Auf Grund der dynamischen Entwicklung des nun auch offiziell von der WHO als Pandemie eingestuften Corona-Ausbruchs (hier), ist es aktuell nicht möglich, „belastbare“ Zahlen bezüglich Infizierten, Kranken und Sterberate zu liefern. Ein Freund von mir (ja, Steffen, von dir ist die Rede), alt, weiß und mit Vorbelastung „gesegnet“, modelliert sich derzeit – ganz Naturwissenschaftler – einen Wolf an irgendwelchen Excel-Tabellen, mit denen er den Verlauf der Epidemie hochrechnet. Muss eine Art von morbider Faszination sein, aber ok, wie sagt Schatzi immer: „Jede Jeck is anders!“ Aber, auch wenn alle Zahlen derzeit mit Vorsicht zu genießen sind, so kann man auch als einfacher Blogger (und bekennender Nicht-Natur-Wissenschaftler) aus den bisherigen Entwicklungen in verschiedenen Ländern zumindest erste Hypothesen ableiten:
Aktuell variieren die Angaben zur „Letalitätsquote“ des Corona-Virus und reichen von 0,7% (hier, laut Herrn Prof. Dr. Drosten, s. aber auch hier) bis zu 3-4% („weltweit hat die WHO eine Sterblichkeit zwischen drei und vier Prozent errechnet.“, s. hier). Was stimmt denn nun? Möglicherweise beides, wie sich aus folgenden Betrachtungen ergibt:
Wie sich aus einem sehr guten Artikel der NZZ (hier) über das (zumindest bis jetzt erfolgreiche) Vorgehen gerade der Behörden in Südkorea und Vietnam gegen die Verbreitung des Virus ableiten lässt, lässt sich die Sterblichkeit vermutlich extrem verringern, wenn die (ab einem gewissen Zeitpunkt exponentielle) Verbreitung des Virus gestoppt und die dann verbleibenden Fälle mit schwerem Verlauf sehr gut medizinisch versorgt werden. Den vorgenannten asiatischen Staaten ist also scheinbar gelungen, die Beschleunigung der Verbreitung immer wieder zu unterbrechen, damit das exponentielle Wachstum immer wieder zu unterbinden und so eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern.
Diese ständige Unterbrechung von Verbreitungsketten dürfte in China zunächst nicht stattgefunden haben, auch im Iran (dazu hier) gerade nicht klappen und wird jetzt in Italien nach dem „Einstieg“ in das exponentielle Wachstum in Norditalien gerade nachgeholt – indem man das ganze Land unter Quarantäne stellt. Viel spricht dafür, dass sich das Virus in Italien zunächst unerkannt verbreitet und dann in die Phase eines exponentiellen Wachstums übergegangen ist (hier, allgemein zur Thematik des exponentiellen Wachstums sehr gut die SZ, hier). Und mit dem allgemeinen exponentiellen Wachstum steigen natürlich auch die Zahlen der schweren Erkrankungen – eben auch exponentiell. Und das führt dann zu einer Überlastung des Gesundheitswesens durch einen „Massenanfall von Infizierten“. Gleichzeitig dürften sich dann auch mehr Mitarbeiter des medizinischen Personals anstecken und die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssektors senken. Aus dieser „Triade des Grauens“ folgen dann höhere Sterblichkeitsraten, schon weil eine adäquate medizinische Versorgung der schweren Fälle dann nicht mehr möglich ist. So weit, so simpel.
Was bedeutet das für uns in Deutschland? Aktuell liegen die Infektionszahlen tief, sogar sehr tief. So tief, dass einige Abgeordnete des EU-Parlaments schon misstrauisch werden (hier). Aber auch, wenn man nicht an Verschwörungstheorien glaubt, ist die Frage, warum in einem so hochgradig global vernetzten Land, wie Deutschland, dass auch seine Grenzen nicht schließt, aktuell so geringe Fallzahlen vorherrschen. Eine mögliche Erklärung ist, dass es den Behörden – wie etwa in NRW – immer wieder gelingt, den „regionalen Exponentialismus“ zu durchbrechen und damit die Ausbreitung des Virus in Deutschland effektiv verlangsamen. Eine weniger schöne Erklärung wäre, dass die Deutschen ähnlich schlampig mit Tests verfahren, wie aktuell noch die USA und deswegen gerade unerkannt die „Welle“ losbricht.
