„Would I say there will never, ever be another financial crisis?
You know probably that would be going too far
but I do think we’re much safer and I hope that
it will not be in our lifetimes and I don’t believe it will be.“
Janet Yellen, 27.06.2017
Eigentlich war schon immer klar, dass die Aussage von Frau Yellen (die ich hier im Jahre 2020 auch schon entsprechend kommentiert hatte) nicht halten würde, was sie versprach. Dass es aber fast sechs Jahre dauerte, bis sie sich wohl als Fehlprognose entpuppt, spricht Bände.
Aber jetzt – mit der „Übernahme“ (dazu gleich mehr unten) der First Republic Bank durch JP Morgan (hier und hier) – könnte es so weit sein: eine neue Finanzkrise könnte tatsächlich vor der Tür stehen: Die von den Zentralbanken der westlichen Welt zur Bekämpfung der Inflation erst viel zu späten, dann dafür aber viel zu schnellen und zu starken Zinserhöhungen übersteigen die Anpassungsfähigkeit zahlreicher Banken. Zwar zeigt JP Morgan mit seinem Rekordgewinn (hier), dass man auch im derzeitigen Szenario Gewinne erzielen kann. Eine große Zahl von Banken hatte es sich allerdings in der Niedrig-Zins-Politik der Zentralbanken „gemütlich“ gemacht und wurde eiskalt von den „unintended consequences“ der Zinserhöhungen getroffen. Die ersten Banken hatte es in den letzten Wochen schon erwischt – Silicon Valley Bank, Signature Bank und Silvergate in den USA und dann die Credit Suisse in Europa (näheres dazu bei mir hier und hier).
Am Wochenende folgte nun die seit Wochen in der Krise befindliche First Republic Bank (FRB), eine kalifornische Regionalbank (näher hier) mit desaströsen Geschäftszahlen (hier). Auf Grund dieser desaströsen Geschäftszahlen wurde spätestens in der letzten Woche klar, dass die Bank nicht überlebensfähig war. Wohl um der Abwicklung zumindest den Anschein einer geordneten „Übernahme“ zu geben und so weitere Spekulationen über Banken- und Finanzkrisen den Boden zu entziehen, dürfte ausgerechnet die mit einem Rekordergebnis gesegnete JP Morgan von der Fed und der SEC verdonnert worden sein, die strauchelnde FRB zu übernehmen (s. näher auch hier).
Könnte es das jetzt somit nicht gewesen sein?
Eher wohl nicht. Selbst wenn man dem aktuellen „Bank Bankruptcy Bingo Chart“ (hier) wegen fehlender Seriosität nicht allzu viel Bedeutung beimessen sollte, deuten doch einige Indize-Verläufe und konkrete Ereignisse auf weitere Probleme bei Banken und Finanzierern hin: Nach wie vor läuft in den USA ein „Silent Bank Run“ (hier), sprich, Gelder werden aus den nicht oder niedrig verzinsten Bankkonten in höher verzinsliche Anlagen, wie z.B. Geldmarktfonds, umgeschichtet. Preise für Credit-Default-Swaps (CDS), also einer Absicherung gegen eine Pleite, gingen z.B. für die vorwiegend im Kreditkartengeschäft tätige Capital One durch die Decke (hier). Ein Büro-Immobilienfonds von Brookfield ist Mitte April ausgefallen (hier), was durchaus als ein Krisensignal dahingehend verstanden werden kann, dass die Immobilienkrise in den USA (s. zur aktuellen Entwicklung hier) auf den Bankensektor überspringt.
Im Zuge der (nur mäßig verschleierten) Pleite der SVB hatte die Fed zwischenzeitlich zwar ihre Politik des Quantitative Tightening, also des Absaugens von Liquidität aus dem Markt ausgesetzt und erneut zusätzliche Liquidität ins System gepumpt (hier), aber seitdem scheinbar wieder Liquidität aus dem System genommen (hier). Das verschleiert allerdings(wie übrigens auch in Europa, s. bei mir hier), dass tatsächlich immer mehr Geld im System zirkuliert: Denn die US-Regierung hat alleine seit 2020 über sieben Billionen Schulden zusätzlich angehäuft (hier). Sprich, der Teufel wird gerade mit dem Beelzebub ausgetrieben. Oder wurde, denn die Banken reagieren auf die Verknappung des billigen Geldes von Seiten zumindest der Fed und verschärfen die Bedingungen für die Kreditvergabe – was wohl zu einem „Credit Crunch“ führt (hier). Die Verknappung von Kredit wird – dazu muss man kein großer Prognostiker sein – ihrerseits negative Auswirkungen auf die volkswirtschaftliche Entwicklung in den USA haben. Die Frage ist, ob die US Fed den Pfad der Inflationsbekämpfung angesichts möglicher weiterer Bankenkrisen und negativer wirtschaftlicher Entwicklung weiter beschreiten kann und wird. Zwar werden die Zentralbanken wohl zu Recht als Verursacher der aktuellen Hochinflationsphase angesehen (hier, sehr lesenswert), aber gleichwohl spricht einiges dafür, dass gerade die Fed der Finanzstabilität Vorrang vor der Inflationsbekämpfung einräumen wird (hier, ebenfalls sehr lesenswert).
