Meine Fresse, wenn mein derzeitiges Arbeitspensum ein Maßstab für die Lage der deutschen Wirtschaft ist – dann Hosianna (s. auch hier zur Entwicklung der Insolvenzen und hier zur Inflation). Aber alles nur Erste-Welt-Probleme im Vergleich dazu, was gerade im Osten abgeht:
Lage: https://twitter.com/DefenceHQ/status/1572452659000492032
https://www.understandingwar.org/backgrounder/russian-offensive-campaign-assessment-september-20
http://en.kremlin.ru/events/president/news/69390
So, während an der Front nur eine Meldung der RUS Armee aufhorchen lässt, dass bei einem (angeblichen) Angriff der UKR auf Luhansk sieben Menschen ums Leben gekommen seien (Tagesspiegel). Schaut man sich den Ort auf der Karte an, stellt man fest, dass er ziemlich weit im RUS besetzen Gebiet liegt. Was haben die UKR da gemacht?
Ansonsten beschäftigt die Welt die weitere (potentielle) Eskalation des Krieges durch die Rede von Herrn Putin, zum einen die verkündete Teilmobilmachung in RUS, zum anderen die Abhaltung von sog. „Referenden“ in den RUS besetzten Gebieten, um einen „offiziellen“ Beitritt zu RUS zu erzwingen und schließlich die Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen (beides sogleich unten besprochen).
Teilmobilmachung: https://www.rnd.de/politik/ukraine-krieg-teilmobilmachung-in-russland-was-heisst-das-was-bedeutet-generalmobilmachung-JQ4UBGKHEND5RFHAA7NSVCPFKA.html
https://www.n-tv.de/politik/Fliehen-russische-Maenner-vor-der-Einberufung-article23602987.html
https://twitter.com/search?q=Proteste%20Russland&src=typed_query
Die von Herrn Putin verkündete Teilmobilmachung der RUS Bevölkerung soll eine Verstärkung der RUS Armee um 300.000 Soldaten bringen. Die westlichen Einschätzungen sind sich erstaunlich einig: Die Maßnahme entspringt eher Verzweiflung, denn Planung, der aktuelle Nutzen besteht nur darin, dass die Verträge von Zeitsoldaten (die sich ggf. schon an der Front befinden) eben nicht zeitbedingt enden und weiterlaufen. Die von der DUMA verhängten flankierenden Maßnahmen – Reisebeschränkungen für Männer, höhere Strafen für Deserteure und Frontverweigerer hatten auf jeden Fall direkt einen Effekt – wenn auch wohl nicht den von der Duma erwünschten: Anscheinend sind Flüge in Staaten, in die RUS ohne Visa reisen können, ausverkauft. Auch werden kilometerlange Staus an der RUS Grenze und Proteste in RUS gemeldet.
Die ersten Reaktionen auf diesen Nicht-Bluff reichen von „Wenn ein Bluffer sagt „das ist kein Bluff“ ist es meistens ein Bluff.“ (Felix Dachsel via Twitter, hier) bis zu : „Fmr. Defense Secretary Robert Gates: „In that part of the world…the winds tend to blow from the west. If you set off a tactical nuclear weapon in eastern Ukraine, the radiation is going to go into Russia. So I just hope somebody reminds him of that.“ (JB Holston via Twitter, hier).
BdL: Die Lage ist ernst, Herr Putin ist nun in die Ecke gedrängt, also schlägt er um sich. Das war zu erwarten. Und den Fehler, einen angeschossenen Bären zu unterschätzen, haben schon viele Jäger mit dem Tod bezahlt. Die Teilmobilmachung wird ihm allerdings zunächst nicht viel und am Ende möglicherweise nichts bringen. Selbst wenn er die beabsichtigte Zahl an Soldaten erreicht. Denn der RUS Armee fehlt die Ausrüstung an allen Ecken und Enden. Er kann also im Zweifel die Soldaten gar nicht ausrüsten. Das erkauft er sich damit, dass das Bewusstsein über den Krieg jetzt erst Recht in die – bislang ausgesparten – westlichen Regionen RUS einsinken wird, also insbesondere in Moskau und St. Petersburg.
Die Schein-Referenden und die Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen sind – gerade in ihrer Verknüpfung – schon wesentlich bedrohlicher. Durch das (in meinen Augen längst feststehende) Ergebnis der Referenden werden die okkupierten Gebiete „förmlich“ in das RUS Staatsgebiet integriert. Ein Angriff auf diese Gebiete durch die UKR im Zuge des Versuchs der Rückeroberung wäre also ein ggf. mit Atomwaffen zu beantwortender Angriff auf die nationale Integrität RUS. Zumindest aus Sicht von Herrn Putin. Sprich, über allen Gegenoffensiven der UKR wird nunmehr das Damokles-Schwert eines Atomwaffeneinsatzes schweben.
Dies ist ein Schlüsselmoment, denn bislang wurde noch nie ein Krieg gegen ein mit Atomwaffen bewaffnetes Land in der Dimension geführt, wie gerade die UKR gegen RUS. Aber man sollte auch nicht vergessen, dass die Amerikaner ebenso über Atomwaffen verfügen, die müssen damit noch nicht mal drohen. Das weiß Herr Putin. Und er weiß, dass ein Atomwaffeneinsatz nicht unbeantwortet bleiben wird. Wie er sich entscheiden wird, steht gleichwohl in den Sternen. Ein reiner Bluff wird es nicht sein – schon da Herr Putin ja seine Drohung wahr machen könnte. Moralische Skrupel sehe ich nicht. Aber bereits nach der Tschernobyl-Katastrophe ist ein Großteil des radioaktiven Fallouts tatsächlich nach RUS gegangen. Dieser Umstand dürfte in den Überlegungen von Herrn Putin also durchaus eine Rolle spielen.
In meinen Augen soll die Drohung zumindest bis jetzt lediglich dazu dienen, die Zeit zu gewinnen, um die durch die Mobilisierung generierte Verstärkung an die Front zu bringen. Herr Putin erwartet ein Zaudern des Westens – wie er es von Deutschland kennt. Die Frage ist, wie er reagiert, wenn sein Plan nicht aufgeht – also er weder eine messbare Stärkung seiner Truppen erreicht, noch der Westen oder die UKR sich von seinen Drohungen erpressen lässt. Dann könnte er tatsächlich zu einer Machtdemonstration greifen – etwa einer Atombombendetonation in der Ostsee.
Spruch des Tages: „Ukrainians returned to their country to fight. Russians are leaving theirs so they won’t have to.“ – Darth Putin (via Twitter, hier)
Keep Calm & Carry on
-tz
& BTW: Путин, иди на хуй!