Guten Morgen,
China ist in aller Munde und angesichts der Vorfälle um Evergrande (sogleich unten) kann ich mich dem Thema auch nicht entziehen, so dass ich heute mal ein etwas vorgezogenes China-Special bringe (zuletzt hier).
Evergrande: https://www.cashkurs.com/wirtschaftsfacts/beitrag/evergrande-die-lage-spitzt-sich-zu
https://www.xing.com/news/insiders/articles/evergrande-mehr-als-ein-sack-reis-in-china-4277633
Mit Evergrande hatte ich mich hier schon beschäftigt. In der letzten Woche dann nahm der Verfall dieses Immobilienentwicklers Geschwindigkeit auf. Und natürlich kam die Frage auf, ob das jetzt der chinesische „Lehman-Moment“ ist. Gut, die Presse ist durch den Wahlkampf eh etwas gepuscht. Aber man sollte vielleicht doch etwas näher prüfen, bevor man solche „Trigger-Words“ herausposaunt: Lehman ist mit Schulden von USD 650 Mrd. koppheister gegangen (hier) – Evergrande nur mit USD 300 Mrd. Aber das ist nicht der wichtigste Unterschied: Lehman war eine BANK, die zudem mit hohen Beträgen im CDS-Markt zockte. Evergrande ist ein Immobilientwickler, der sich schlicht verzockt hat. Allerdings gibt es – zumindest laut Wolf – noch drei andere Immobilienentwickler, die sich in einer kritischen Lage befinden. Mehren sich derartige Fälle tatsächlich, dann wäre schon das – genau – eine Kettenreaktion, die in der Folge natürlich eine Finanzkrise auch in China auslösen könnte. Alleine, mir fehlt angesichts der Mittel der chinesischen Staatsführung der Glaube daran. Insoweit empfehle ich die Lektüre von Wolfs Artikel – dessen Ansicht ich teile. Mal schaun, wie es ausgeht.
Wachstum: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/china-aussenhandel-105.html
Bei der Frage nach dem chinesischen Wirtschaftswachstum muss man echt aufpassen, nicht nur auf einzelne Parameter zu schauen – was die obigen Artikel allesamt tun – und dann auf die Gesamtlage zurückzuschließen. Kurz vor Ende des dritten Quartals schwächelt zwar (coronabedingt) der private Konsum und auch die Produktionszahlen lassen wohl noch Wünsche offen – aber der Außenhandel läuft scheinbar extrem gut. Und der wird auch in nächster Zeit auf Grund der Knappheiten bei vielen (aus China stammenden) Vorprodukten – sozusagen als andere Seite der Medaille – auch wohl nicht abfallen. Das chinesische Wirtschaftswachstum dürfte also mindestens mal „solide“ sein – mit Werten, von denen westliche Wirtschaften nur noch träumen können.
https://www.wiwo.de/regulierung-china-gaengelt-tech-konzerne/27607846.html
Die chinesische Staatsführung greift immer häufiger und immer tiefer in die freiheitliche Bewegungsfreiheit gerade großer chinesischer Tech-Konzerne ein. Das scheint zum einen eine Machtdemonstration gegenüber den doch etwas zu selbstbewusst auftretenden Tech-Milliardären zu sein, zum anderen aber auch der sozialen Befriedung zu dienen, denn die Vermögensentwicklung in China scheint derzeit eher nach Manier des Manchester-Kapitalismus zu laufen. Und derartige Ungleichgewichte können zur Unzufriedenheit der „einfachen Bürger“ führen – und da scheint man den Anfängen wehren zu wollen. „Allgemeiner Wohlstand“ scheint die oberste Prämisse zu sein (hier).
Fazit: Es braucht schon mehr, als ein Evergrande, um China in Probleme zu stürzen, um mal die Überschrift aufzunehmen und abzuschließen. Ich habe derzeit eher den Eindruck, dass China (ähnlich Russland, s. dazu zuletzt bei mir hier) derzeit „seine Hausaufgaben“ macht, sprich Probleme aufräumt, bevor sie zu Krisen werden, um so noch gestärkter nach außen (Taiwan, anybody?) auftreten zu können. Wäre natürlich ein Treppenwitz der Geschichte, wenn beim Aufräumen doch aus Versehen plötzlich das große Chaos losbrechen würde. Allein mir fehlt derzeit der Glaube.
Spruch des Tages: „China ist ein schlafender Löwe, laßt ihn schlafen! Wenn er aufwacht, verrückt er die Welt!“ – Napoleon I. Bonaparte
Keep calm and carry on!
-tz