Morning Briefing – 21. Februar 2022 – Sicherheitslage – am „Vorabend“ eines weiteren Krieges?

Guten Morgen,

Ich hoffe, dass ich jetzt nicht jede Woche mit einem Post zur Sicherheitslage beginnen muss. Allerdings hat sich die Lage seit meinem letzten Post vor einer Woche (hier) „dynamisch entwickelt“, wie man so schön sagt – insbesondere in Bezug auf die Ukraine, weswegen ich mich heute auch auf diese konzentriere. Tut mir , leid, dass ich Ihnen gleich zum Wochenanfang den nachfolgenden „Link-Salat“ serviere, aber ich liefere im „Fazit“ unten auch gleich den „roten Faden“ dazu:

Osterweiterung: https://news.gaborsteingart.com/online.php?u=2mbECqf24855

https://www.spiegel.de/ausland/nato-osterweiterung-aktenfund-stuetzt-russische-version-a-1613d467-bd72-4f02-8e16-2cd6d3285295

Pünktlich zum Konflikt vermeldet der Spiegel, dass es anlässlich der Wiedervereinigung ein Versprechen gegeben habe, dass die Nato sich nicht östlich der Elbe ausbreiten würde. Mal abgesehen davon, dass sich dieses Versprechen nur in einer Aktennotiz eines deutschen Diplomaten, nicht jedoch in einem Vertragstext wiederfindet, stellt sich die Frage, wieso das eine rechtliche Begründung dafür sein soll, jetzt die UKR anzugreifen. Aber gut, ich bin ja auch  nur ein doofer Blogger.

Viel gewichtiger erscheint die Darstellung der Osterweiterung der Nato durch Herrn Steingart. Denn ausgehend von dieser Darstellung kann man sich schon eine gewisse Angst vor „Umzingelung“ seitens Russland vorstellen. Ob man damit aber den Angriff auf die UKR begründen kann, würde ich mal bezweifeln.

„Minsker Abkommen“: https://www.nzz.ch/international/ukraine-souveraen-oder-dauerhaft-unter-russlands-einfluss-ld.1669719

Gute Darstellung des „Waffenstillstandes“ von 2015. Dem Westen gelang es, mit dem damals mit heißer Nadel gestrickten Übereinkommen, ein weiteres Vordringen der „Separatisten“ zu verhindern. Mehr ist aber seit dem auch nicht passiert. Man hatte halt wichtigeres zu tun.

Schlamm: https://www.economist.com/the-economist-explains/2022/02/07/will-ukraines-muddy-ground-halt-russian-tanks

Ich hatte es ja schon letzte Woche vermeldet, The Economist nimmt es jetzt auf: Der Klimawandel, bzw. der deswegen fehlende Frost als Hinderungsgrund für einen Krieg?

Nordstream2: https://www.ardmediathek.de/video/monitor/dubiose-netzwerke-russlands-treue-spd-genossen/das-erste/Y3JpZDovL3dkci5kZS9CZWl0cmFnLTI1NjI3N2I5LTY1YTAtNDEwNC1iMTJiLTBkNGMxNGMyNTE3OQ/

https://www.t-online.de/nachrichten/id_91670370/nord-stream-2-korruptionsbekaempfer-machen-manuela-schwesig-schwere-vorwuerfe.html

https://www.welt.de/politik/deutschland/article236949955/Schwesig-Nord-Stream-2-Intransparenz-wie-in-undemokratischen-Staaten.html

https://m.tagesspiegel.de/politik/vorwuerfe-gegen-umstrittene-gasstiftung-gazprom-name-fehlt-im-transparenzregister/28079338.html?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F

Meine Fresse, das hatte ich ja gar nicht auf dem Schirm….

Cyber: https://www.nzz.ch/technologie/was-der-ukraine-drohen-koennte-wenn-russland-einen-cyberangriff-startet-ld.1668640

Reiht sich ein in meine entsprechenden Warnungen. Wundere mich, dass wir hier in D noch keine Cyber-Aktivitäten sehen….

