„2024, das Jahr, in dem Narrative reißen,
Illusionen platzen und hohle
Versprechen implodieren werden.“
Alexander Kissler via Twitter (hier).
Während man zu Beginn des Jahres 2023 zumindest noch (einigermaßen hoffnungsvoll) in die „trübe Glaskugel“ schauen durfte (hier), wurde das Ausmaß der Malaise Deutschlands im Laufe des Jahres zunehmend deutlich und am Beginn des Jahres 2024 ist die Sicht in die Glaskugel ziemlich klar: es steht nicht gut um Deutschland, insbesondere die deutsche Wirtschaft – leider über 2024 hinaus.
Das Jahr 2023 endete mau
Im abgelaufenen Jahr ist die deutsche Wirtschaft wahrscheinlich um 0,3% geschrumpft (hier), was mit einem erhöhten Krankenstand zusammenhängen soll (hier, Spätfolgen der Pandemie?), während die Inflationsrate im Jahresdurchschnitt bei 5,9% lag (hier). Die Arbeitslosenquote stieg von 5,3% in 2022 auf 5,7% in 2023 (hier), wobei die Gesamtzahl der Beschäftigten in Deutschland erstmals die Zahl von 46 Mio. überschritt (hier). Dieser Beschäftigungsaufbau fand nach Destatis allerdings „fast ausschließlich in den Dienstleistungsbereichen statt“, während die Industrie gerade gegen Ende des Jahres vermehrt Stellenabbau ankündigte (s. nur hier, hier und hier). Die Gesamtzahl der im „produzierenden Gewerbe“ beschäftigten Mitarbeiter ist mit 8,1 Mio. allerdings in 2023 (noch) konstant geblieben (hier). Der Arbeitsmarkt ist also stabil – noch. Trotz Rezession stiegen scheinbar auch die Steuereinnahmen des Fiskus in 2023 (noch einmal) an (hier). Derweil sank – wegen des Einbruchs im verarbeitenden Gewerbe – der Ausstoß von Treibhausgasen in Deutschland überraschend deutlich (hier).
Während es allen übrigen entwickelten Staaten und selbst Russland gelang, zumindest durch – teilweise exzessive – Schuldenaufnahme, Wachstum zu genieren, gelang dies Deutschland nicht (s. hier zu einem Vergleich der OECD bereits aus dem Sommer 2023). So dürfte das Wirtschaftswachstum der US-Wirtschaft locker über 2,0% in 2023 betragen haben (hier), allerdings auch finanziert durch eine Rekord-Schuldenaufnahme von USD 2,8 BILLIONEN, die die Gesamtverschuldung des Bundes auf über USD 34 BILLIONEN trieb (hier und hier). Da nimmt sich die Neu-Schuldenaufnahme des Bundes von etwas über Euro 83 Mrd. in 2023 doch relativ kommod aus (hier, s. auch Kommentierung hier).
2024 droht, noch frustrierender zu werden
Noch im Sommer 2023 glaubte (prognostizieren kann man das nicht mehr nennen) das RWI an ein deutsches Wirtschaftswachstum von 2,0% in 2024 – vor allem getrieben vom Konsum (hier). Die aktuellen Prognosen zeichnen dagegen ein wesentlich düsteres Bild für 2024: so prognostiziert das IW Köln explizit eine weitere Rezession für Deutschland, hier (-0,5%), ebenso wie das IMK (hier, -0,3%) und die Deutsche Bank (hier, -0,2%). Dagegen bleibt die Bundesbank optimistisch und prognostiziert ein Wachstum von 0,4% (hier), die sog. „Wirtschaftsweisen“ haben im Herbst letzten Jahres sogar noch ein Wachstum von 0,7% geschätzt (hier). Eine Spanne von +0,7% bis -0,5% ist schon beachtlich – dürfte aber auch mit der Bewertung der verschiedenen, nachfolgend weiter aufgeschlüsselten, Faktoren, bzw. deren jeweiliger Gewichtung zusammenhängen. Schon weil die Wirtschaftsforscher erfahrungsgemäß zu optimistisch prognostizieren (hier) gehe ich für das Basis-Szenario 2024 eher von einer weiteren leichten Rezession von -0,3% in Deutschland in 2024 aus. Denn….
