25. Februar 2022 – ich bin sprachlos

Alles, was man in dieser Zeit
für seinen Charakter tun kann, ist,
zu dokumentieren, dass man

nicht zur Zeit gehört.“
Johann Gottfried Seume

Heute ist Freitach, eigentlich also der Tag für gute Nachrichten, Lesevorschläge oder die Vorstellung von Grenzgängern. Heute nicht. Vielleicht auch nie wieder. In dieser Woche ist etwas in mir zumindest verstummt, ich hoffe, nicht gestorben. Ich bin sprachlos.

Nein, mir fehlen nicht die Worte, derer hätte ich genug. Aber es erscheint mir sinnlos, sie zu bringen. Nicht nur, weil derzeit der „Informationsraum“ voll ist mit Menschen, die alle viel zu sagen haben – so dass man Mühe hat, überhaupt selber zu verstehen. Und nein, ich bin von der Information nicht überfordert, ich bin dazu ausgebildet und es gewohnt, mit einem Informationsüberfluss umzugehen.

Die Frage für mich ist aber, ob ich noch in dieses Meinungs-crescendo einstimmen will. Ich schreibe seit 2006 in verschiedenen Formaten, seit 2013 vornehmlich als Blogger über die in meinen Augen ablaufenden wirtschaftlichen Fehlentwicklungen nicht nur, aber vorwiegend, in diesem Land, Deutschland. Und ich habe Menschen in meinem Umfeld mit meinen Ansichten genervt und versucht, die Probleme aufzuzeigen, in der Hoffnung, dass nicht nur ich das tue, sondern viele und wir irgendwann an den Punkt kommen, wo Fehlsteuerungen korrigiert werden. Dabei habe ich mich immer weiter in auch nicht direkt wirtschaftliche Bereich eingearbeitet – und etwa die in meinen Augen zu große Staatsquote oder auch die Larmoyanz und fehlenden Freiheitswillen kritisiert.

Und nun sitze ich hier, nächste Woche wird meine Jahresprognose in einer Fachzeitschrift veröffentlicht und im Gegensatz zu 2020 werde ich sie nicht neu schreiben müssen. Denn ich habe zumindest einen Angriff Russlands auf die „abtrünnigen“ ukrainischen Republiken prognostizert und entsprechend „eingepreist“. Wie schon in dieser Woche in einem anderen Post ausgeführt, habe ich aber keine Freude daran, bei dieser Prognose zumindest richtiger gelegen zu haben, als der überwiegende Teil der deutschen Bevölkerung. Ich habe oft genug auch daneben gelegen – aber eher nur mit dem Timing, weniger inhaltlich.

Was mich aber schockiert, ist, wie weit die Fehlentwicklungen in diesem Land – weit über die wirtschaftlichen hinaus – fortgeschritten sind und wie selbst noch am 23. Februar 2022 – also nachdem Herr Putin nicht nur alle Karten auf den Tisch gelegt hatte, sondern seinen Worten auch Taten folgen ließ, dröhnende Stille herrschte. Vielleicht war und ist es ja das Schockmoment, aber ich fühle mich an Kafkas Tagebucheintrag vom 1. August 1914 erinnert: „Deutschland hat Russland den Krieg erklärt. – Nachmittags Schwimmschule“. Dazu präsentiert die deutsche Politik Gratismut und Betroffenheitslyrik, wenn man nicht, wie Herr Lauterbach, direkt öffentlich kund tut, dass man andere Sorgen habe, als die Großmachtsfantasien von Herrn Putin (hier). Selbst wenn Herr Lauterbach mit seiner Ansicht die Ausnahme sein sollte, so bin ich angesichts der gerade ablaufenden Darbietungen schon fast sicher, dass in nicht allzu ferner Zukunft die Platte „The show must go on“ aufgelegt wird, vertont von den „Realpolitikern“, die meinen, man müsse doch jetzt zur Vernunft zurückkehren und den Dialog mit Herrn Putin suchen. Im Dezember geht dann Nordstream 2 ans Netz – natürlich ohne eine große Feier.

Und diese Vorstellung ist mir – sorry – gerade ein bisschen „too much“ an potentieller Fehlentwicklung. Da ich ja niemanden zum Jagen, vulgo regieren und reagieren, tragen kann, werde ich mir jetzt erst mal anschauen, wie sich die „Show“ nun tatsächlich entwickelt und daraus meine Schlüsse auch für diesen Blog ziehen.

Keep calm & carry on

-tz

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert