Morning Briefing – 3. November 2021 – Bastardökonomie – warum die „Wirtschaft“ mit den Linken….

Guten Morgen,

So, nachdem sich der Träger des sog. „Wirtschaftsnobelpreises“ Josef Stieglitz und der Historiker Adam Tooze in der Zeit (hier) gegen Herrn Lindner als Finanzminister ausgesprochen haben, wird es Zeit (ja, ja, Schenkelklopfer, ich weiß) mal ein paar Positionen gerade zu ziehen: 

Bastardökonomiehttps://www.perlentaucher.de/buch/gabor-steingart/unser-wohlstand-und-seine-feinde.html

https://news.gaborsteingart.com/online.php?u=2mbECqf18050

https://www.focus.de/politik/experten/gastbeitrag-von-gabor-steingart-die-ezb-hat-sich-in-ihre-retterpose-verliebt-das-birgt-7-grosse-risiken_id_24387168.html

Herr Steingart arbeitet sehr gut das monetäre „New Normal“ heraus, in dem wir uns spätestens seit Herrn Draghis legendärem „Whatever it takes“ im Jahre 2012 befinden und bezeichnet es wenig schmeichelhaft als „Bastardökonomie“. Und ich teile seine Ansicht, dass die EZB sich selber in eine Sackgasse manövriert hat. Allerdings scheint die EZB das nicht zu begreifen, sondern stattdessen zu meinen, durch ständige Expansion des eigenen Mandates den Weg ins (grüne) Paradies zu begehen. 

Kapitalismushttps://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2021/kapitalismus/es-geht-nicht-um-moral-sondern-um-beduerfnisbefriedigung

In der „Kapitalismus“-Ausgabe von Brand Eins (9/21, hier) erläutert der Wirtschaftshistoriker (und frühere Kommunist) Werner Plumpe, ziemlich gut den Kern des Kapitalismus, wenn er sagt: „Es geht nicht um Moral, sondern um Bedürfnisbefriedigung“. Nebenbei erläutert er noch ganz prägnant seinen Wandel vom (kommunistischen) Saulus zum (kapitalistischen) Paulus und warum die Welt in den 70’ern und 80’ern plötzlich nach Reagonomics und Thatcherism gierte. Wie immer lesenswert…

Globalisierunghttps://www.wiwo.de/politik/konjunktur/oxford-oekonom-goldin-unser-aktueller-kurs-fuehrt-schnurstracks-auf-eine-klippe-zu/27726274.html

In einem – ebenfalls wie immer guten, aber jetzt leider hinter der PayWall befindlichen – WiWo-Interview warnt Ian Goldin vor der Fortführung der gegenwärtigen Globalisierungsstrategie (zeichnete sich schon früher ab, s. bei mir hier).  Kleines Problem: Deutschland als Exportnation ist auf die Globalisierung – jedenfalls derzeit – angewiesen. 

Schuldenhttps://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/marode-staatsfinanzen-wie-viele-schulden-koennen-wir-uns-eigentlich-leisten-kolumne-a-db23d5ef-b022-4008-b119-7b9496ab5afb

Auch wieder sehr gut, Herr Müller, ausgerechnet vom Spiegel, der mal ganz salopp die Grenzen der Verschuldensökonomie in einem Artikel zusammenfasst. 

Finanzministerhttps://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/streit-um-christian-lindner-was-ein-guter-finanzminister-heute-braucht-kolumne-a-1db3c178-b090-4b71-8d13-25aa45ffa265

Im Nachgang zum oben verlinkten Artikel in der Zeit fasst Herr Fricke zunächst sehr gut die – teils hier schon dargestellten – Leitplanken zusammen, in deren Rahmen sich ein zukünftiger deutscher Finanzminister wird bewegen müssen, um dann allerdings doch wieder „sauber“ in die linke Ecke abzubiegen und etwas von „verstaubtem ordo-liberalen Sprechzettel“ zu sülzen und zu fragen, ob Deutschland mit einem „Azubi“ (gemeint ist Herr Lindner) ins „Fortschrittsjahrzehnt“ zu starten. Der Spiegel! Ausgerechnet das Blatt, dass eine Frau Baerbock am Anfang des Jahres schon als Bundeskanzlerin sah. Nicht, dass ich Herrn Lindner jetzt unbedingt als geeigneten Finanzminister sehe (ich sage nur Mehrwertsteuer bei Hotelübernachtungen), aber die Argumente, die ausgerechnet ein Spiegel-Kommentator vorbringt, sind doch eher Ausweis eines rechts-links Schemas. 