… die deutsche Immobilienkrise wird sich weiter verschärfen (nicht nur weil ein englisches Berufungsgericht den Adler-Restrukturierungsplan kürzlich erst annullierte, s. hier), sondern auch wegen langfristiger Trends, s. unten). Und es steht zu befürchten, dass diese Immobilien-Krise Brems-Spuren in den deutschen Bank-Bilanzen hinterlassen wird. Sollten andere Banken etwa dem zweifelhaften Beispiel von Julius Bär gefolgt sein (hier und hier) und tatsächlich nennenswerte Anteile ihres Eigenkapitals bei Signa „geparkt“ haben, könnte das Abenteuer „Immobilienspekulation“ für einige deutsche Banken an der Wand enden (s. schon hier und hier). Es bedürfte dann keiner Neu-Auflage der Finanzkrise in den USA (hier), um ggf. auch hier in Deutschland die „lessons learnt“ aus 2008 wieder aus dem Keller holen zu müssen.
Zwar traf die Vorsicht der Banken bei der Kreditvergabe (hier) im letzten Quartal auf eine ebenso zögerliche Nachfrage (hier), allerdings wird mit einem Anziehen der Kreditnachfrage im ersten Quartal 2024 gerechnet. Die Frage ist, ob die Banken angesichts der eigenen Probleme einer tatsächlich steigenden Nachfrage werden folgen können – oder ob am Ende des ersten Halbjahrs die Schlagzeilen über eine „Kreditklemme“ wieder die Gazetten füllen wird (s. vertiefend hier). Selbst wenn ausreichend Kredite vergeben werden, stellt sich die Folgefrage der Verzinsung. Zwar fiebern die Märkte einer Zinssenkung der Zentralbanken entgegen, aber es steht zu bezweifeln, dass sie etwaige günstigere Konditionen tatsächlich und zeitnah an die Kunden weitergeben werden. So werden Zinssätze von acht Prozent und mehr für Kredite zugunsten profitabler Unternehmen eher die Regel denn die Ausnahme bleiben – ein Zinssatz, der noch Anfang 2022 völlig aus der Zeit gefallen gewirkt hätte.
Neben den Finanzierungskosten dürften die gegenwärtigen und noch zu erwartenden Lohnsteigerungen (man schaue nur auf die Forderungen der GdL, hier) inflationstreibend wirken, genau so wie die von der Ampel vorgesehenen Kostensteigerungen (hier). Von daher dürfte die Inflationsrate im ersten Halbjahr zunächst steigen. Sollte sich im zweiten Halbjahr tatsächlich ein rezessives Szenario durchsetzen, dürfte das – verbunden mit einer erhöhten Arbeitslosigkeit – dagegen inflationsmindernd wirken. Die Verwirklichung der nachfolgend genannten Risiken dürfte dagegen wieder inflationstreibend wirken. Der Effekt dieser inflationstreibenden und -mindernden Faktoren ist schwer abzuschätzen; insgesamt gehe ich für das Gesamtjahr von einer Inflation jenseits der 4% aus.
Die erhöhten Finanzierungskosten werden an der Profitabilität der Unternehmen nagen – so sie überhaupt noch eine solche ausweisen können. „Zombies“ (s. zuletzt hier) und Unternehmen, die auf Grund der Entwicklungen seit 2020 in die Krise geraten sind, dürfte es vielfach schlicht das Genick brechen. Eine Steigerung der Unternehmensinsolvenzen um 30% in 2024 erscheint denn auch nicht völlig abwegig (detaillierter hier). So dürfte sich die Lage im schon seit Jahren in der Krise befindlichen deutschen Automotive-Sektor auch dieses Jahr nicht bessern (s. vertieft hier), während der Einzelhandel bereits im letzten (normalerweise umsatzstarken) Weihnachtsgeschäft sein „Retailgeddon“ erlebt hat (hier) – die zahlreichen Pleiten bereits zu Anfang diesen Jahres sprechen Bände. Mehr Krankenhäuser (hier) und etwas weniger Seniorenheime (hier) dürften in 2024 Insolvenz anmelden. Und die aktuellen Bauernproteste lassen vermuten, dass im Laufe des Jahres erneut viele Landwirte die unternehmerischen Segel streichen werden (was seit 2020 bereits 7.800 getan haben, hier).