Intel: https://www.focus.de/politik/ausland/war-alles-nur-ein-bluff-was-ein-ehemaliger-bnd-top-mann-ueber-putins-abgesagten-krieg-denkt_id_54539411.html

Jenseits des Inhalts vermittelt das Interview mit dem BND-Mann die Art des „Critical Thinking“ im Nachrichtenwesen.

„The Day after“: https://www.foreignaffairs.com/articles/ukraine/2022-01-21/day-after-russia-attacks

https://www.welt.de/politik/ausland/article237025411/Ukraine-Konflikt-Gezielte-Toetungen-und-Entfuehrungen-bei-Einmarsch-in-Ukraine.html

Die trockene Analyse des potentiellen Vorgehens Russlands bei einem Angriff und für die Zeit danach durch Foreign Affairs lässt einen fast noch mehr erschauern, als die Warnung vor den (erwartbaren) Todeslisten. 

Wirtschaft: https://www.linkedin.com/posts/gennadii-vasylkivskyi-33b638116_ukraine-europe-educatedpeople-activity-6898176715689209856-c8oG/

Für alle die, die sich wundern, warum ein Land mit dem BIP wahlweise der iberischen Halbinsel oder Italiens nach der UKR greift. Russland würde damit schlicht seine Wirtschaftskraft stärken. Mag manchen als absurde Idee erscheinen, aber Kriege werden durchaus auch aus wirtschaftlichen Gründen geführt.

Russland: https://www.handelsblatt.com/politik/international/ukraine-krise-russen-zwischen-wut-und-angst-gefuehl-die-enttaeuschung-wird-gross-sein-wenn-es-nicht-zum-krieg-kommt/28075866.html

https://scilogs.spektrum.de/gedankenwerkstatt/kaum-wahrgenommen-russlands-langzeitstrategie/

Es wäre auch möglich, dass Russland gleichzeitig mit der Ukraine das sehr viel kleinere Georgien einnimmt, und einige der zentralasiatischen Republiken zu einem Unionsvertrag nötigt.Die baltischen Staaten und Aserbaidschan stehen erst einmal nicht auf der Einkaufsliste. Sollte Putin dieser Coup gelingen, wäre sein Ansehen in Russland so groß, dass er nahezu unantastbar würde. Die westlichen Sanktionen wären ihm eher gleichgültig, weil sie nur kurzfristig wirken, während er in historischen Zeiträumen denkt.“ (Scilogs)

Russen zwischen Wut und Angst: „Gefühl, die Enttäuschung wird groß sein, wenn es nicht zum Krieg kommt““ (Handelsblatt)

Frieden: https://www.focus.de/politik/ausland/ukraine-krise/gastbeitrag-von-gabor-steingart-zu-laut-um-gehoert-zu-werden-in-diesem-satz-haben-usa-die-friedensbotschaft-versteckt_id_56960898.html

USA bereit zum Abzug von Nato-Soldaten von der Ostflanke? Hm.

Deutschland: https://www.welt.de/politik/ausland/plus237029733/Deutschland-verhindert-militaerische-Ausbildungsmission-fuer-Ukraine.html

https://www.cnbc.com/2022/02/19/ukraine-olaf-scholz-says-west-must-keep-russia-guessing-on-sanctions.html

https://www.welt.de/politik/deutschland/article237026213/Russland-Ukraine-Konflikt-Lambrecht-warnt-vor-Kapazitaetsgrenzen-der-Bundeswehr.html

Deutschland hat es scheinbar noch nicht mal geschafft, die versprochenen 5.000 Helme zu liefern (hier), verfügt selber scheinbar über nicht genug Panzerabwehrwaffen und sperrt sich gegen eine Lieferung alter DDR-Artillerie an die UKR  (hier). Eine Ausbildung der UKR-Kräfte wird scheinbar genau so boykottiert, wie Sanktionsandrohungen gegen Russland. Und die Stationierung von 1.000 deutschen Soldaten in Litauen könnte Frau Lambrecht an ihre Grenzen als Verteidigungsministerin bringen. Nun gut.

