In eigener Sache: „2022 – Cassandras Blick in die Glaskugel“

You never cure structural deficits,
the system corrects
itself by collapsing“

Nassim Nicholas Taleb

Nunmehr zum fünften Mal (s. zu den Jahren 2020 / 2021 hier und hier) durfte ich meine Jahresprognose für das laufende Jahr in der ZInsO veröffentlichen, dem Verlag und den Schriftleitern sei es gedankt. Denn die (Lese-)Kost dürfte manchem Leser sowohl von der Länge, als auch von den konkreten Prognosen her ziemlich schwer im Magen liegen.

So prognostizierte ich (das Manuskript hat den Stand 31. Januar 2022):

Russland wird in der Ukraine wahrscheinlich im Laufe des Jahres 2022 ein „halb-offensives“ Szenario verfolgen und „lediglich“ in den bereits von „Separatisten“ kontrollierten Teil des Donbass einmarschieren.

Selbst mit dieser – aus damaliger Sicht noch eher provokanten – Prognose lag ich, wie wir bereits jetzt wissen, nur „halb richtig“. Bekanntlich ist Russland zu einer umfassenden Eroberung der Ukraine angetreten und die ganze Brutalität des Krieges entfaltet sich vor unser aller Augen.

Gleichwohl dürfte die – nicht gerade vor positiven Prognosen überfließende – Prognose im Grundsatz Bestand haben: So stieg bereits vor dem Krieg gegen die Ukraine die Inflation erwartungsgemäß so weit und so schnell an, dass die US-Fed ihre „Zinswende“ genau so erwartungsgemäß vorzog. Die Effekte dieses Zinsanstiegs sind nun schon zu beobachten und werden auf ein kriegsbedingt sowieso schon rezessives Szenario treffen. Die Notenbanken haben sich über die Jahre durch ihre ultralockere Geldpolitik selber in eine Sackgasse manövriert, aus der sie jetzt nicht mehr herauskommen.

Vor diesem Hintergrund melde ich am Ende des Artikels meine Zweifel an, ob Deutschland ohne wirtschaftliche und finanzielle Probleme durch diese (weitere) Krise kommen kann:

Wird gerade Deutschland inmitten dieses Bruchs die ihm von der „Ampel“ auferlegte „Transformation“ vollziehen (können und wollen)? Zweifel daran sind angebracht, nicht nur weil die neue Regierung unerfahren ist, allerdings zutiefst dogmatisch anstatt pragmatisch agiert. Die neue Regierung wird schnell realisieren müssen, dass sie sich mit ihrer Politik zumindest international nicht unbedingt beliebt macht, will sie Probleme wirklich lösen. Aber auch die deutsche Bevölkerung und Wirtschaft droht, mit ihrer bisherigen risikoaversen „Vollkaskomentalität“ angesichts der kommenden Realität weit über 2022 hinaus überfordert zu sein.

Wir leben in anderen Zeiten, zumindest das ist sicher.

„2022 – Cassandras Blick in die Glaskugel“, ZInsO 2022, 385
(Sende ich dem geneigten Leser gerne auf Anfrage zu)


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