Eine Steigerung bei den Unternehmensaufgaben, nicht nur in Folge von Insolvenzen, wird zu einer größeren Zurückhaltung bei der Kreditvergabe der Banken führen. Sie dürften zudem einen negativen Einfluss auf den Arbeitsmarkt haben (der sowieso in einer schwierigen Verfassung ist, s. unten). Die Krise füttert sich damit selber. Nicht nur vor diesem Hintergrund eher kurzfristiger Trends, sondern auch auf Grund der (nachfolgend vertieft erläuterten) Trends, die sich seit Jahren ankündigen und jetzt sukzessive auf die (wirtschaftliche) Entwicklung Deutschlands einwirken, erscheint es bereits im Normalfall nicht unwahrscheinlich, dass am Ende des Jahres 2023 ein noch weiter Rückgang des BIP bei höherer Staatsverschuldung, höherer Inflation, höherer Arbeitslosigkeit und mehr Insolvenzen steht.
Selbst dieses fürwahr nicht erfreuliche Basis-Szenario sieht sich im Vergleich zu den Vorjahren weiter gestiegenen Risiken ausgesetzt (“Risk Management Overload” (hier), „Polykrise“, hier) – je nach Ausgang des Superwahljahres in Deutschland (hier) dürfte die politische Unsicherheit noch zunehmen (und in eine Konsumzurückhaltung münden). Schon jetzt setzen beispielsweise die Angriffe der Houthis dem Handelsverkehr zu, derzeit (zum Glück) nur durch höhere Preise (hier). Die Auswirkungen einer Totalblockade auf die deutsche Wirtschaft dürften deutlich schmerzhafter sein – ein Szenario, was weit davon entfernt ist, ausgeschlossen werden zu können. Und dies ist nur eines der Szenarien, welches wohl die wenigsten vor einem halben Jahr auf Ihrer Rechnung hatten. Wer weiß, welche Risiken wir gerade übersehen. Die jüngsten Äußerungen Xi Jinpings zur „Eingliederung“ Taiwans in China (hier) lassen genau so wenig auf eine friedliche Entwicklung in Asien hoffen, wie die zunehmende Aggression Nord- gegenüber Südkoreas (hier). Eine nicht unwahrscheinliche Wiederwahl Trumps zum US-Präsidenten (hier) soll an dieser Stelle den natürlich sehr unvollständigen Reigen dieser potentiellen Risiken beschließen (für weitere Risiken, s. auch hier und hier oder meine „Prophezeiungen“, hier). Realisieren sich eines oder mehrerer dieser Risiken, dann dürfte das Minus beim deutschen BIP noch (weit) höher als die jetzt geschätzten -0,3% ausfallen.
Dagegen sind die potentiellen „Upsides“ ziemlich zügig abgehandelt. Vielleicht schafft es die Ampel, noch ein Strohfeuer mit Hilfe neuer Schulden (aktueller Vorschlag von Herrn Habeck: ein „Sondervermögen für Unternehmen“, hier) zu entfachen und damit für 2024 Wachstum zu genieren – was aber dann die langfristigen Probleme vergrößert, s. unten. Angesichts des harten Stops des BVerfG zu Schulden jenseits der Schuldenbremse und den harten Bandagen, die die Opposition gerade anzieht, erscheint ein solches Szenario allerdings auch nur bedingt wahrscheinlich. Vielleicht zeitigen KI, Digitalisierung & Elektrifizierung der Mobilität in 2024 (endlich) positive Konjunktureffekt auch in Deutschland: Immerhin kommt die Northvolt-Batteriefabrik nach Norddeutschland (hier) und die Intel-Chipfabrik nach Magdeburg (hier). Alleine, mir fehlt der Glaube daran genau so, wie er mir für ein Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine oder im Roten Meer fehlt. Aber ausgeschlossen ist auch das nicht.
