Morning Briefing – 8. November 2021 – „Kassensturz“ anybody?

Guten Morgen,

Die angehende Ampel-Koalition vermeidet zumindest in der Öffentlichkeit tunlichst das Wort, was eigentlich bei jedem Regierungswechsel sofort fällt – „Kassensturz“, erst mal prüfen, was in der Kasse ist, um die tatsächliche „Beinfreiheit“ auszutesten. Ist aber klar, das wäre ja auch ein (vielleicht nicht ganz so gutes Zeugnis) für den amtierenden Finanzminister mit Kanzlerambitionen. Aber ich kann da vielleicht mit einigen schwergewichtigen, weil teuren, Themen auf die Sprünge helfen:

Einnahmen: https://www.n-tv.de/wirtschaft/Neue-Regierung-kann-mit-mehr-Geld-rechnen-article22914598.html

https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/steuern-ampel-parteien-koennen-wohl-mit-dutzenden-milliarden-euro-mehr-rechnen-a-3587866a-93aa-44de-801b-7027d078bb24

Euro 160 Mrd. mehr! Zwar verteilt auf vier Jahre, aber das Politiker-Herz wird höher schlagen…Wenn das Wörtchen „wenn“ nicht wäre. Denn die Schätzung beruht natürlich auf einer Schätzung der zukünftigen Steuereinnahmen – und die beruhen auf der prognostizierten wirtschaftlichen Entwicklung. Herr Altmaier hat da ja neulich – frei von jeglicher Verantwortung – erst mal 4,1% für 2022 verkündet (hier). Allerdings hatte er auch mal 3,6% für 2021 prognostiziert – bleiben werden davon, wenn es gut läuft, noch 2,4%. Deswegen würde ich, auch wenn ich Herrn Müller, der dieses Wort in den Mund nahm (s. Spiegel), diese „Schätzung“ eben nicht als Kassensturz bezeichnen. Die alte Regierung zeichnet sich damit selber noch ein gutes Zeugnis („seht her, wir haben euch genug Geld dagelassen“) und die neue Regierung versucht, sich die Finanzierbarkeit ihrer Wünsche einzureden.

Subventionen: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/staatliche-foerderung-bund-greift-staerker-in-die-wirtschaft-ein-subventionen-in-drei-jahren-auf-47-milliarden-euro-verdoppelt/27525302.html

https://taz.de/Umweltschaedliche-Subventionen/!5807501/

„Gab es 2019 noch Finanzhilfen und Steuervergünstigungen in Höhe von knapp 25 Milliarden Euro, werden es 2022 rund 47 Milliarden Euro sein. 1,3 Prozent gibt der Bund damit gemessen an der Wirtschaftskraft Deutschlands für Subventionen aus, das ist der höchste Stand seit 2009.“ (Handelsblatt).

Ich bin mir nicht so sicher, ob wir nur mit dem Abbau „umweltschädlicher Subventionen“ da so richtig weiter kommen…

EU: https://www.n-tv.de/wirtschaft/Berlin-zahlt-Rekordsumme-in-EU-Haushalt-article22726836.html

https://www.welt.de/politik/ausland/article232970523/Noch-nie-zahlte-Deutschland-so-viel-fuer-den-EU-Haushalt.html

Nun ja, ich bin mir sicher, dass der deutsche Staat in den nächsten Jahren mehr als die im letzten Jahr fälligen Euro 19,4 Mrd. nach Brüssel überweisen wird.

Rente: https://www.bmas.de/DE/Soziales/Rente-und-Altersvorsorge/Fakten-zur-Rente/Gesetzliche-Rentenversicherung/gesetzliche-rentenversicherung.html

https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/rentenerhoehung-bedeutung-fuer-die-generationen-gerechtigkeit-17616521.html

https://www.focus.de/finanzen/altersvorsorge/erhoehung-um-zehn-prozent-in-zwei-jahren-durch-einen-kleinen-kniff-der-groko-steigen-die-renten-staerker-als-sie-sollten_id_24395589.html

Mit aktuell rund 100 Milliarden Euro decken die aus dem Bundeshaushalt gezahlten Mittel gut 30 Prozent der Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung.“ (BMAS)

Und  dazu kommen 5% Rentenerhöhung – nur im nächsten Jahr, zehn Prozent (10%!)  in zwei Jahren. Aber die Experten aus dem Wirtschaftsministerium „haben ja kein Expertenwissen“ – wie unser in-spe Kanzler neulich vermittelte (hier).

Fazit: Der Bundeshaushalt 2021 hat mit einem Volumen von fast Euro 550 Mrd. (hier, einschließlich Nachträge) bereits jegliche Bodenhaftung verloren. Schaut man sich die Aufteilung der Ausgaben an, so stellt man ganz zwanglos fest, dass davon mehr als ein Drittel direkt ans BM für Arbeit und Soziales fließt (hier) – und ein Großteil davon direkt wieder in die Rente. Aber auch der jeweilige Umfang der Bundeshaushalte 2022 mit einem Volumen von Euro 419 Mrd. und 2023 mit Euro 397,5 Mrd. liegt mehr als Euro 50 Mrd. höher, als der Finanzhaushalt von 2019, zu dem es in einer eigenen Mitteilung des BMF hieß: „Mit einem Volumen von 343,6 Mrd. Euro sind die Ausgaben des Bundes gegenüber dem Vorjahr um 6,5 Mrd. Euro gestiegen und erreichen damit eine neue Höchstmarke.“ (hier). Und wenn man sich anschaut, wie bereits das „Sondierungspapier“ der jetzt (stockenden, hier?) Ampel versuchte, weitere Nebentöpfe für mehr Geld zu generieren (hier), kann einem ganz schwindelig werden, bei den Dimensionen, um die es geht. Aber augenscheinlich war schon die jetzt abtretende GroKo in der schönen neuen MMT-Welt angekommen. Zumindest hat sie so viel Geld zur Verfügung gestellt, dass es nun heißt: „Gebt das Geld doch erst mal aus„. Vielleicht brauchen wir ja tatsächlich keinen Kassensturz, sondern ein paar tatsächliche Ausgaben… wer weiß?

Spruch des Tages: „Das Geld ist das Fett des politischen Körpers. Ein Zuviel behindert seine Beweglichkeit, ein Zuwenig macht ihn krank.“ – Sir William Petty

Keep calm & carry on!

-tz 

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