Guten Morgen,
Diesen Post habe ich schon vor Wochen begonnen – mit genau dieser Überschrift, weil ich genau wusste, dass die Inflation in Deutschland weiter steigen würde. Und Bang, sie ist gestiegen. Man muss aber auch nicht über meine cassandrischen Fähigkeiten verfügen, um dieses Debakel in the making vorherzusagen. Man darf halt nur nicht in der Führung bei einer der Zentralbanken arbeiten – die scheinen irgendwie mit Blindheit gegenüber der Realwirtschaft geschlagen zu sein (die Mitarbeiter zumindest der EZB scheinen da etwas anders drauf zu sein, s. gleich unten). Na, denn man tau zum „Monthly“ der Inflationsauswertung (zuletzt hier):
Deutschland: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/11/PD21_541_611.html
Der „Verbraucherpreisindex“ stieg laut vorläufigen Schätzungen von Destatis im November um 5,2%, der „harmonisierte Verbraucherpreisindex“ sogar um 6%. Damit beschleunigt sich der Anstieg der Inflation (Vormonat: 4,5%, hier) weiter. Das ist der höchste Wert seit 1992 (hier). Um diesen Preisauftrieb weiter in Relation zu setzen: Die Inflationsrate lag im Nachkriegs-Deutschland lag 1951 bei 7,6% und 1978 bei 7,1%, nie höher (hier). Allerdings betrug der Diskontzinssatz der Deutschen Bundesbank betrug 1951 6,0% und 1978 3.0% (hier), während der Leitzins der EZB seit 2016 bei 0,0% liegt (hier).
Inflationserwartung: https://www.bielmeierswelt.com/2021/11/25/inflation-koennte-ein-thema-bleiben/
Die Inflationserwartung in Deutschland zeigt zum einen bereits jetzt schon sich verteuernde Lebensmittel und die Prognose, dass das auch 2022 so weitergehen wird und auch die ersten „Lohnrunden“, die vielleicht nicht ganz so moderat waren. Gleichwohl sehen einige Kommentatoren (s. Link zur Tagesschau) noch keine „Lohn-Preis-Spirale“. Herr Müller vom Spiegel ist da wesentlich pessimistischer.
https://www.foxbusiness.com/media/msnbc-columnist-inflation-good-thing
6,2% Inflation! Top! Und auch die USA haben ihren Erklärbär, der Joe & Jane Blow erklären will, wie gut die Inflation für alle ist (s. zu den entsprechenden Äußerungen für Deutschland von Herrn Fratscher hier). Aber zumindest gibt es in den USA noch ein paar selbstdenkende Medien – die den Erklärbär erst mal abgekancelt haben… Meine Fresse….
Fazit: Cool ist natürlich, wenn die Chefin der EZB noch im Oktober vor einer „Inflationspanik“ warnt (hier), zuvor schon das (deutsche) EZB-Direktoriumsmitglied Schnabel im September die Kritik am Vorgehen der EZB als „unsachlich“ anprangert (hier) und jetzt die EZB-Chefin höchstselbst einräumen muss, dass „der Rückgang länger dauern [wird] als ursprünglich gedacht.“ (hier). Dementsprechend verständlich ist es, dass ihr der scheidende Bundesbankpräsident Weidmann die Leviten liest (hier) und Herr Sinn seinen inneren Reichs*****, ach darf man ja nicht mehr sagen, hat (hier). Und im November dann beginnt Frau Schnabel selbst vor Inflationsrisiken zu warnen, was in der Aussage gipfelt: „Ich denke nicht, dass wir auf Basis der aktuellen Daten wirklich sagen können, was passieren wird.“ (hier). Nur um dann angesichts der Vorlage der aktuellen Inflationszahlen auszuführen, dass „der Inflationsschub im November wohl seinen Höhepunkt erreicht habe“ (hier). Ich lasse diese Zitate mal so unkommentiert stehen, soll sich jeder ein Bild machen über die Kompetenzen unserer obersten europäischen „Währungshüter“.
Angesichts dieser Irrungen und Wendungen verwundert es wenig, dass die Gewerkschaft der EZB, die International and European Public Services Organisation (IPSO) zur Begründung ihrer Forderung auf Gehaltserhöhungen anführt, dass die von der EZB vorgeschlagene Erhöhung von 1,3 Prozent „unsere Gehälter nicht mehr vor der Inflation schützt.” (hier) Die EZB-Mitarbeiter sind übrigens diejenigen, die „im Heimatland im Homeoffice sitzen und die Auslandszulage aus Frankfurt kassieren“ können (hier). Aber nun ja, nur nicht neidisch werden, an der Quelle sitzt halt der Quellerich…..
Auch wenn die Zentralbanken vielleicht noch nicht „die Kontrolle verloren“ haben (hier), so sind zumindest die Vorschusslorbeeren von Frau Lagarde (und wohl auch von vdL) verbraucht (hier). Nicht nur die Fed, sondern auch die EZB dürfte mit ihrem fehlgehenden Inflations-„Narrativ“ viel an Glaubwürdigkeit eingebüßt haben, wie Mr. El-Erian mutmaßt (hier). Und, wie wir erst neulich gesehen haben, muss auch eine Zinserhöhung kein Allheilmittel sein – bzw. kann beträchtliche Nebenwirkungen aufweisen (s. hier). Dementsprechend stellt sich die Frage, wie diese Zentralbanken aus dem Loch herauskommen wollen, dass sie sich selber gegraben haben. Viel Zeit dürfte weder den Institutionen noch den Personen bleiben. Es sei denn, Frau Schnabel hat Recht mit ihrer Prognose, dass wir im November „Peak Inflation“ gesehen haben. Vielleicht hilft ihr ja die konjunkturdämpfende Wirkung der 4. Corona-Welle? Schon deswegen natürlich Wiedervorlage zum Jahreswechsel…
Spruch des Tages: „Die Inflation kommt nicht über uns als ein Fluch oder als ein tragisches Geschick; sie wird immer durch eine leichtfertige oder sogar verbrecherische Politik hervorgerufen.“ – Ludwig Erhard, Wohlstand für Alle, S. 298 (kursiv im Original)
Keep calm and carry on!
-tz