Dies möglicherweise auch auf Druck von einer anderen Seite: Selbst wenn es derzeit (noch?) streitig ist, ob der Prozess der „De-Dollarization“ tatsächlich stattfindet (pro hier, contra hier), so dürfte Fed-Präsident Powell doch die aktuelle Initiative der BRICS-Staaten zur Abwicklung ihrer jeweiligen Handelsaktivitäten jenseits des Dollars bzw., etwa zusammen mit Saudi Arabien, eine eigene Reservewährung aufzubauen (hier), doch zu denken geben. Denn ohne den Status als Reservewährung dürfte es den USA schwer fallen, ihren aktuellen Schuldenstand aufrecht zu erhalten. Wohl in Kenntnis dieser Umstände ist Nouriel Roubini denn auch eher skeptisch, dass man in den USA noch Preis- und Finanzstabilität bei gleichzeitigem Wachstumsimpuls gewährleisten kann (hier). Mr. El-Erian scheint zur Lösung dieses – auch nach seiner Ansicht durch die Fed selbst verursachten – Trilemmas der Akzeptanz einer erhöhten Kerninflation das Wort zu reden (hier, die Konsequenzen beleuchtet Wolf hier sehr kritisch). Nun ja. Zweifel erscheinen angesichts der deutschen Geschichte im Umgang mit der Inflation angebracht. Aber auch eine „soft landing“, also eine rezessionsvermeidende („weiche“) Landung der US-Wirtschaft, wie sie von Frau Yellen immer noch als möglich angesehen wird, erscheint wohl zu Recht als eher unwahrscheinliches Szenario (hier).
In Europa ist die Abwendung einer Bankenkrise ebenfalls nach wie vor alles andere eine sichere Sache: Zum einen gingen zwischenzeitlich die Preise für CDS der UBS (die ja gerade die Credit Suisse übernommen hat), ebenfalls „senkrecht“ (s. Chart hier, genau so, wie die für die Deutsche Bank, hier, deren Aktien entsprechend auf ein Drei-Jahres-Tief fielen, hier). Zum anderen sieht die spanische Santander-Bank nicht so gesund aus (hier). Die EZB reagierte – ähnlich wie die Fed – mit einer erneuten Ausweitung der Geldmenge (hier) – mit wahrscheinlich ähnlichen Folgen und Fragen, wie in den USA.
Fazit: Auch wenn drei (US-) Bankenpleiten tatsächlich noch keine Finanzkrise machen, stehen die Zeichen auch nach dieser „Rettung“ einer Bank durch eine andere Bank alles andere als auf Ruhe. Denn selbst wenn rein rechtlich gesehen eine Insolvenz vermieden wurde, so geschah dies nur zu dem Preis der Verstärkung eines Grundübels, das schon zur GFC in 2008 führte: Durch die Übernahme der FRB ist JPM weiter gewachsen und jetzt noch „too bigger to fail“. Sollte JPM also die Marktentwicklung in der Zukunft mal ähnlich falsch prognostizieren, wie jetzt richtig, könnte alleine deswegen eine teure Bankenkrise drohen.
Aber selbst wenn dieses „Konstruktion“ hält, haben sich Inflation, hohe Verschuldung bei hohen Asset-Preisen in wenig zukunftsträchtigen Bereichen (Büro-Immobilien) bei gleichzeitigen Versuchen der Fed (und parallel der EZB), Liquidität aus dem Markt zu ziehen, zu einer explosiven Mischung verdichtet, bei der zumindest kleinere Explosionen eher normal denn ausgeschlossen erscheinen. Diese an sich schon explosive Mischung wird durch die Abspaltungsbemühungen der seit der Finanzkrise (mit Ausnahme Russlands) erstarkten und mittlerweile sehr selbstbewusst auftretenden BRICS-Staaten noch von außen weiter unter Druck gesetzt.
Vor diesem Hintergrund dürfte das obige Zitat von Frau Yellen in den nächsten Jahren historisch ähnlich einsortiert werden, wie z.B. die Aussage von Herrn Bill Gates aus dem Jahre 1993, wonach das Internet nur ein Hype sei (hier). Neben einer gewissen Hybris deutet dieses Zitat der ehemaligen Fed-Chefin aber auch auf ein Problem von Checks and Balances hin: die für die Preis- und Finanzstabilität zuständige US Federal Reserve Bank betreibt auch Bankenregulierung. Und damit handelt die Fed praktisch im Dauer-Konflikt mit sich selber (s. dazu die kritische Würdigung bei Wolf hier). Die Situation in Europa ist übrigens ähnlich – die EZB ist auch für die Überwachung der großen europäischen Banken zuständig. Die Frage ist, ob dies nicht der große weiße Elefant im Raum ist.