Medienmacht – was ist dran am Vorwurf der „Lügenpresse“?

Zeitung BR

Nicht erst seit der (scheinbar bewusst) verzögerten Berichterstattung über die Vorfälle in der Silvesternacht in Köln hat die AfD mit Ihrem Vorwurf der „Lügenpresse“ Oberwasser (googeln Sie mal „Unabhängigkeit der Medien„!). Aber wie wichtig sind unabhängige Medien und was ist tatsächlich dran am Vorwurf, dass die Medien gesteuert und manipuliert seien?

Die Relevanz der Unabhängigkeit der Medien zeigt schon der Fall Gustl Mollath, an dem deutlich wird, dass die Bevölkerung für informierte Entscheidungen eine kompetente und vor allen Dingen unabhängige „4. Gewalt“ benötigt: Ohne die engagierten Journalisten der Süddeutschen Zeitung wäre der Fall nie wieder aufgerollt worden – und ein Mann wäre in der Psychiatrie verschwunden. Dieser Fall ist übrigens auch aus wirtschaftspolitischer Sicht sehr bedenklich: Herr Mollath hatte Teile der Skandale bei der Bayern LB aufgedeckt und es ist nicht auszuschließen, dass Politiker ihn zum Schweigen bringen wollten. Auch in der sog. „Modellbauaffäre“ hat die Süddeutsche im Sinne einer freien und unabhängigen Presse agiert und berechtigt regierende Politiker bloßgestellt – man wundert sich da eher, warum das bayerische Wahlvolk (nicht nur) nach diesen Skandalen immer noch von der CSU regiert wird.

Spätestens seit Veröffentlichung der Geheimdienstakten zur US-amerikanischen Operation Mockingbird ist erwiesen, dass auch staatliche Organe in demokratischen Staaten gezielt Einfluss auf die Berichterstattung in den Medien nehmen – sie also zumindest in Einzelfällen zu manipulieren versuchen. Auch in Deutschland gab es mit der „Spiegel-Affäre“ bereits in den 60’er Jahren gewalt(tät)ige Versuche der Einflussnahme auf die Berichterstattung der Medien. Schon vergessen (wegen fehlender Medien-Berichterstattung?) scheint der sog. „Journalisten-Skandal“ zu sein, der Mitte der 2000er Jahre die Zusammenarbeit von Medien und Nachrichtendiensten in Deutschland illustriert. Der bereits eingangs genannte Skandal um die (fehlende) Berichterstattung der Vorfälle in der Kölner Silvesternacht ist mittlerweile journalistisch z. B. durch die Wirtschaftswoche aufgearbeitet und belegt. Zuletzt behauptete der (selber sehr umstrittene!) deutsche Journalist Udo Ulfkotte, von der CIA zu bestimmten Veröffentlichungen gezwungen worden zu sein. Selbst bei der renommierten Wochenzeitung Die Zeit kann man sich teilweise des Eindrucks einer tendenziösen Berichterstattung zu Wirtschafts- und Finanzthemen nicht erwehren. Aber auch wenn man keine generelle Manipulation der Berichterstattung ausgeht, so fällt doch die teilweise fehlende Tiefe von Medienberichten zu wirtschaftlichen Themen auf. Klar ist auch, dass zumindest die deutschen Medien bei der Berichterstattung über die Finanzkrise ab 2007 eine eher unglückliche Rolle gespielt haben.

Die Frage ist, was die Gründe für diese teils manipulierte, teils tendenziöse und teils einfach schlechte Berichterstattung sind.

Unabhängig von der politischen “Verortung” von Medien und Verlagen (Die Welt konservativ, Die ZEIT liberal, die taz links, etc.) spielt die Struktur der deutschen Medienlandschaft eine nicht unerhebliche Rolle: Gerade bei den Printmedien dürfte die Eigentümerstruktur das Potential bieten, in der jeweiligen Zeitung die Einflussnahme in nicht unerheblichem Maße zu begünstigen:

  • So „gehört“ die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) über die FAZIT-Stiftung neun Gesellschaftern, denen neben einigen Prominenten der Medienbranche insbesondere prominente „Lenker“ der deutschen Wirtschaft angehören.
  • Wie der Name „Springer-Presse“ schon suggeriert, gehören die Medien des Springer-Konzerns einer maßgeblichen Person – nach dem Tod von Axel Springer nunmehr Friede Springer, die „gute Kontakte“ zur Bundeskanzlerin Frau Merkel pflegen soll.
  • Sowohl Die Zeit als auch das Handelsblatt und auch der (Berliner) Tagesspiegel gehören mittlerweile zur Verlagsgruppe Holtzbrinck (um nur einige prominente Titel zu nennen) und damit Privatpersonen.
  • Quasi „personifiziert“ wird der Konsolidierungsprozess in der Medienlandschaft durch die früher als WAZ- und heute als Funke Mediengruppe bekannte Verlagsgesellschaft. Hier sind sehr viele der in NRW erscheinenden Printmedien gebündelt – und sie gehört wieder Privatpersonen.
  • Bei dieser Aufzählung darf natürlich die persönlich zu Hubert Burda gehörende Hubert Burda Media-Gruppe nicht fehlen, die mit Zeitschriften, wie Focus in Deutschland vertreten ist.
  • Über die ddvg hält die SPD (ja, die Partei!) Anteile an verschiedenen Printmedien, die derzeit über eine Gesamtauflage von 435.000 Zeitungen verfügen. Hier erschien bis zu ihrer Insolvenz z.B. die Frankfurter Rundschau – in der, glaubt man dem Tagesspiegel, es durchaus auch Versuche der politischen Einflussnahme gegeben haben soll.
  • Auch die Süddeutsche Zeitung wird durch einen im wesentlichen in privater Hand befindlichen Verlagskonzern, der Südwestdeutsche Medien Holding, zu über 81% kontrolliert.
  • Als Gegenstück zu diesem Konsolidierungsprozess soll hier die taz genannt werden, die ihren Genossen „gehört“ – und damit „Unabhängigkeit durch Vielheit“ garantieren dürfte.
  • Nur zum Teil kann man diese „Unabhängigkeit durch Vielheit“ auch beim Herausgeber DES Leitmediums der BRD, dem Spiegel, also dem Spiegel-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG konstatieren. Dieser „gehört“ zu 50,5% den Mitarbeitern des Spiegel, zu 24% den Erben von Rudolf Augstein – aber zu 25,5% (und damit mit einer Sperrminorität!) dem Medienkonzern Gruner + Jahr, einer Tochter der Bertelsmann AG – und damit Liz Mohn, die mit Kanzlerin Merkel freundschaftlich verbunden ist.
  • Man sollte bei dieser Aufzählung auch das „rechte Spektrum“ der Medienlandschaft nicht aus den Augen verlieren. Die Wirtschaftswoche (gehört über die Handelsblatt-Gruppe übrigens auch zur Holtzbrinck-Gruppe…) weist in einem Artikel auf den Kopp-Verlag und die „Junge Freiheit“ als mögliche Köpfe hinter der Lügenpresse-Kampagne hin. Der Kopp-Verlag gehört Jochen Kopp – und damit wieder einer Einzelperson, die über den Abdruck von einzelnen Werken entscheidet. In den zu dieser Gruppe gehörenden Verlagen werden übrigens auch Artikel und Bücher des schon oben genannten Udo Ulfkotte oder auch (die ehr verschwörungstheoretischen) Artikel von Gerhard Wisnewski veröffentlicht. Auch die Junge Freiheit „gehört“ zu großen Teilen ihrem Chefredakteur, Dieter Stein. Journalistische Unabhängigkeit ist damit auch im „rechten Lager“ strukturell eher schwierig…

Wenn man also die „Stammbäume“ der einzelnen Zeitungen verfolgt, ergibt sich daraus zwanglos, dass – wie in anderen Branchen, etwa im Lebensmittelbereich – in den letzten Jahren eine erhebliche Konsolidierung der Printmedienlandschaft stattgefunden hat. Diese Konsolidierungen erfolgten natürlich auf wirtschaftlichen Druck – bedingt durch den Rückgang des eigenen Geschäfts. Bei den Printmedien ist seit Jahren ein Rückgang der Auflagen zu beobachten und damit einher geht ein Rückgang des Anzeigengeschäfts. Ich würde bezweifeln, dass diese Konsolidierungen noch einmal rückgängig zu machen sind.

Es ist aber nicht nur die Eigentümerstruktur der Printmedien, die möglicherweise zu einer Beeinflussung der Berichterstattung führt, sondern auch die Netzwerkaktivitäten der Journalisten selber, die dadurch bedingt möglicherweise eher im Interesse einer „Ruling class“ als unabhängig berichten. Gerade im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik scheinen teilweise heftige Verbindungen von Journalisten und Redakteuren zu Lobby-Organisationen zu bestehen. so wurden in einer Sendung des ZDF („Die Anstalt„) Verbindungen von Redakteuren der Zeit, der FAZ und der Süddeutschen zu transatlantischen Thinktanks aufgezeigt. Bezeichnenderweise scheiterte der Herausgeber der Zeit, Herr Joffe, mit einer Unterlassungsklage gegen die in der Sendung aufgestellten Behauptungen. Auch sind die Teilnahmen von Journalisten und Redakteuren an den sagenumwobenen „Bilderberg-Konferenzen“ Stoff für Legendenbildung und Verschwörungstheorien – auch in Bezug auf die Medien.