Auch über 2024 hinaus überwiegen die Risiken die Chancen
Wie immer lohnt ein Blick von außen auf Deutschland, um das Ausmaß der Malaise zu erfassen: Bereits sieben Jahre nach dem grandiosen „Newsweek„-Titel „Doing it the German way“ (hier), der 2014 eine lang andauernde Dominanz Deutschlands prognostizierte, setzte beim „Economist“ bereits im Herbst 2021 Ernüchterung ein, als er gnadenlos titelte: „The mess Merkel leaves behind“ (hier). Und zwei Jahre später, im Herbst 2023 brachen alle Dämme: Das Magazin eröffnete mit dem Titelblatt „Is Germany Once again the sick man of Europe?“ (hier), was natürlich eine Anspielung auf den legendären – damals nur als Statement und nicht Frage formulierten – Titel aus dem Jahre 1999 (hier) war. Niemand geringeres als Wirtschaftsminister Robert Habeck fühlte sich bemüßigt, darauf zu antworten (hier, deutsch hier). Allerdings steht seiner (natürlich positiven Sicht) einer Phalanx skeptischer Stimmen gegenüber: Glaubt man diversen Artikeln, egal ob von der FT (hier), dem WSJ (hier) Politico (hier), Cicero (hier), der NZZ (hier und zuletzt hier) oder der FAZ (hier), dann ist zumindest „der Wurm drin“, wenn Deutschland nicht schon gar „seinen Zenit überschritten“ hat; das Land droht jetzt „abzustürzen“ (sollte es nicht schon „kaputt“ sein), wenn es kein „update“ erhält. Superlativen der Negativität.
Was sind die grundlegenden Probleme?
Aber vielleicht nicht ganz zu Unrecht, denn die Lage ist ja schon auf kurzfristige Sicht nicht unproblematisch. Die oben zitierten Artikel zeigen aber auf, warum Deutschland ein zweites Rezessionsjahr droht und selbst nach dem Ende der Rezession das Wachstumspotential nur noch 0,4% (hier) oder weniger (hier) betragen dürfte. Das heißt, dass selbst unter günstigen Verhältnissen die deutsche Wirtschaft normalerweise nur um 0,3% per anno wachsen kann. Schon das ist ein „grundlegendes Problem“, beruht aber seinerseits auf noch tiefergehenden Ursachen, als da wären:
Angesichts der derzeit ablaufenden De-Globalisierung (euphemistisch auch „De-Coupling“ (Deutsche Bank, hier) oder „De-Risking“ (gute Kommentierung hier) genannt), zeichnet sich ab, dass Deutschland mit seinem Haupt-Energielieferanten Russland und dem wichtigsten Handelspartner China langfristig eine schlechte Wahl getroffen hat (hier, verwiesen sei erneut auf das Bonmot von Frau Stelzenmüller, wonach „Deutschland seine Sicherheit an die USA, seinen Energiebedarf an Russland und sein exportbedingtes Wirtschaftswachstum an China ausgelagert hat.“ (hier, die Sicherheitspolitik blende ich hier einmal aus Platzgründen aus). Die mit diesen politischen Weichenstellungen verbundenen Risiken schlagen jetzt voll auf die deutsche Wirtschaft durch. Und eine Rückkehr zu dieser vormaligen rosigen Grundlage des „wirtschaftlichen Biedermeiers“ erscheint eher unwahrscheinlich, schon weil zahlreiche Fehlsteuerungen der letzten Jahre und Jahrzehnte nun sukzessive ihre Wirkung auf Deutschland und die deutsche Wirtschaft entfalten.
