ABC-Abwehr oder Lufttransport, wurden stark reduziert.

https://de.wikipedia.org/wiki/Reservelazarettorganisation (Danke, Alex)

Mit der Auflösung des Territorialheeres 2001 entfielen die Territorialkommandos; die Reservelazarettorganisation wurde den vier aktiven Sanitätskommandos unterstellt. Nachdem seit Jahren Material aus den Depots abgesteuert und Mob-Beorderungen aufgehoben worden waren, wurde die Reservelazarettorganisation 2007 aufgelöst, weil „die alte Reservelazarettorganisation mit ihrer unbestrittenen Eignung zur Landesverteidigung für das neue Aufgabenspektrum der Bundeswehr nicht mehr geeignet ist“ (Kurt-Bernhard Nakath).

2007 war übrigens genau das Jahr, in dem die mittlerweile oft genannte Pandemie-Übung „Lük-Ex“ stattfand (s. dazu hier und hier).

Fazit: Mitten in einer der größten Krisenfälle, die Deutschland jemals erlebt hat, geht die „Financialisation“ im Krankenhaussektor in Form von „Mergern“ (noch?) ungebremst weiter. Sprich, Krankenhäuser werden auf Rendite getrimmt. Ich habe im Freundes- und Bekanntenkreis genug Ärzte, deren Schilderungen mich immer wieder erschaudern lassen, weil eben die Rendite – und sei es in Form von Kosteneinsparungen – im Vordergrund steht. An den verlorenen Kapazitäten der Bundeswehr wird deutlich, wie weit wir in Deutschland schon abgebaut haben. und es fehlen ja nicht nur die Betten, sondern auch das Personal. Und heute kann man eben nicht mehr auf Zivildienstleistende zurückgreifen. Die Frage ist, was für Lehren nach dieser Pandemie gezogen werden – und ich spreche hier nicht von irgendwelchen Lippenbekenntnissen von Politikern, sondern von der Material- und Personalsituation in fünf Jahren….

Historisch: 1849: Die Kaiserdeputation der Frankfurter Nationalversammlung bietet in Verfolgung der kleindeutschen Lösung dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. die deutsche Kaiserkrone an. Mit dessen Ablehnung des „Diadems aus Dreck und Letten“ scheitert die deutsche Einigung „von unten“ ebenso wie letztlich die Deutsche Revolution 1848/1849 (Aus: https://de.wikipedia.org/wiki/3._April)

So, und schon ist wieder Wochenende, sprich eine erneut ereignisreiche Woche liegt hinter uns. Ist das schon das „new normal“? Ich glaube es nicht. Wie immer: erholen Sie sich, tanken Sie Kraft! Ein schönes Wochenende!

Keep calm & carry on.

-tz 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert