Guten Morgen,
Das Verfassungsgericht lebt! Auch wenn wir tatsächlich wohl erst später wissen werden, ob, die Maßnahmen verfassungswidrig waren, hat das BVerfG nun einen ersten Pflock eingeschlagen: Nachdem es in der Vorwoche einen Eilantrag noch mit ziemlich drastischen Worten (die „erheblichen und voraussichtlich teilweise auch irreversiblen sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Folgen“ sind nicht unzumutbar (vgl. hier)), hat es gestern (hier) den Behörden mit auf den Weg gegeben, dass die Regeln, die (umgangssprachlich) den Shutdown in Deutschland umsetzen sollen mitnichten ein allgemeines Versammlungsverbot entgegen Art. 8 GG enthalten würden oder auch nur in diesem Sinne ausgelegt werden dürften. Schaut man sich die im Beschluss des BVerfG enthaltene Darstellung der Angaben des Veranstalters im Hinblick auf die Minimierung eines Ansteckungsrisikos an, dann wird ferner deutlich, dass auch unter der Maßgabe des Lockdowns Versammlungen möglich sind. Ich danke sowohl dem Veranstalter, der zeigt, dass ein kreativer Umgang mit der Corona-Situation möglich ist, als auch dem BVerfG, dass nun scheinbar seine Rolle als HÜTER der Verfassung und insbesondere der Grund- und Bürgerrechte auch in diesen Zeiten wahrnimmt!
Während das Handelsblatt in der nachfolgenden Sammlung überraschend zumindest mal die möglichen Fehlentwicklungen aufzeigt (und dabei weiterdenkt, als ich), zeigt sich bei der Süddeutschen – ebenso überraschend – doch eine gewisse wirtschaftliche Naivität:
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/adidas-coronavirus-staatshilfen-1.4877054
„Selbst für Populisten bietet diese Staatshilfe bei neutraler Betrachtung keine seriösen Angriffspunkte für eine nochmalige Empörungswelle ähnlich jener beim Thema Mieten. Denn trotz 23,6 Milliarden Euro Umsatz und 1,9 Milliarden Euro Gewinn im Rekordjahr 2019 steht Adidas mit dem Rücken zur Wand.“ (Zitat aus Süddeutsche)
Nun ja: Durch Aktienrückkäufe hat Adidas bis 2019 zumindest Euro 1,8 Mrd. an Liquidität an Aktionäre ausgeschüttet (hier). Und das seit Januar 2020 laufende Rückkaufprogramm mit einem Volumen von Euro 1 Mrd. wurde auch erst am 1. April 2020 gestoppt (hier). Gehen wir also mal gelassen davon aus, dass Adidas (ein wirklich systemrelevantes Unternehmen?) zumindest Euro 2 Mrd. ohne Aktienrückkaufprogramme aus eigener Liquidität hätte aufbringen können – also zumindest nur Euro 1 Mrd. als Staatskredit gebraucht hätte, wenn es seine Anteile nicht zurückgekauft hätte. Über Boni will ich dann hier gar nicht reden…
Die Frage ist angesichts dieser Offensichtlichkeiten, wie „neutral“ die Süddeutsche betrachtet….Oder bin ich ein „Populist“?
Auch dem Hurrablatt (HB) der deutschen Wirtschaft scheint aufzugehen, dass die „Sozialisierung von Risiken und Privatisierung von Gewinnen“ nicht mehr so richtig vermittelbar ist. Und Hut ab – ich hatte selber bei Erstellung meiner „Forderungsliste“ (hier) nur an den Stopp von Aktienrückkäufen // Dividenden // Boni bei der Inanspruchnahme von Rettungsdarlehen oder Staatsbeihilfen gedacht – aber natürlich sollte das genau so gelten, wenn das Unternehmen sich über Kurzarbeitergeld „rettet“. Chapeau!
Nachdem HB nun auch die EU mal vorne? Wird ja immer toller hier…
Fazit: So langsam scheinen einige Institutionen (wieder) aus der Corona-Schock-Starre zu erwachen und nicht nur auf die „Schlange“ Corona, sondern auch auf den damit verbundenen sprichwörtlichen „Rattenschwanz“ von Problemen zu schauen.
Und noch etwas – vielleicht an dieser Stelle etwas unerwartet: Danke an die Kanzlerin UND die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer, die um den richtigen Weg im Umgang mit dieser Krise ringen – eine um eineinhalb Stunden verspätete Pressekonferenz der Kanzlerin (hier) legt beredtes Zeugnis davon ab, dass es bei der Telefonschalte davor nicht beim Austausch von Nettigkeiten oder „Bastas“ und „Alternativlos“ blieb. In meinen Augen zeigt diese Auseinandersetzung tatsächlich, dass der Föderalismus in der Krise hilft, die bessere Lösung zu finden. Aber das ist ein anderer Post….
So gesehen keimt bei mir am Ende dieser – mich teilweise echt erschütternden Woche (s. hier) – Hoffnung auf, dass die neue Normalität nach Corona nicht bestimmt sein wird durch einige (möchtegern) Alleinherrscher oder „Kriegsgewinnler“, die sich durch die „Mitnahme“ von allerlei „Gutzeles“ hervortun.
Historisch: 1970: Nach einem viertägigen spektakulären Rettungsmanöver kehren die Astronauten der fehlgeschlagenen Apollo 13-Mission, Jim Lovell, Jack Swigert und Fred Haise, auf die Erde zurück. Nach der Wasserung im Pazifik werden sie wohlbehalten von der USS Iwo Jima (LPH-2) an Bord genommen (Aus: https://de.wikipedia.org/wiki/17._April)
Ein schönes Wochenende &
Keep calm & carry on.
-tz