Schließlich führt der Kostendruck in den Printmedien auch immer wieder zu Personalkürzungen, wie etwa das „Kettensägenmassaker“ beim Berliner Tagesspiegel Ende 2015, bei dem aus Kostengründen ein Verbot erlassen wurde, freie Mitarbeiter zu beschäftigen.

Über die Printmedien sollte man aber nicht die wesentlichen weiteren Medien (neben dem Internet), nämlich Rundfunk und Fernsehen, vergessen. Hier herrscht zwar kein Staatsmonopol mehr, aber die Vorrangstellung der sog. „Öffentlich-Rechtlichen“ wird heiß diskutiert. Wenn man zudem weiß, dass z.B. der Nachrichtensender N24 zum Axel-Springer-Verlag gehört, dann muss man die Unabhängigkeit der Berichterstattung fast schon nicht mehr hinterfragen… (Übrigens, bei Phoenix liegen Sie auch in der ersten Reihe…). Beschäftigt man sich mit den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkstrukturen, dann stechen einem sofort etliche Urteile ins Auge, die aufzeigen, wie versucht wird, in diesem Bereich strukturelle Einflussmöglichkeiten zu schaffen. So musste das Bundesverfassungsgericht bereits 1961 den Versuch der Etablierung des sog. „Adenauer-Fernsehens“ verhindern. Zuletzt beurteilte das Bundesverfassungsgericht die gesetzliche Grundlage für die Zusammensetzung des sog. „ZDF-Fernsehrates“ für verfassungswidrig – gerade was die Struktur der Mitglieder angeht. Berichte über (versuchte) Einflussnahmen auf Sendungen sind zu unzählig, um sie hier en detail aufzuführen.

Auch scheinen einzelne Journalisten persönlichen Zuwendungen teilweise nicht abgeneigt zu sein.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Hinweise auf manipulierte Berichterstattungen durch die Medien existieren. Ich würde aber davon ausgehen, dass zunächst die (Eigentümer-) Struktur in der Printmedienlandschaft Beeinflussungen erleichtert. Ferner würde ich konstatieren, dass Medienschaffende sich häufig eher unbewusst beeinflussen lassen, als dass eine systematische und dauerhafte Manipulation der Medien im Sinne einer Zensur stattfindet. Die Hintergründe dieser Beeinflussung liegen in der finanziell schwierigen Lage, in der sich gerade die Printmedien seit dem Erstarken des Internets befinden, in der (daraus resultierenden konsolidierten) Eigentümerstruktur aber auch dem Netzwerk der einzelnen Journalisten und Redakteure, welches ebenfalls Abhängigkeiten erzeugt. Ähnlich wie in der Vergangenheit dürfte der Begriff der „Lügenpresse“ damit eher von den Verwendern zur Verfolgung ihrer Ziele instrumentalisiert sein, denn einem generellen Phänomen entsprechen.

Nach dieser Betrachtung der deutschen Medienlandschaft bleibt gleichwohl ein schaler Beigeschmack. Wie kann man aber als Einzelperson eine unabhängige und kompetente Berichterstattung fördern? Zunächst gilt der Leitspruch des unvergessenen Hanns-Joachim (Hajo) Friedrichs: „Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache – auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazu gehört.“ Journalisten sollten nach diesem Leitspruch leben – und die Medienrezipienten die Personen hinter der Berichterstattung nach diesem Kriterium auf Vertrauenswürdigkeit prüfen. Bei der Prüfung helfen können auch freiwillige Qualitätswächter, wie das „Netzwerk Recherche“ oder Stefan Niggemeier, der auch für die Krautreporter schreibt und den BildBlog mit begründet hat.

Auch ist klar, dass Wettbewerb nicht nur das Geschäft, sondern auch die Qualität der Berichterstattung heben dürfte. Der Konzentration im Mediensektor kann man durch die Schaffung neuer Medien entgegentreten – und im Gegensatz zur allgemeinen Wahrnehmung sprießen diese neuen Medien in schier unermesslicher Anzahl aus dem Boden – in Form von Blogs und unabhängigen Nachrichtenseiten. Wenn eine Zeitschrift, wie Die Welt einen Blog wie Zerohedge zitiert, dann weiß man, dass sich Blogs zunehmend als unabhängige Konkurrenz der angestammten Medien etablieren (Ironischerweise wird der Zugang zu Zerohedge anscheinend für Mitarbeiter von US-Behörden blockiert). Auch wird man nicht umhin kommen, beim Medienkonsum ebenfalls „Unabhängigkeit durch Vielheit“ zu leben – sprich, sich über möglichst viele Kanäle und Originaldokumente selber zu informieren. Dazu gehört vielleicht auch, unabhängige Blogs durch Spenden zu fördern.

4 Gedanken zu „Medienmacht – was ist dran am Vorwurf der „Lügenpresse“?“

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