Morning Briefing – 13. August 2021 – Grenzgänger der Wirtschaftswissenschaften

Guten Morgen,

Heute ist nicht nur der 13. August – sprich, Tag des Mauerbaus heute vor 60. Jahren – nein, heute ist auch noch Freitag. Grund genug, dem Aberglauben am „Long-Read-Tach“ ein paar konstruktive Gedanken entgegenzusetzen, auch in Fortsetzung der „Grundlagenforschung zum New Normal“ aus der letzten Woche (hier) – passend zum Tag also ein paar „Grenzgänger“:

Brauchbare Illegalität: https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2021/regeln/ungeordnete-verhaeltnisse

https://de.wikipedia.org/wiki/Brauchbare_Illegalität

„Organisationshandbücher sagen viel über die entsprechende Institution aus.“ Wie wahr, wie wahr…. Mein erstes persönliches Erlebnis der „brauchbaren Illegalität“ hatte ich mit dem Beginn des Rauchverbots in Kneipen. Vielleich auch auf Grund des allgemeinen Stresses im Zuge der Finanzkrise erlebte ich, wie bislang völlig gesetzestreue Bürger das neue Gesetz, sagen wir mal, „liberal“, auszulegen. Dürfte bei Einführung der Gurtpflicht in Autos in den 70er Jahren ähnlich gewesen sein. Und scheinbar hat sich in der Bundesnotbremse „Joggen um 4.00 Uhr“ als Mittel etabliert, so ein bisschen gegen die Obrigkeit aufzubegehren.

Skin in the Game: https://en.wikipedia.org/wiki/Skin_in_the_Game_(book)

Wahrscheinlich, weil es das einzige Buch von Nassim Nicholas Taleb ist, was ich einigermaßen zu verstehen glaube (und über das ich mal einem Vortrag des großen Meisters beiwohnen durfte), wage ich mal, es hier zu empfehlen. Grundthese: Nur, wer etwas zu verlieren hat (sprich „Skin in the game“), sollte wichtige Entscheidungen treffen, die auch andere Menschen, als sie selber betreffen.

Allmende: https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2021/regeln/die-regel-regler

https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2018/geld/staat-oder-markt-wer-soll-was-bezahlen

https://www.uni-marburg.de/fb02/makro/forschung/magkspapers/23-2010_nutzinger.pdf

https://de.wikipedia.org/wiki/Commons

Wie, die „Tragik der Allmende“ ist gar keine, wie die erste Nobelpreisträgerin (!) Elinor Ostrom nachwies? Ist ja krass, da geht mein gesammeltes (neoliberales?) Studienwissen…

Fazit: Ich bin ja, wie ich immer mehr und häufiger feststelle, eher ein Fan der Grenzgänger der Wirtschaftswissenschaften, denn jemand, der den ausgetretenen Pfaden der Erkenntnis folgt. Aber auch wenn die hier gezeigten Theorien vielleicht nicht jeden überzeugen, so dürfte es doch dem Mainstream helfen, sich daran zu reiben. Und, so fernab der Realität scheinen mir diese Thesen auch allesamt nicht zu sein.

Denn, machen wir uns nichts vor – „brauchbare Illegalität“ entsteht da, wo „Obrigkeiten“ eine solche Regelungsdichte schaffen, dass die eigentliche Zielerreichung bei Einhaltung des Regelwerks nicht möglich ist. Und die „Obrigkeiten“ verlagern damit den Handlungsdruck immer weiter nach unten und entledigen sich ihrer eigenen Verantwortung. Wenn das System „funktioniert“, sprich Ziele erreicht werden (Steuern gezahlt, Profit gemacht), dann schreiben sich die Obrigkeiten das als eigenen Erfolg zu (es wird ja keiner schreien, dass er Regeln gebrochen hat, um die Ziele zu erreichen). Werden Regeln gebrochen (und vielleicht Ziele nicht erreicht) hat die Obrigkeit gleich einen Sündenbock. Wie passend. Ähnlichkeiten mit aktuell regierenden Politikern oder Vorständen von Autokonzernen sind durchaus beabsichtigt.

Das solch ein inauthentisches und nicht integeres System „stresst“ und auf die Dauer nicht lebensfähig ist, liegt auf der Hand. Die Frage ist, wie man zu Systemen gelangt, die den Menschen in ihnen als solchen wahrnehmen und gewähren lassen. Wenn nicht nur dieser Wahlkampf etwas zeigt, dann, dass Menschen, die noch nie „Skin in the Game“ eines Normal-Bürgers hatten, vielleicht ganz weit weg von Entscheidungs-Töpfen bleiben sollten. Und, auch jenseits jeglicher Allemende-Theorie funktioniert eine „Gemeinschaft“ nur dann, wenn sie abgegrenzt und nicht zu groß ist.

Spruch des Tages: “A complex system, contrary to what people believe, does not require complicated systems and regulations and intricate policies. The simpler, the better. Complications lead to multiplicative chains of unanticipated effects. Because of opacity, an intervention leads to unforeseen consequences, followed by apologies about the “unforeseen” aspect of the consequences, then to another intervention to correct the secondary effects, leading to an explosive series of branching “unforeseen” responses, each one worse than the preceding one. Yet simplicity has been difficult to implement in modern life because it is against the spirit of a certain brand of people who seek sophistication so they can justify their profession.”  – Nassim Nicholas Taleb, Antifragile: Things that Gain from Disorder

Keep calm and carry on!

-tz 

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