Fazit: „Walter Eucken formulierte sieben Prinzipien für den Ordnungsrahmen der Sozialen Marktwirtschaft: offene Märkte, Vertragsfreiheit, Konstanz der Wirtschaftspolitik, Privateigentum, Haftung, Primat der Währungspolitik und ein funktionsfähiges Preissystem“ (fasst der BDI ziemlich prägnant die dogmatischen Kernpunkte der „Sozialen Marktwirtschaft“, einer ordo-liberalen Marktwirtschaft, zusammen hier). Der Staat sollte diese Prinzipien über das sog. „magische Viereck“ ein „Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht“ erreichen (sehr gut zusammengefasst von Destatis, hier, s. aber auch hier und bei mir hier).

Wir leben aber nicht, zumindest nicht mehr, in einem Kapitalismus in der Ausprägung der Sozialen Marktwirtschaft, vielmehr leben wir aktuell in einem „Finanzkapitalismus“ (hier) oder in einer „Bastard-Ökonomie“ (nach Gabor Steingart, s. erneut hier), in der die Notenbanken in einem faustischen Pakt mit den Staaten die Märkte mit Geld überschwemmen. Und das „außenwirtschaftliche Gleichgewicht“ des „magischen Vierecks ist auch nicht erreicht…

Und die linke Seite des politischen Spektrums kann mit diesem faustischen Pakt genau so gut leben, wie die Hard-Core Kapitalisten von Blackrock oder GoldmanSachs. Profitieren doch beide seit nunmehr fast zehn Jahren von der gigantischen Geldschwemme. Die Linken können (ungedeckte?) Sozialschecks verteilen, wie z.B. eine fünfprozentige Rentenerhöhung im nächsten Jahre (hier), die Kapitalisten können durch die Asset-Inflation z.B. bei Immobilien oder Aktien Traumrenditen erwirtschaften. Die Frage ist, ob diese Bastardökonomie nicht doch geeignet ist, das „Fortschrittsjahrzehnt“ im Keime zu ersticken. Damit wäre den Herren Tooze und Stieglitz dann auch nicht geholfen.

Spruch des Tages: „If you find yourself in a hole, stop digging“ – Denis Healey, „the law of holes“ 

Keep calm and carry on!

-tz 

2 Gedanken zu „Morning Briefing – 3. November 2021 – Bastardökonomie – warum die „Wirtschaft“ mit den Linken….“

  1. Danke für die heutige Zusammenfassung! Das „manager magazin“ (nicht vergessen: ein Titel der SPIEGEL-Gruppe) verfolgt zumindest die Hoffnung, dass sich Links-Grün zu einer „öko-liberalen“ Innovationspartei weiterentwickeln könnte. Die Idee dabei: Nur durch Unternehmertum und Innovationen sind die Herausforderungen des Klimawandels zu meistern und der Wohlstand zu sichern (andernfalls würden zwecks Reduzierung des CO2-Fußabdrucks eher Verbote und der Rückbau der Gesellschaft in die Strukturen kleinbäuerlicher Selbstversorgung drohen). Mit dieser Idee könnten die Vertreter von Start-ups und etablierter Wirtschaft sicher gut leben. Es bleibt aber die Frage, was dann aus der FDP würde. Braucht die dann noch jemand (außer den Hoteliers)? https://www.manager-magazin.de/politik/ampel-koalition-koennen-die-gruenen-innovationspartei-a-adcda8e8-f179-40f4-9c26-e1c8db8cf4b8

    1. Hallo Herr C., vielen Dank für diese Ergänzung und den Link. Aber auch den Autor des Manager-Magazins treibt ja nur eine „Hoffnung“. Schaut man sich an, wie die Grünen selber die Energiewende in BaWü verhindern (hier schon ein Artikel aus 2015: https://www.heise.de/tp/features/Warum-Gruene-die-Energiewende-blockieren-3370271.html), dann lasse ich aber eher „alle Hoffung fahren“, dass die Grünen „technologieoffen“ an die weitere Energiewende herantreten. Was die FDP angeht: Sie wird jetzt beweisen müssen, was sie kann. Wenn sie in der Koalition scheitert, endet sie wie 2013.

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