So schlagen sich seit dem Ausgang aus der Corona-Pandemie die Folgen des demographischen Wandels konkret in der wirtschaftlichen Entwicklung nieder – und dieser Prozess steht noch am Anfang: Dazu zunächst einige grundsätzliche Daten: Die Einwohnerzahl in D betrug Ende 2022 84,4 Mio. (hier). Nach Destatis (hier) waren in 2022 45,7 Mio. Menschen in D „erwerbstätig“, davon 34,9 Mio. sozialversicherungspflichtig. 5,2 Mio. Menschen waren Ende 2022 im öffentlichen Dienst beschäftigt (hier). Die Zahl der Selbstständigen betrug im Juli 2022 etwas über 3,5 Mio. (hier; s. aber auch hier), davon 1,9 Mio. solo-selbstständig. Die Zahl der Selbstständigen ist zwischen 1997 und 2012 gestiegen (auf dann 4,3 Mio.) und fällt seitdem, mit einem echten Einbruch zu Corona-Zeiten. Und von den rund 35 Mio. sozialversicherungspflichtig Beschäftigten kann man die 5 Mio. im öffentlichen Dienst Beschäftigten noch abziehen – dann kommt man auf rund 30 Mio. „tatsächlich potentiell wertschöpfend“ sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Diese sollen aber gefälligst die 5 Mio. im öffentlichen Dienst Beschäftigten, Kinder und Jugendliche sowie 21 Mio. (!) Rentner mit ihrer jüngsten Rentenerhöhung (hier, s. auch hier) finanzieren. Im Endergebnis stimmen „die Alten“ jetzt über die Zukunft „der Jungen“ ab (hier), aber die Jungen sollen die (Renten der) Alten finanzieren, weil es keinen Nachwuchs für die Unternehmen gibt (hier). Schon an Hand der nackten Zahlen wird das intergenerationelle Konfliktpotential deutlich.
Die Idee, die Lücke bei den Erwerbsfähigen durch Zuwanderung zu schließen, ist naheliegend, schon weil dieser Lückenschluss in Zeiten des Wirtschaftswunders wohl gelang, s. auch hier, zeitigt aber derzeit keine Erfolge: Denn zum einen zieht es ausländische Fachkräfte gerade nicht nach Deutschland (hier). Zum anderen ist zwar die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland im letzten Jahr auf ein Rekordniveau gestiegen (hier), da aber das BIP gesunken ist, sank die Produktivität pro Erwerbstätigen – sprich, die reine Steigerung der Erwerbstätigkeit wird die Erwerbs- und Rentenlücke nicht füllen. Zwar scheint es noch eine gut gefüllte „stille Reserve“ von Fachkräften zu geben (hier), danben suchen von den offiziell gemeldeten Arbeitslosen allerdings 61% nur „Helferjobs“, weil sie eben keine Ausbildung durchlaufen haben (hier). Und der Bundesagentur für Arbeit gelingt es offensichtlich nicht, die stille Reserve und die anderen Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt zu bringen – wenn es 113.000 Mitarbeitern lediglich gelingt, 103.000 Arbeitslose zu vermitteln (hier). Wenn zudem angesichts des „Erfolges“ des Bürgergeldes das sog. „Abstandsgebot“ zwischen sozialen Leistungen und dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit nicht mehr gewahrt zu sein scheint (s. nur hier), so dass der Arbeitsminister wieder nach den Sanktionen ruft, die mit der Abschaffung von Hartz IV auch gleich größtenteils über Bord geworfen wurden (hier), erkennt man, dass die Probleme am Arbeitsmarkt zum Teil strukturbedingt sind – und sich nicht von heute auf Morgen lösen lassen. Kein gutes Zeichen angesichts einer nun wohl – möglicherweise bereits unter dem Einfluss steigender KI-Nutzung in den Unternehmen (hier) – zunehmenden Arbeitslosigkeit (hier).
Nur kurz sei auf die brisanten Daten hingewiesen, wonach Flucht und Migration den deutschen Steuerzahler im Jahre 2023 Euro 48 Mrd. gekostet haben sollen (hier), fast die Hälfte der Bürgergeldbezieher aus dieser Gruppe stammen sollen (hier), diese Gruppe aber jährlich mehrere Milliarden Euro in Ihre Heimatländer überweisen soll (hier). Unabhängig von der strittigen Frage, ob damit auch deutsche Sozialleistungen ins Ausland transferiert werden, ist offensichtlich, dass diese hier bezeichneten Kosten und Kapitalabflüsse zumindest nicht direkt die deutsche Wirtschaftskraft steigern. Im Besten Fall stellen sie eine Anschubfinanzierung für eine zukünftig gesteigerte – fachlich qualifizierte – Erwerbstätigkeit dar. Aber in 2024 wird damit der Fachkräfte-Mangel nicht behoben werden und 2025 auch nicht…
Der Wohnungsbau ist drastisch eingebrochen (hier) – was bei einer stark steigenden Zuwanderung (hier) unweigerlich zu einer Wohnungsnot in beliebten Lagen führt. Zwar fallen dementsprechend die Immobilienpreise nicht so stark, wie es sonst der Fall wäre – was gut für die Bankbilanzen ist. Aber die Mieten steigen in den Ballungsgebieten – und eine Ende ist nicht in Sicht (hier). Neben dem sozialen Sprengstoff, den eine Wohnungsnot in sich trägt, schlägt sich der Kaufkraftverlust natürlich auch negativ in der wirtschaftlichen Entwicklung nieder.
Aber nicht nur die Investitionen in den Wohnungsbau sind betroffen – Deutschland erscheint zumindest manchem Kommentator insgesamt als „Investitionsruine“ (Gabor Steingart sehr pointiert hier, s. aber auch hier). Die Beispiele bei Bundeswehr (hier), Deutscher Bahn oder im Straßenwegenetz (s. detaillierter hier, hier und hier mit Verweis auf den Bericht der Pällmann-Kommission, die schon im Jahre 2000 eine Investitionslücke von DM 7,5 Mrd. per anno bei Investitionen ins Straßenverkehrsnetz auswies, hier, S. 58) werden uns täglich in den Medien präsentiert. Aber auch bei der Digitalisierung hinkt Deutschland hinterher (hier, leider auch in der Wirtschaft hier).
Während die Investitionen in die „harte“ Infrastruktur leiden, blüht die Bürokratie in Deutschland (hier) und Europa (hier) auf – was nicht nur zu einigen (zum Teil bitteren) „Stilblüten“ führt (s. nur hier und hier), sondern auch zu einem durchaus bemerkenswerten Zuwachs der Beamtenzahlen (s. zuletzt nur beim Bund, hier). Dennoch (oder deswegen?) scheint z.B. die deutsche Justiz trotz zurückgehender Fallzahlen zumindest im Zivilrecht durchgehend überlastet (hier) – was vielleicht auch an der fehlenden Digitalisierung liegen könnte. Bürokratie und Verzögerungen in der Durchsetzung eigener Rechte belasten natürlich auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.
Den Fehlentwicklungen in der deutschen Energiepolitik werden mittlerweile ganze Bücher gewidmet, deswegen sei hier nur so viel gesagt, dass die deutsche Bevölkerung fast die höchsten Energiepreise in Europa bezahlt (hier), während die Energiegewinnung nach Abschaltung aller AKW in Deutschland so viel CO2 ausstößt (s. jeweils aktuell hier oder hier), dass sie die Minderungen, die durch das GEG eintreten sollten, möglicherweise egalisiert (so zumindest hier). Zwar hat es noch keinen Blackout gegeben, aber die nunmehr vom Gesetzgeber eingeräumte Möglichkeit, den Strombezug einzuschränken (hier), wird von den Energieversorgern „dankend“ angenommen, wie bereits die ersten „Warnungen“ zeigen (hier). Der Industriestrompreis ist tot – es lebe das „Strompreispaket“ (hier), das „Klimageld“ ist dagegen wohl nicht tot – es soll nur (wahlwirksam) erst ab 2025 ausgezahlt werden (hier). Zusammengefasst besteht Unsicherheit also nicht nur bei der Sicherheit der Stromversorgung an sich, sondern auch bezüglich der Preissicherheit. Und ob der derzeitige deutsche Energiemix zum Klimaschutz beiträgt, ist auch nicht so ganz sicher (zusammenfassend hier gut kommentiert). Die hohen Energiepreise, wie auch die Unsicherheit über die Stabilität der Energieversorgung haben schon einige Produktionsbetriebe der Schwerindustrie (z.B. Speira (hier) und HAL (hier)) zur Geschäftsaufgabe gezwungen. Sie werden nicht die letzen sein.
Diese diverse Unsicherheiten schlagen mittlerweile voll auf das propagierte „Grüne Wirtschaftswunder“ (s. dazu schon 2006 hier) durch. Während der Wirtschaftsminister tapfer seine Industriestrategie vorstellt (hier, kommentiert hier, hier und hier), schafft eben diese deutsche Industrie Fakten, verlagert Produktion ins Ausland (hier, hier und hier) und baut Personal in Deutschland ab (s. nur hier). Während ein deutscher Top-Ökonom noch im September 2023 Kapitalflucht und De-Industrialisierung als „Mythos“ einordnete (hier), verlor Deutschland bereits in den Vorjahren erheblich an Unternehmenskapital (hier) und die deutsche Industrie signalisiert ungebrochen Aufbruchstimmung – allerdings zu neuen Ufern (hier). Es erscheint auch nicht ausgeschlossen, dass einigen Grünen dieser „Degrowth“ Deutschlands auch nicht ganz ungelegen kommt (s. hier oder hier).
Bereits im März 2023 – also weit vor dem Urteil des BVerfG zum rechtswidrigen Bundeshaushalt (hier) warnte Bundesrechnungshof die Bundesregierung vor „Kontrollverlust“ im Bundesetat, nachdem die Staatsverschuldung in Corona-Zeiten drastisch erhöht wurde (hier). Diese Schuldenlast kostet – seit der Zinswende – auch wieder ordentlich Geld und „versteinert“ schon deswegen einen Bundeshaushalt, von dem sowieso schon 90% durch Zinsausgaben, Personalaufwand und gesetzlich verpflichtende Leistungen festgelegt sind, weiter (hier). Aber auch die Schuldenlast der anderen öffentlichen Haushalte hat sich signifikant erhöht: so hat sich die Schuldenlast der deutschen Kommunen in einem Jahr mehr als vervierfacht (hier), lediglich die Bundesländer haben in 2023 ein kleines Plus erwirtschaftet (hier). Wenn jetzt SPD-Politiker erklärt, dass „wir kein Geld mehr haben“ (hier), dann dürfte das auch deswegen zutreffen, weil diese „Schuldenstände“ noch gar nicht die sog. „implizite Staatsverschuldung“ beinhalten (s. dazu hier). Die höheren Finanzierungskosten auch bei „Papi Staat“ schlagen natürlich auch auf dessen Möglichkeit durch, „Geschenke“ zu verteilen.
Diese – zum Teil medial gar nicht so präsenten – Faktoren sind bereits jetzt und werden mit Zeitablauf und ohne Gegensteuern immer virulenter werden – treffen aber auf eine politische Szene, die das Vertrauen der Bürger verloren hat (s. nur hier, hier und hier zum sukzessiven Stimmungsabfall über das Jahr 2023). Bundeskanzler Scholz gilt nicht nur als unbeliebt, sondern sogar als „farblos“ (The Economist, hier, bei WiWo hier). Wenig schmeichelnde Begriffe, wie „Ignoranz“ (hier), „Inepotokratie“ (hier) oder „Kakistokratie“ (hier), machen im Zusammenhang mit deutschen Politikern die Runde. Die Unzufriedenheit im politischen Sektor selbst ist so groß, dass sich in naher Zukunft gleiche mehrere neue Parteien gründen könnten (BSW, hier, „WerteUnion“, hier, aber auch eine liberale Parteieneugründung ist denkbar, hier). Die Unzufriedenheit im politischen Sektor selbst ist aber so groß, dass sich in naher Zukunft gleiche mehrere neue Parteien gründen könnten (BSW, hier, „WerteUnion“, hier, aber auch eine liberale Parteieneugründung ist denkbar, hier). Stehen Deutschland damit in dieser schwierigen Zeit – bereits ohne einen Blick auf die aktuelle Diskussion um die AfD zu werfen (s. dazu hier) – „Weimarer Verhältnisse“ (hier) bevor? Das Jahr und die Ergebnisse gerade der Landtagswahlen werden es zeigen.
