Morning Briefing – 28. April 2020 – Föderalismus // Zivilschutz // Grundrechte

Guten Morgen,

Nicht nur die Chefin des Allensbach-Instituts wundert sich: „Das Misstrauen der Politik gegenüber der Bevölkerung ist bemerkenswert„. Bei einigen Äußerungen (s. nur „Öffnungsdiskussionsorgien“) fragt man sich ja schon, wer hier eigentlich Koch und wer Kellner ist. Dies um so mehr, als dass die mit dem Lockdown – neben der Unterbrechung des exponentiellen Wachstums – verfolgten Ziele zumindest bis Ende April 2020 nicht erreicht wurden: So ist die Zahl der Intensivbetten nicht auf 40.000, sondern wohl eher nur auf 30.000 erhöht worden (hier), die Massentestfähigkeit ist bislang ebenfalls nicht gegeben (hier) und – unabhängig von der Diskussion über ihre Wirksamkeit – ist die Beschaffung von Schutzmasken (geschweige denn von sonstiger Schutzausrüstung) noch „optimierungsfähig“, um es einmal vorsichtig auszudrücken. So hatte die Bundesrepublik noch im Januar Masken als Hilfe nach China gesandt, gleichzeitig aber Warnungen von deutschen Herstellern vor einem Leerkaufen des Marktes ignoriert (s. näher hier);  auch aktuell bevorzugt das Gesundheitsministerium wohl noch Lieferungen aus Asien (hier). Nunmehr plant aber zumindest das Wirtschaftsministerium eine Förderung der Maskenproduktion in Deutschland (hier). Na immerhin…

Grund genug sich mal einige Gedanken zu Deutschland zu Corona-Zeiten zu machen:

Föderalismus: https://www.tagesspiegel.de/politik/bund-laender-beschluss-zu-corona-der-foederalismus-hilft-in-der-krise/25743574.html

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/foederalismus-in-zeiten-von-corona-die-staerke-liegt-im-unterschied-a-b5afb929-4905-4349-992c-cdab3ca54105

Um es mal so zu sagen: Wenn man jetzt die „Öffnungsdiskussionsorgien“ zwischen Bund und Ländern sieht, dann weiß man, was einem DIE GANZE ZEIT im Bundestag fehlt: schlicht eine Diskussionskultur, ein Wettstreit um die bessere Idee. Schon ALLEINE aus diesem Grund wäre der Föderalismus erhaltens- und ausbauenswert. In Zeiten der Diskussion um „Agilität“ und „Resilienz“ entspricht eine zentrale Entscheidungsfindung aber auch wohl nicht (mehr) dem Zeitgeist, um mal auf das dünne Eis zu steigen. Oder, um es plastischer zu machen: Schaut einfach mal nach Frankreich – Zentralismus at it’s best, möchte man fast meinen…

Zivilschutz: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/drk-praesidentin-hasselfeldt-zur-coronavirus-krise-16727751.html

Anstelle der Wieder-Inkraftsetzung der Wehrpflicht ein „Soziales Jahr“ für alle? Ich wäre dafür – wohlwissend, dass ich damit schon wieder außerhalb jeglicher „gefühlter“ Mehrheit stehe….

Grundrechte: https://legonomics.de/2020/04/28/coronavirus-tracing-app-als-loesung/

Wenn man nur die Posse um den Datenschutz im Rahmen der Einführung einer Corona-App als Indiz für die Grundrechtstreue unserer Regierung nehmen würde – dann hätte man echt Probleme. Gut, dass das nur ein Einzelfall war…

Fazit: Die gegenwärtige Corona-Krise fungiert auch bei der Offenlegung von Defiziten im „Staatsgebilde“ Deutschland als Brennglas und Brandbeschleuniger. Während einige Institutionen – wie der Förderalismus – eine unerwartete Renaissance erleben, fällt das Fehlen anderer – z.B. von „Zivis“ jetzt erst so richtig auf. Und erst so langsam kommen die Medien darauf, dass neben dem „Leben“ auch „Grundrechte“ zu schützen sind, ausgerechnet ausgelöst durch eine ungeschickte Äußerung unserer Bundeskanzlerin (s. hier und hier).  Vielleicht sollten die Medien auch mal drauf schauen, ob und wie die Regierung ihre selbst gesteckten Ziele erreicht, bevor sie sich eine Meinung bilden. Denn man könnte ja auch auf die Idee kommen, dass Frau Merkel eine „Öffnungsdiskussionsorgie“ auch deswegen unterbinden will, weil die Regierung es erneut versäumt hat, die selbst erklärten Voraussetzungen für einen problemlosen Exit zu schaffen. So gesehen erklärt sich dann auch das Misstrauen der Politiker gegenüber der eigenen Bevölkerung – wer wird denn schon gerne für seine Fehler zur Rechenschaft gezogen?

Historisch: 1947: Thor Heyerdahl und fünf Crewmitglieder brechen mit einem aus Balsabaumstämmen gefertigten Floß namens Kon-Tiki vom peruanischen Hafen Callao aus nach Polynesien auf. Heyerdahl will klären, ob eine Besiedlung der Inseln aus Südamerika auf diese Weise möglich gewesen ist (Aus: https://de.wikipedia.org/wiki/28._April)

Keep calm & carry on.

-tz 

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