Blackout – Schreckgespenst oder reales Risiko?

photo: Lukasz Kryger

Unter diesem – nicht gerade positivistischen – Motto stand eine Veranstaltung der Berliner Wirtschaftsgespräche, an der ich heute Morgen teilnehmen durfte. Als Redner hatten die Organisatoren Herrn Wolfgang Neldner, seines Zeichens Geschäftsführer des Berliner landeseigenen Betriebes „Berlin Energie“ gewinnen können.

Herr Neldner bestätigte eingangs seines Vortrages zunächst, dass das in dem Bestseller „Blackout“ geschilderte Szenario – also Ursachen und Folgen eines europaweiten Stromausfalls – zutreffend dargelegt seien (er kennt den Autor, Marc Elsberg, wohl auch persönlich und hält große Stücke auf ihn). Wer das Buch kennt, dem reichte eigentlich schon dieses Statement.

Aber dann stieg Herr Neldner in die ihm offensichtlich sehr am Herzen liegende Materie erst richtig ein. Zunächst stellte er klar, dass ein Blackout (sehr gute Erläuterungen dazu bei Wikipedia, hier) schon deswegen nicht auszuschließen sei, weil die Netze auf Grund der Steigerung der Einspeisung regenerativer Energien seit Jahren im Stresszustand seien (s. hierzu auch Süddeutsche, TenneT: „Netzstresstest“, hiergegen jedoch: Abschnitt „Zuverlässigkeit der Stromversorgung in der Bundesrepublik Deutschland“ im bereits zuvor genannten Wikipedia-Artikel, wonach die Stabilität der Stromversorgung in den letzten Jahren sogar gestiegen sei).

In Bezug auf den Umgang mit Ausfällen erläuterte Herr Neldner dann auch den in seiner Konseqzenz schon fast komisch wirkenden § 13 Abs. 8 EnergiewirtschaftsG: Nach dieser Regelung muss der Betreiber von Übertragungsnetzen unverzüglich die Regulierungsbehörde unterrichten, wenn bestimmte (Notfall-Maßnahmen nach Absatz 2) nicht ausreichen, um eine Versorgungsstörung für lebenswichtigen Bedarf im Sinne des § 1 des Energiesicherungsgesetzes abzuwenden. Wie soll der Betreiber aber die Regulierungsbehörde unterrichten, wenn die auf Strom angewiesenen Kommunikationseinrichtungen nicht mehr funktionieren (die batteriegessichete Telefonie wird gerade sukzessive abgebaut)? Per Krad-Melder? Sprich, wenn der Blackout jemals auftreten sollte, endet die Notfall-Kette damit, dass die entsprechende Behörde informiert werden soll – aber nicht werden kann. Nicht gerade vertrauenserweckend.

Zu dem vorgenannten erhöhten Stress-Level in den Netzen komme, so Neldner, die Gefahr, dass der sog. (n−1)-Standard abgeschafft wird. Nach diesem Standard kann zu jeder Zeit ein elektrisches Betriebsmittel, ein Transformator, eine Leitung oder ein Kraftwerk ausfallen, ohne dass es zu einer Überlastung eines anderen Betriebsmittels oder gar zu einer Unterbrechung der Energieversorgung kommen darf. Hier könnten also erforderliche Redundanzen wieder mal Profitstreben zum Opfer fallen.