Die deutsche Wirtschaftselite hat sich lange Zeit hinter der Politik versteckt, bzw. hat eher mit ihr „gekuschelt“, denn auf Fehlentwicklungen hinzuweisen. Das soll sich nun ändern (hier), deutsche Unternehmer werden laut (hier). Aber die deutschen Top-Manager haben auch ihrerseits durch Fehleinschätzungen (hier) ihr Scherflein zum Abstieg beigetragen (hier). Als Ergebnis dieser ganzen Fehlentwicklungen schrumpft die deutsche Mittelschicht (hier, hier und hier), das Symbol der bisherigen deutschen Wirtschaftsmacht, die Vermögensverteilung extremisiert sich, insgesamt sind die Deutschen deutlich ärmer, als andere Europäer (hier).
Die Summe dieser Ursache-Wirkungsketten führt zu einem „Durchreichen“ Deutschlands auf immer weiter zurückliegende Ränge in internationalen Rankings (s. nur hier), denn auch die Innovationsfähigkeit Deutschlands hat im Laufe der Zeit leider nicht zugenommen (hier).
Wie kann der Weg aus der Krise aussehen?
Man könnte jetzt unendlich fortfahren, Zahlen, Daten und Fakten über den aktuellen Krisenstatus Deutschlands zusammenzutragen und zu analysieren. Bereits die vorgenannten Beispiele verdeutlichen allerdings, dass der Weg aus der Krise nicht schnell, sondern lang und mühselig sein wird. Klar ist aber auch es ist eine von Menschen gemachte Krise und seit Kahnemanns „Schnelles Denken, Langsames Denken“ (hier) sollten wir wissen, dass wir Menschen nicht nur triebgesteuert, sondern oft genug Opfer unserer eigenen „kognitiven Verzerrungen“ sind. Nicht nur ich habe die deutsche kognitive Verzerrung der 2010er Jahre als „wirtschaftliches Biedermeier“ bezeichnet (s. vertiefend Beissenhirtz, ZInsO 2020, 441, 462, abrufbar hier), Daniel Stelter sprach von der „Wohlstandsillusion“ und dem „Märchen vom reichen Land“ (s. nur hier) und Olaf Gersemann bereits 2013 von der „Deutschland-Blase“ (hier). Nunmehr könnte Herr Habeck (ungewollt?) das Platzen dieser – von Frau Merkel zumindest gern in Kauf genommenen (hier) – Illusion statuiert haben, als er proklamierte: „Wir sind umzingelt von Wirklichkeit“ (hier). Aber auch hier gilt: „Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung“. Sprich ohne Einsicht, dass der bisherige Weg einer Illusion folgte kann die Erholung nicht beginnen. Diese Einsicht bricht sich allerdings erst langsam Bahn, wie folgende Beispiele zeigen: Thomas Mayer erläutert zutreffend, dass dieser Krise eine (langfristige) „Erosion des Könnens“ und einer des „Fleißes“ zu Grunde (sic!) liegt (hier). Wir Deutschen (und die in Deutschland lebenden) schneiden tatsächlich seit Jahren schlecht im Pisa-Vergleich ab (hier) und arbeiten im weltweiten Vergleich ziemlich wenig (hier). Da hilft es dann wenig, bei allem Diskussionsbedarf, den es vielleicht berechtigter Weise über die Methoden der Pisa-Studie geben mag (hier), die Aussetzung der Reihe zu fordern, wie aktuell der Philologenverband (hier). Genau so wenig dürfte es helfen, in Deutschland die Vier-Tage-Woche durchsetzen zu wollen (hier), wenn man die dann vermehrt fehlenden Fachkräfte nicht durch ein Mehr an Digitalisierung ersetzen kann. Diese Widerstände zeigen jedoch, dass die erforderliche Einsicht in vielleicht auch zur Überwindung der Krise erforderliche Härten (so die Wirtschaftsweise Grimm, hier) noch nicht im Verständnis einer Mehrzal der Deutschen verankert ist (wie z.B. die zur Erforderlichkeit der Verteidigungsfähigkeit z.B. in Schweden, hier). Bleibt zu hoffen, dass sich als positives Zeichen am Ende eines möglicherweise erneut wirtschaftlich schwachen 2024 die Erkenntnis über die uns umzingelnden Realitäten durchsetzt. Der Rest folgt, denn „wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“