Fazit: Obwohl die Amerikaner möglicherweise mehr Zugeständnisse signalisieren, als uns Europäern lieb sein dürfte, scheint das „Drehbuch des Krieges“ in der Ukraine schlicht weiter abzulaufen. Aus den mir vorliegenden Informationen – deren Seriosität ich nicht überprüfen kann – schließe ich, dass Russland nicht nur dabei ist, seine Truppen in Angriffsformation  (z. B. hier), sondern auch, den Narrativ für den eigenen Angriff („wir wurden von UKR angegriffen“, hier) in Stellung zu bringen.

Scheindiskussionen, wie die um das angeblich versprochene Unterlassen der Osterweiterungen wie auch die scheinbare Umzingelung Russlands verdecken, dass die Länder, die seit dem Fall des Eisernen Vorhangs der Nato beigetreten sind, dies aus freien Stücken getan haben, wohingegen Russland die Krim völkerrechtswidrig annektierte. Ähnliches gilt für die Unterstützung der „Separatisten“ in der Ostukraine. Die potentielle Strategie Russlands wird in den deutschen „Leitmedien“ viel zu wenig thematisiert.

Neben dem Schlamm (und den erst gestern endenden olympischen Spielen) könnte ein Grund sein, warum sich Herr Putin bislang noch nicht für einen Angriff entschieden hat, dass Herr Biden ihm (natürlich entgegen der deutschen Souveränität) klar gemacht hat, dass im Falle eines Angriffs von RUS auf die UKR die Nordstream2-Pipeline vor dem Aus stehen würde (hier). Die nunmehr ans Tageslicht kommenden Strukturen des Pipeline-Projekts sprechen für bewusste Verschleierungsversuche seitens der deutschen Staatsführung. Vor diesem Hintergrund hat sich Herr Putin möglicherweise der Hoffnung hingegeben, dass er beides haben kann – den Einmarsch in die UKR und Gelder aus dem Betrieb der Pipeline. Mit seiner Warnung hat ihm Joe Biden zumindest diesen Zahn gezogen. Zumindest eher, als mit der verklausulierten Andeutung seines Außenministers, man könnte ja über einen Abzug von Nato-Truppen von der Ostflanke diskutieren. Sollte die Vermutung SciLogs in Bezug auf die Ziele von Herrn Putin zutreffen, dürften aber diese kleinen Nadelstiche keine tatsächlichen Auswirkungen auf das Vorgehen Russlands haben.

Ich selber glaube seit Dezember 2021, dass Herr Putin die UKR angreifen wird, bzw. mittlerweile im Abarbeiten des Operationsplans begriffen ist. Die hiesigen Diskussionen von Politikern und Journalisten (die möglicherweise noch in den Argumentationsmustern zu Corona stecken) sind für mich mittlerweile eher Belege für den sog. „Normalcy Bias“ oder auch „Kognitive Dissonanz„, denn an der Thematik orientierte Argumentationen. Gerade angesichts der (wohl unstreitigen) Meldungen, dass Herr Putin mindestens 130.000 Soldaten an der Grenze zu UKR aufgeboten hat, seine Truppen nicht aus Belarus abzieht (hier) und am WE Tests mit Atomwaffenfähigen Raketen durchführen wollte (hier). Diesen „Muskelspielen“ Russlands hat die Nato zwischenzeitlich die Entsendung einer Verstärkung der „Enhanced Forward Presence“ (hier) sowie einer Verkürzung der Vorwarnzeit der „NRF“ (hier) „entgegengesetzt“. Alleine, diese Verbände gegen einen russischen Angriff einzusetzen, würde noch einmal Wochen dauern. Sprich, die gut 200.000 Soldaten der UKR (hier) sind auf sich alleine gestellt, sollten die Russen tatsächlich angreifen. Angesichts dieser Ausgangslage dürfte Herr Putin möglicherweise auch innenpolitisch große Probleme bekommen, wenn er jetzt noch „zurückrudert“.  Aber selbst wenn er noch zurückrudern sollte, die westlichen Alliierten dürften sich das Verhalten der Deutschen nicht nur in dieser Frage merken. Keine gute Ausgangslage für Deutschland – so oder so nicht.

Spruch des Tages: „Western elites are badly trying to cling to a world that vanished years ago. We are in an age where we will have to make sacrifices and fight for our existence. No one wants to admit the party is over“ – Paul Massaro (Twitter).

Keep calm and carry on!

-tz 

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