Guten Morgen,
…muss man nach der gestrigen Klatsche vor dem BVerfG leider (wieder einmal, s. zuvor schon hier) sagen. Damit Willkommen zum heutigen „Mietendeckel-Special“:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/bvg21-028.html
Kommentare: https://verfassungsblog.de/zur-nichtigkeit-des-berliner-mietendeckels/
https://taz.de/Verfassungsgericht-kippt-Mietendeckel/!5766645/
Jetzt weiß ich, wie sich Virologen fühlen, wenn medizinische Laien über virologische Themen diskutieren (s. Kommentar beim Verfassungsblog), die taz dagegen eher neutral – und mit Hinweis darauf, dass auch die roten und grünen Richter dem Beschluss zugestimmt haben. Der Tagesspiegel geht dagegen in die populistischen Vollen: „Mit dem Urteil wird mitten in der Pandemie der soziale Zusammenhalt in der Mietermetropole Berlin pulverisiert.“ Unter Weltuntergang machen die es nicht mehr.
https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/03/PD21_131_31111.html
Während im vergangenen Jahr in Deutschland 2,2% mehr Baugenehmigungen im Vergleich zum Vorjahr, also so viele Baugenehmigungen erteilt wurden, wie seit 2016 nicht mehr, ist deren Zahl in Berlin und Brandenburg um 13,7 (DREIZEHNKOMMASIEBEN!!!) % eingebrochen. Der „Deckel“ hat also tatsächlich gebremst – fragt sich nur, ob DIESE Bremswirkung gewollt war.
Während Vonovia keine Mieten zurückfordern wird, zeigt Deutsche Wohnen wieder, dass sie verstanden haben – wie nachhaltiges Marketing auf jeden Fall nicht funktioniert. Vor allen Dingen, wenn man weiß, dass Blackrock mit 11% der größte Einzelaktionär dieses Konglomerats ist (hier) und (trotz oder wegen Corona?) gerade laut FAZ „in eine neue Dimension“ reingewachsen ist (hier).
Fazit: Zunächst muss man feststellen, dass die Klatsche des BVerfG gegen den (bräsigen?) Berliner Senat mittlerweile die Regel ist (hier). Gleichwohl weisen etliche Reaktionen auf das Urteil leider keine reflektierte Analyse auf, sondern schlichtes Bashing; es scheint, dass Politkommissare mittlerweile die Rechtsprechung kapern. Sprich, ein nicht in das eigene Schema passendes Urteil des BVerfG führt zu einem Shitstorm sondergleichen. Das ist kein Einzelfall, man schaue insoweit nur auf die Reaktionen zum Urteil des BVerfG über das Anleiheankaufprogramm der EZB (hier).
Auch die Politik reagiert sofort (und unreflektiert oder bräsig?) – Noch-Familienministerin und wahrscheinlich demnächstige Berliner Regierende Bürgermeisterin Frau Giffey will sich als Erkenntnis aus dem Urteil nun für einen bundesweiten Mietendeckel stark machen (hier). Vor dem Hintergrund der Entwicklung der Bautätigkeit in Berlin nach Einführung des Mietendeckels eine Forderung, die vielleicht doch nicht so zielführend ist.
In meinen Augen manifestiert sich in der Situation und Diskussion um den Berliner Mietendeckel erneut die Unfähigkeit von Politikern und „Intellektuellen“, zu erkennen, wann sie sich ideologisch verrannt haben. Genau so, wie einige „Konservative“ das Mantra des „Bundeswehreinsatzes im Innern“ wie eine Monstranz vor sich hertragen (zuletzt De Maizière, hier), kapieren die Linken Marktmechanismen nicht mal im Ansatz – auch wenn ihnen die Konsequenzen, wie beim Mietendeckel (in Form einbrechender Bautätigkeit) eindrücklich vor Augen geführt werden. Dazu kommt, dass sich die Berliner Linken das Problem der völlig aus dem Ruder laufenden Mieten auch noch selber eingebrockt haben: Unter Herrn Wowereit wurde nämlich ein Großteil des städtischen Immobilienbesitzes verkauft, um Löcher im Staatshaushalt zu füllen (ganz guter Überblick hier). Und jetzt kauft der Senat verzweifelt und überteuert Wohnungen zurück (hier). Über das Steuerungsinstrument der eigenen Immobilien hätte der Berliner Senat die Mietenentwicklung in der Stadt wohl weit besser beeinflussen können, als über den Mietendeckel.
Von daher ist die Aufregung um den (nach oberflächlicher Durchsicht zumindest nicht unschlüssigen) Beschluss des BVerfG wohl zu einem Gutteil auch die Ablenkung von eigenen Fehlern. Und das nervt. Steht doch zu erwarten, dass der Fehler der Mietpreisbremse nach der nächsten Bundestagswahl mit Schwung in ganz Deutschland wiederholt wird. Nach dem Aussetzer von Herrn Hofreiter zu Einfamilienhäusern (hier) kann man also davon ausgehen, dass die Preisentwicklung bei Immobilien jetzt eine ähnlich exponentielle Entwicklung nehmen wird, wie der Corona-Virus. Und es ist absehbar, dass die Politik dann gerne den „Druck der Straße“ aufnehmen und versuchen wird, sich über Enteignungen eines erneut selbst geschaffenen Problems zu entledigen.
Die Frage ist, wie man aus dieser sich abzeichnenden Spirale des wohnungswirtschaftlichen Grauens wieder rauskommen kann. Marktwirtschaftlich nur mit viel Geld – indem der Berliner Senat Wohnungen baut und zurückkauft, soweit es geht. Und vielleicht auch die Neu-Gründung von Wohnungsbaugenossenschaften oder ähnlichen eher gemeinwohlorientierten Unternehmen zum Wohnungsbau und -bewirtschaftung fördert. Das ist mühsam, langwierig und nicht sehr publikumsträchtig. Schon deswegen dürfte es solche Konzepte erst geben, wenn die anderen eher schlagzeilenträchtigen Möglichkeiten, wie eben Enteignungen oder ähnliches, fehlgeschlagen sind. Das Reifen dieser Erkenntnis kann ein paar Jahre oder gar Jahrzehnte dauern und wird wohl nicht mehr von den jetzt agierenden Akteuren betrieben. Ich werde derweil mal nach anderen Wohngegenden Ausschau halten…
Spruch des Tages: „Vaterlandsliebe fand ich stets zum Kotzen. Ich wusste mit Deutschland noch nie etwas anzufangen und weiß es bis heute nicht.“ – Robert Habeck
Keep calm and carry on!
-tz