Die durch den stetig steigenden Anteil der regenerativen Anteile bedingten hohen – und teilweise in sehr kurzen Zeitabständen erfolgenden – Schwankungen in der Stromerzeugung würden aber nicht nur die Netze „stressen“, sondern auch die Stabilität der Stromversorgung an sich sei hierdurch gefährdet. So sei die Stromversorgung bei einer sog. „kalten Dunkelflaute“ (bezeichnet in der Energiewirtschaft den Zustand, dass Windenergie– und Photovoltaik-Anlagen in einer Region wegen Flaute oder Schwachwind und zugleich auftretender Dunkelheit insgesamt keine oder nur geringe Mengen elektrischer Energie produzieren, s. auch hier), nicht sicher gewährleistet. Diesbezüglich verweist er darauf, dass die aktuell installierten Windkraftanlagen eine Nennleistung von bis zu 40 GW erbringen könnten, aber tw. nur 5 MW tatsächlich produzieren würden. Zwar verweise die Bundesregierung darauf, dass man bei solchen Lagen Strom importieren könne. Dagegen spreche aber schon, dass die Leitungen ins Ausland überhaupt nur eine „Importkapazität“ von 15% der normalerweise abgerufenen Leistungen aufweisen würden – also das Delta z.B. zur Windenergie gar nicht ausgleichen könnten. Auch würden die als Energiespeicher und -puffer zur Verfügung stehenden Pumpspeicherkraftwerke eher abgebaut, denn erweitert.

Im Falle eines tatsächlich auftretenden Blackouts (also eines zumindest regionalen Stromausfalls) würde ein sog. „Schwarzstart“ nach Neldners Ansicht sechs bis sieben Tage erfordern. In Bezug auf die Folgen eines solchen Blackouts verwies er darauf, dass ja auch die Abwasserentsorgung nicht funktionieren würde („wenn der Strom ausfällt, ist es dunkel, leise und es stinkt“), also zwar die Berliner wegen des noch aufrecht erhaltenen Systems von Straßenbrunnen noch Trinkwasser beziehen könnten. „Dank“ des fehlenden Latrinenkonzepts sei aber keine Fäkalienentsorgung möglich. Na, dann Prost.

Er sprach auch die Folgen des Stromausfalls anläßlich des „Münsterländer Schneechaos“ im Winter 2005 an, bei der etliche Kühe wegen fehlender Melkkapazitäten verendet seien, obwohl Notstromaggregate selbst aus Bayern herangeschafft worden seien. Das Problem sei aber gewesen, dass es zumeist keine Einspeisemöglichkeiten für Notstrom an den Gebäuden gegeben habe.

Auf Nachfrage ging er auch auf die durch einen Hackerangriff verursachten großflächigen Stromausfälle in der Ukraine in 2015 und 2016 (s. hier) ein. Insbesondere bestätigte er, dass ein zusätzliches Problem bei einem solchen Hackerangriff auch eine phasenverschobene Wiederaufnahme der Stromerzeugung sein könne, was zu einer Zerstörung der Turbine(n) führen würde (s. nähere Ausführungen hierzu bei Clarke / Eddy, „Warnings„, S. 288 f.). In einem solchen Fall dürfte bis zur Wiederherstellung der Stromversorung ein erheblich längerer Zeitraum als sechs / sieben Tage vergehen.

Herr Neldner zeigte am Ende seines Vortrages noch einige Vorsorgemaßnahmen auf: So empfahl er für den privaten Bereich, Adressen, etc. (auch) in Papierform aufzubewahren, einen Trinkwasservorrat anzulegen und – gerade für Unternehmen – Einspeisemöglichkeiten für Notstromversorgung vorzusehen.

Im öffentlichen Bereich forderte er mehrfach den Ausbau von Pump- und Gasspeichern, um die Versorungssicherheit aufrechtzuerhalten. Auch deutete er an, dass möglicherweise eine dezentrale Energieversorgung viele der angesprochenen Probleme lösen könnte.

Fazit: Nicht unbedingt ein neutraler Ausblick, aber gleichwohl zumindest kompetent vorgetragene Bedenken. Einer der Teilnehmer merkte an, dass es wohl auch vermessen sei, anzunehmen, dass die Energie-Infrastruktur in Ordnung sei, während wir in den Medien von verfallenden Autobahn-Brücken lesen. Das eine ist aber medial einfacher aufzubereiten, als das andere…

Nationale Strategie zum Schutz Kritischer Infrastrukturen (KRITIS-Strategie), Bundesministerium des Innern (BMI), Juni 2009

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