Guten Morgen,
Die Rechtsanwältin Beate Bahner wagt sich aus der Deckung – und tritt gegen eine Phalanx aus Virologen, Politikern und Medien an, die gegenwärtigen Maßnahmen des Lockdowns verfassungsrechtlich überprüfen zu lassen (s. auch hier) – während 56% der Deutschen gegen eine Lockerung der entsprechenden Maßnahmen nach dem 20. April 2020 sind (hier). Derweil gibt sich die Bundesrechtsanwaltskammer eher brav (hier), während der Anwaltsverband zumindest etwas kritischer wird, aber die Diskussion auf der Ebene der Gewaltenteilung belässt (hier). Und auch unser Bundesverfassungsgericht – dass seine Anrufung zumindest mal angenommen hat – entschied in einem Eilverfahren, dass die „erheblichen und voraussichtlich teilweise auch irreversiblen sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Folgen“ der Beschränkungen nicht unzumutbar seien (hier).
Während sich „konservative“ Medien – allen voran Die Welt – häufig in vorgeblicher Staatsräson üben und in die vorgenannte Phalanx der „Alternativlosen“ einreihen, fällt es den als „linksversifft“ gescholtenen (und auch von mir nicht immer ernst genommen) Medien – Der Spiegel und Süddeutsche ganz vorneweg – zu, die freiheitliche Lücke, die der Totalausfall der FDP in dieser Corona-Lage gerissen hat (sorry, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, Sie sind natürlich ausgenommen), zu füllen. Und das tun sie. Ich kann nur sagen, Chapeau und meine Bewunderung, sich so eloquent, rational und ruhig gegen den aufgeheizten Mainstream zu stellen.
Hier zu Ostern meine persönliche Auswahl der Persönlichkeiten der Stunde (und dazu gehört auch die Kollegin Bahner):
Meine Fresse, der Lobo sägt echt am Stuhl vom Precht! Diese Artikel sind so ziemlich das Beste, was ich seit Jahren gelesen habe (und der geneigte Leser weiß, dass ich viel lese).
„Und anstatt zu mäßigen, wirken Politik und Medien noch als Brandbeschleuniger. Ja, uns fehlt in jeder Hinsicht die Immunität gegen dieses Virus: gesundheitlich und gesellschaftlich. Diese Krankheit ist ernst. Wir haben sie zur Katastrophe gemacht. „
„Hätte jemand vor einem Jahr, bei einer der vielen Grundgesetz-Feiern, die umfassende Aussetzung der Grundrechte vorhergesagt – er hätte als Spinner gegolten. Hätte er gesagt, dass das sogar ziemlich klaglos funktioniert, dass eine gewaltige Mehrheit der Bevölkerung diese staatlich verordneten Rigorositäten für richtig hält – man hätte ihn ausgelacht.„
Man sollte sich tatsächlich mal anschauen, wer von unserem Leitungspersonal am 20. Juli wieder alles so von Widerstand und ähnlichem faselt – und ihm dann seine Aussagen aus der jetzigen Zeit entgegen halten.
Zeh: https://www.sueddeutsche.de/kultur/juli-zeh-corona-interview-1.4867094?reduced=true
Leider hinter Paywall….. Frau Zehs Berufung in das Brandenburgische Verfassungsgericht war – ob ihrer linken Tendenzen – nicht unumstritten (hier, s. die Foristen). Ich kann nur sagen, jetzt verdient sie sich ihre Meriten.
Fazit: Meine private Auswahl der Persönlichkeiten der Stunde überrascht mich selber – hätte mir jemand vor einem Jahr, ach vor drei Monaten gesagt, dass ich Zeh und Augstein mit glänzenden Augen zitieren würde – ich hätte es nicht geglaubt. Herr Lobo hat zwar schon bei Art. 17 (Insider wissen, worum es geht) bewiesen, dass er eine Ode an die Freiheit singen kann. Aber mittlerweile schreibt er, als gälte es sein Leben.
Man muss die rechtlichen Ansichten von Frau Kollegin Bahner nicht teilen – und vielleicht ist der Aufruf zu einer Demo auch tatsächlich nicht situationsadäquat. Aber es sollte jeden mündigen Bürger verschrecken, wie wenig Widerstand es gegen die – nach 2010, 2012 und 2015 – erneut wieder „alternativlose“ Politik der Kanzlerin gibt. Die Demokratie (und damit die Freiheit!) lebt vom Widerstreit der Interessen. Und die Regierung lebt davon, dass sie sich mit „besseren“ Maßnahmen gegenüber dem Widerspruch der Opposition durchsetzt. Fehlt der Widerspruch, gibt es keinen Wettstreit der Ideen. Die Chance, dass sich dann auch nur eine „gute“ Lösung durchsetzt, dürfte eher gering sein.
Die Folge: Die Politik hat offensichtlich eine sowieso eher ängstliche Bevölkerung durch ihre Kommunikationspolitik nun so verschreckt, dass sie Probleme bekommen dürfte, den Lockdown wieder zu lockern – ohne den Unmut der Bevölkerung auf sich zu ziehen (die sich vielleicht auch schon gemütlich im Homeoffice eingerichtet hat?). Sprich, am Ende könnte der Regierung ihre erneute „Alternativlosigkeit“ ziemlich auf die Füße fallen. Und wir alle haben ein Interesse daran, dass das nicht passiert. Also sollten wir schleunigst anfangen uns über Alternativen Gedanken zu machen (und damit meine ich nicht DIE Alternative!). Dazu braucht es Persönlichkeiten, die vorangehen – einige habe ich hier als Beispiel zitiert. Und meine Berufsgruppe sollte GANZ WEIT VORNE gehen, wenn sie sich nicht total obsolet machen will.
Historisch: 1945: In der Endphase des Zweiten Weltkriegs werden im KZ Flossenbürg die Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer, Wilhelm Canaris, Ludwig Gehre, Hans Oster, Karl Sack und Theodor Strünck hingerichtet. Am gleichen Tag wird Georg Elser im KZ Dachau, Hans von Dohnanyi im KZ Sachsenhausen hingerichtet (Aus. https://de.wikipedia.org/wiki/9._April)
In diesem Sinne – Frohe Ostern und
Keep calm and carry on!
-tz