Wäre dem so, dann würden wir mit den vorhandenen rund 28.000 Intensivbetten in Deutschland (hier) wohl ganz schnell ans Limit der gesundheitlichen Versorgung kommen (hier). Um mal Steffens Arithmetik zu zitieren: Ausgehend von 28.000 Intensivbetten, von denen 80% belegt sind, verbleiben 5.600 freie Betten, die für Corona-Schwer-Fälle genutzt werden können. Geht man von 15% schweren Fällen aus, so wäre die Kapazitätsgrenze bei ca. 37.000 Infizierten erreicht (der oben genannte SZ-Artikel argumentiert tatsächlich mit ähnlichen Zahlen, soweit also Chapeau, Steffen). Das dürfte bei einer ungebremsten Verbreitung des Virus Mitte April der Fall sein. In Italien ist das in einigen Regionen im Norden schon passiert und je nach regionalen Besonderheiten könnte das auch in Deutschland auch früher der Fall sein, s. nur das vielzitierte Beispiel NRW, wo sich das Virus Dank Karneval zunächst unerkannt ausbreiten konnte (guter Artikel dazu auch wieder in der NZZ, hier).
Ergo: Die Mortalitätsrate dieser Pandemie KANN möglicherweise sogar unter einem Prozent bleiben, wenn die Verbreitung des Virus verlangsamt wird (und ggf. später auch ein Impfstoff verfügbar ist). Kommt es dagegen zu einer ungebremsten Ausbreitung des Virus (=exponentielles Wachstum), dann wird die Mortalitätsrate auf Grund immer schlechter werdender medizinischer Versorgung immer stärker steigen – und kann dann, wie in den Krisenregionen Italiens – auch auf 6% und mehr anwachsen.
Was ist also zu tun? Händewaschen. Ok, check. Händeschütteln vermeiden. Ok, check. Meiden von Großveranstaltungen, um nicht ausversehen selber zum „Super-Spreader zu werden. Ok….? Reisen vermeiden. Ok….? Und da wird es jetzt interessant, denn die letzten zwei Punkte werden gerade von der Politik durchgesetzt, nicht immer zur Freude der Beteiligten. Siehe nur die reihenweise Absage von Großveranstaltungen. Aber angesichts der oben geschilderten, relativ simplen Mechanik wohl ein probates Mittel, um den gefürchteten Exponentialismus zu verhindern.
Und eins ist klar: Je heftiger der Ausbruch wird, um so heftiger werden die Gegenmaßnahmen der Politik ausfallen (MÜSSEN!). Italien sei dafür ein mahnendes Beispiel. Und damit muss ich (leider, denn ansonsten fällt er mir nicht durch eine besonders gute Politik auf) Gesundheitsminister Spahn (und Frau Merkel) Recht geben, der für die Bekämpfung des Virus auch an die Vernunft jedes Einzelnen appellierte, (hier, s. auch hier). Auch gerade, wenn die Corona-Welle tatsächlich nicht mit dem Beginn der wärmeren Jahreshälfte abflauen sollte (hier), wird es viel Geduld des Einzelnen bei der Selbstbeschränkung brauchen. Denn auch wenn Großveranstaltungen nun in Reihe abgesagt werden, der Einzelne kann ja noch reisen, etc. Und leider dürfte diese Selbstbeschränkung die wirtschaftliche Malaise noch verschärfen (s. dazu schon hier). Da werden auch die vielleicht sinnvollen Hamsterkäufe nicht viel helfen (s. dazu mal ein vernünftiger Kommentar der Tagesschau, hier).
Fazit: Nichts genaues weiß man nicht, aber als Zwischenstand kann man davon ausgehen, dass die Höhe der Sterblichkeitsrate beim Corona-Virus maßgeblich von der Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung abhängen wird – die aber wiederum nur bei einer langsamem Verbreitung aufrecht erhalten werden kann. Je höher die Beschleunigung ausfällt, je stärker muss und wird die Politik wohl auf die Bremse des öffentlichen Lebens treten – bis hin zu Ausgangsverboten. Damit aber wird sie den Krankheitsverlauf – möglicherweise nach zwischenzeitlichen starken Anstiegen bei Infizierten, Kranken und Toten – immer wieder „einbremsen“. Dieses Vorgehen wird – auch wenn es seinerseits starke Bremsspuren in der Wirtschaft hinterlassen wird – auf die Sicht eines Jahres durchhaltbar sein.