Die Medien scheinen sich ja in ihrer Bewertung nicht ganz so einig zu sein: Bezüglich ein und derselben Studie von EY überschrieb Businessinsider die Meldung mit „Korruption und Betrug: Deutschland ist unter den Ländern mit der höchsten Wirtschaftskriminalität“, während die Deutsche Welle titelte: „Weniger Fälle von Korruption in Deutschland“. Die Studie (die auf Umfragen von Unternehmen beruht) selber kommt zu dem Ergebnis, dass die Anzahl der Korruptionsfälle in Deutschland sinkt, aber die Anzahl der unternehmensinternen Bestrafungen zunimmt.
Diese konträre „Betitelung“ ist ein gutes Beispiel für Stimmungsmache durch selektive Berichterstattung: Zwar liegt Deutschland (nach Angaben der Studie) mit 14% aufgedeckten Betrugsfällen in Europa weit vorne. Schon weltweit gesehen sieht das Bild aber ganz anders aus – da liegen Ukraine, Kenia und Südafrika vorne. Und, wie auch der Verantwortliche für die Studie bei der Frankfurter Neuen Presse erklärte: Eine geringe angegebene Betrugsquote sei nicht gleichbedeutend mit einer geringen Quote der tatsächlichen Wirtschaftskriminalität – sie werde in einigen Ländern eben weniger konsequent verfolgt.
Umgekehrt nimmt Großbritannien europaweit eine Spitzenstellung ein bei den gemeldeten Betrugsdelikten ein. Wer jedoch die Hintergründe und Besonderheiten der britischen Bribery Act kennt, weiß, dass z.B: Korruption (als Teil des Wirtschaftsstrafrechts) in Großbritannien (wie auch den USA, s. Foreign Corruption Practices Act) nicht nur im nationalen, sondern auch im internationalen Kontext eher streng geahndet wird. Auch wird z.B. Korruption bei Ärzten in Deutschland erst in Zukunft unter Strafe gestellt.
Berücksichtigt man weiter, dass die Studie eben auf der Befragung von Unternehmen beruht – also nicht amtlichen Statistiken – sollte man den Aussagegehalt der Studie nicht als zu hoch ansetzen. Bezeichnend ist auch, dass die die Studie zitierenden Medien keinen Link zur Studie selber setzen. So wird es für den geneigten (aber eiligen) Leser schwerer, die Aussagen der Presse mit denen der Studie abzugleichen. Alles in Allem also wieder kein Highlight der Berichterstattung in den Medien.