China – der „soziale Vertrag“ ist brüchig

„Man kann dem Volk wohl Gehorsam befehlen,
aber kein Wissen.“ – Konfuzius

Nach der Niederschlagung der Protestbewegung in Hongkong Ende 2020 (hier), wurde es ruhig um die Zivil-Gesellschaft in China. Denn die chinesische Zentralregierung ging auch gegen die Ihrer Wahrnehmung nach zu mächtig gewordenen Internet Start-ups vor, wie beispielhaft der Fall des Internet-Unternehmers Jack Ma und seines Konzerns Alibaba zeigt (hier). Das mit ihr auch die chinesische Zentralregierung zu rechnen hat, zeigten dann aber die durchaus kreativen Proteste gegen die Zero-Covid Politik der Regierung (hier und hier), die letztendlich erfolgreich waren und zu einer Beendigung sämtlicher Covid-Maßnahmen führte (hier, s. Bewertung der Folgen hier).

Alleine der Umstand, dass es der chinesischen Zentralregierung nicht gelungen ist, diese landesweiten, massiven Proteste zu unterdrücken, zeigt, zum einen die Verzweiflung der Menschen und zum anderen, dass auch vermeintlich allmächtige Staaten eben alles andere als allmächtig sind. Aber auch nach Aufhebung der Covid-Maßnahmen scheint es in der Bevölkerung weiter zu brodeln, wie die Reaktionen auf den Tod des ehemaligen Ministerpräsidenten Li Keqiang (z. B. hier in der FT nachgezeichnet) zeigen.

Sowohl The Economist (hier und hier), als auch die FT (hier) zeichnen in überragenden Artikeln die Stimmung im Lande der Mitte nach. Und die ist zusammengefasst alles andere als positiv. So ist laut FT zweifelhaft, ob der „soziale Vertrag„, wonach „die kommunistische Partei ihrem Volk eine Fülle von wirtschaftliche Möglichkeiten im Gegenzug für starke Einschränkungen ihrer politischen Freiheit“ gewährte noch in Kraft sei. Denn angesichts nicht nur der vorgenannten Restriktionen gegen Internet Start-ups, sondern auch der bestenfalls noch moderaten wirtschaftlichen Entwicklung Chinas, die von erheblichen Risiken überschattet ist (näher hier), könnte für die Bevölkerung der Eindruck entstehen, dass die Zentralregierung ihre Verpflichtungen aus dem sozialen Vertrag nicht einhält.

Und tatsächlich scheint Xi Jinping eher eine Politik des großen (ideologischen)  Wurfs, denn eine des „Wohlstand für alle“ zu verfolgen. „Er will die Chance nutzen, die Geschichte durch einen Prozess des „Kampfes“ zu geleiten, der gegenwärtige „Widersprüche“ in der nationalen und internationalen Gesellschaft auflöst. Das Ziel ist der „endgültige Triumph des Sozialismus“.“ (Focus, hier). Wobei man ergänzen möchte: „…auf der ganzen Welt, vereint mit Taiwan und unter Führung der kommunistischen Partei Chinas.

Zur Erfüllung dieser großen Weltmachtpläne sollen natürlich die Bestrebungen des einzelnen Chinesen, sein privates (wirtschaftliches) Glück zu finden, in den Hintergrund treten. Dementsprechend stimmt Xi Jinping die Bevölkerung auf „harte Prüfungen“ ein. Allerdings scheinen schon die bisherigen Repressionen im täglichen Leben, das harte Vorgehen ausgerechnet gegen die Internet-Start-ups, die der gut ausgebildeten Jugend Arbeitsplätze boten, neben den Problemen, die für junge Männer aus der bisherigen Ein-Kind-Politik entstehen, schon genug „harte Prüfung“ zu sein. Und zwar nicht nur mental, wie eine Jugend-Arbeitslosigkeit von über 20% belegt (hier). Die chinesische Zentralregierung hat denn auch pikanter Weise im Sommer die Veröffentlichungen zum Stand der Jugendarbeitslosigkeit eingestellt. Insgesamt scheint – wie The Economist und FT gut herausarbeiten – sich Perspektivlosigkeit gerade bei der Jugend in Chin breit zu machen.

Fazit: Von außen betrachtet scheint in China gerade eine immer repressivere Regierung auf eine immer weniger euphorische Gesellschaft zu treffen. Vor dem Hintergrund der bereits in Zeitlupe ablaufenden „demographischen Katastrophe“ Chinas (hier) kein wirklich positives Bild. Und derzeit sieht es eher so aus, als ob Xi Jinping versuchen dürfte, das Ruder eher durch einen „großen Kampf“ herumzureißen, denn durch die Mühen der Ebene, sprich über eine langwierige Reform von Verwaltung und Wirtschaft. Die Frage ist, um zu Konfuzius zurückzukehren, ob man einem Volk auf Dauer nicht nur kein Wissen, sondern vielleicht auch kein Wollen befehlen kann.

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